Der Philosoph Hermann Leonhardi bittet den Minister um Erhöhung seines Gehalts. Er hat dazu bereits ein offizielles Schreiben an das Ministerium gerichtet, das sowohl von der Universität als auch von der Statthalterei unterstützt wird. Er führt dann einige Gründe auf, warum er die Erhöhung seines Gehaltes für gerechtfertigt hält. Zunächst betont er, dass ihm schon bei der Annahme der außerordentlichen Professur die baldige Beförderung auf ein Ordinariat in Aussicht gestellt worden sei. Seitdem habe sich diese Hoffnung jedoch nicht erfüllt, indes wurden jedoch andere Professoren auf einen Lehrstuhl berufen. Er habe allerdings stets fleißig gearbeitet und sich insbesondere durch die Herausgabe von mehreren Bänden aus dem Nachlass von Krause um die Philosophie verdient gemacht. Zudem würde mit einer Erhebung zum Ordinarius auch die Position der Philosophie innerhalb der Universität gestärkt, der ja eine wichtige Rolle zukomme. Er betont außerdem, dass die Erhöhung seines Gehaltes auch deshalb notwendig sei, damit er die Kosten für seinen Lebensunterhalt decken könne. Besonders die Übersiedelung von Heidelberg nach Prag hatte enorme Kosten verursacht. In Anbetracht all dieser Gründe hofft Leonhardi, dass Thun seine Leistungen würdige und ihm eine Professur verleihe und damit auch sein Gehalt erhöhe.
Euer Excellenz!
Im Begriff, meine Schrift über zeitgemäße Organisation des Studiums der
Philosophie und über Einrichtung philosophischer Übungskurse für
Lehramtskandidaten zu vollenden – was mir wegen häufiger durch Krankheit meiner
Frau herbeigeführter Störungen erst jetzt möglich wird –, sehe ich mich noch vor
Beendigung des Druckes durch die Berufung des mir befreundeten Professor Zimmermann als Ordinarius an
hiesige Universität veranlaßt,
mich an Euer Excellenz zu wenden mit Rücksicht auf ein am 29. Jänner von mir
eingereichtes Gesuch um huldvolle Zuweisung eines angemessenen Gehaltes, das
fast einstimmig und ohne vorausgegangene Diskussion von unserm Lehrkörper
vorwortlich einzubegleiten beschlossen wurde und das, wie ich mir schmeichle,
auch die vorwortliche Einbegleitung der hohen k.k. Statthalterei erhalten haben
dürfte.
Ich habe in diesem Gesuch absichtlich nur um einen Gehalt gebeten,
um Euer Excellenz, Die mir die Versicherung gegeben haben, daß Hochdieselben
wegen einer passenden Stellung an mich denken wollen, in keiner Weise
vorzugreifen und würde gar kein Gesuch gemacht haben, wenn meine Freunde mir
nicht gesagt hätten, daß die formelle Anregung von mir ausgehen müsse.
Durch
Gewinnung der beiden neuen Professoren, Vertreter zweier verschiedener
Richtungen der Philosophie, für die k.k. Prager
Universität ist die Ausführung meines Planes in einer Weise
vorgearbeitet, daß ich in der Übergehung meines Namens in der Prager Zeitung
keine Mißtrauensbezeugung der hohen k.k. Staatsregierung erblicken kann, wozu
ich auch keinen Anlaß gegeben zu haben glaube. Ich kann vielmehr darin nur eine
Aufmunterung finden, Euer Excellenz meine bestimmten Wünsche
kundzugeben.
Hierin bestärkt mich noch die mir erst ganz kürzlich gewordene
Versicherung Seiner Eminenz des Herrn
Cardinal Erzbischof, daß er der Ausführung meines Planes kein
Hindernis bereiten werde, als auch das Bewußtsein, daß es sich um Gründung einer
Institution handelt, die der Ausgangspunkt einer neuen besseren Richtung der
Zeit zu werden bestimmt ist – „um den Keim einer großartigen und äußerst
wichtigen, wahrhaft kaiserlichen Schöpfung einer noch fehlenden eigentlich
philosophischen Sektion einer Akademie der Wissenschaften, wie sie sein soll“ –
wie Dr. Veit, dem ich den Plan
vorlegte, ganz richtig erkannte.
Mit Rücksicht auf die gute Sache, die ich
vertrete, wage ich es also Euer Excellenz meine Wünsche so offen und
vertrauensvoll auszusprechen, als bei meinem Eintritt in den kaiserlichen Dienst
Seiner Excellenz dem Grafen Stadion und
Herrn Ministerialrat Exner, an den er
mich wies.
Fand schon damals das, was ich seit Krauses Tod durch
Fortbildung seiner Schule und durch größere Vollendung seiner wissenschaftlichen
Methode geleistet, die Anerkennung, daß meinem darauf gegründeten Anspruch nicht
als Anfänger behandelt zu werden, Rechnung getragen wurde, so ist es jetzt,
nachdem meine Befähigung zum frei entwickelnden Vortrag sich längst erprobt hat,
wohl ein ganz natürlicher Wunsch, daß mein biederes Benehmen, infolgedessen ich
für den Anfang auf Gehalt verzichtete, mir nicht zu bleibendem Nachtheile
gereiche und meine Hoffnung ist wohl nicht unbescheiden, daß auch Euer
Excellenz, Die mir wiederholte Beweise des Vertrauens gegeben haben, meinem
eigenen Dafürhalten, unter welchen Bedingungen ich am erfolgreichsten werde
wirken können, jetzt eine gleiche Berücksichtigung angedeihen zu lassen geruhen
werden.
Meine Verhältnisse sind diese. Nach
Prag
zu gehen ward ich bestimmt durch die günstige
Aussicht auf baldige Erlangung einer ordentlichen und angemessen besoldeten
Professur an
hiesiger
Universität, welche das hohe
Unterrichtsministerium mir damals eröffnete. Durch ein
Nervenleiden wurde ich verhindert meine Vorträge schon im Winter 1849–50 zu
beginnen (Ich hatte mir dieses Leiden durch den meiner Übersiedlung wegen
unvermeidlichen Aufenthalt in Heidelberg grade während
der badischen Revolution zugezogen); bin aber nun bereits vier Semester in
voller, und ich darf sagen mit Rücksicht auf Zahl und Fleiß der Zuhörer, in
erfolgreicher Thätigkeit. Daran, daß auch weniger begabte Zuhörer, wenn sie nur
beim Vortrage sich Notizen machen, am Conversatorium sich betheiligen und
zuhause das Buch benutzen, bei mir etwas lernen, habe ich den Beweis, daß meine
allerdings nicht leichten und auf solche, die durch Sitzen im
Hörsaal dem Gesetz zu genügen glauben, freilich nicht berechneten Vorträge auch
für die durchschnittliche Fassungskraft verständlich sind. Ich kann darum wohl
behaupten, daß ich schon seit einem Jahre die mir selbstgestellten Bedingungen
für Geltendmachung meiner Ansprüche auf eine meiner Leistungsfähigkeit
angemessene Stellung erfüllt habe.
Auf eine solche Stellung kommt es mir vor
allem an; denn nach ihr werden die Vertreter anderer Fächer und wird die
studirende Jugend es bemessen, in welcher Wertschätzung die von mir vertretene
harmonisch-organische Richtung der Wissenschaft bei dem hohen
Unterrichtsministerium stehe.
Soll mir nun behufs der Lösung
meiner ohnehin schwierigen Aufgabe, die mich nöthigt:
verderblichen
Zeittendenzen in zwar versöhnender, nichtsdestoweniger aber völlig entschiedener
Weise entgegenzutreten und die Studenten – von denen die meisten noch an bloß
formeller Verstandesbildung und eitler Ausstaffirung des Geistes mit
Gedächtniswerk sich genügen lassen – zu dem bei weitem unbequemeren
Selbstdenken, das in die Sache eindringt, und zur geistigen
Bescheidenheit anzuleiten;
soll mir für diesen Beruf der Weg einigermaßen
geebnet werden, soll ich nicht auch noch mit all den kleinen Hindernissen zu
kämpfen haben, die sich dem so gern in den Weg stellen, der eine andre als die
herkömmliche, einseitig abstrakte oder einseitig empirische Richtung anschlägt
und Parteiintriguen sich nicht anschließt, so scheint dafür erforderlich, daß
ich als Ordinarius mit der höheren Gehaltsstufe gestellt werde, um in das
gehörige Verhältnis zu kommen mit den hauptsächlichsten Vertretern der andern in
der philosophischen Fakultät gepflegten Wissenschaftszweige.
An einem
ausreichenden Gehalte muß mir ferner auch darum liegen, damit ich nicht in
Gefahr bleibe, ohne gesicherte Zukunft auch noch die Reste meines Vermögens
meiner Lehrbethätigung zum Opfer zu bringen, und damit ich die Hülfsmittel nicht
zu entbehren brauche, ohne die es unmöglich ist, sich zugleich über abstrakte,
ethische und Naturwissenschaften einen fortlaufenden Überblick zu erhalten. Es
muß mir daran umso mehr liegen, als ernste philosophische Vorträge bisher
überhaupt nur ein kleines Publikum haben und die Eifrigen sich, wie das nur zu
wünschen ist, in die Hörsäle mehrerer Professoren desselben Faches vertheilen,
sodaß auf eine nur einigermaßen bedeutende Einnahme von Collegiengeldern nicht
zu rechnen ist.
Folgende Billigkeitsgründe, die gleichfalls hiefür sprechen,
erlauben mir Euer Excellenz noch anzuführen.
Wenn ich gleich keine
Dienstjahre im gewöhnlichen Sinn aufzuweisen habe, so sind doch die seit
Beendigung meines Universitätsstudiums verflossenen zwanzig Jahre ebenso viele
im ununterbrochenen und uneigennützigen Dienste der Wissenschaft zugebrachte
Jahre. Was ich an Zeit, Kraft, Geld und ich darf sagen an Carriere bei meiner
privaten Wirksamkeit zu Fortbildung der Krausischen Schule der
Wissenschaft geopfert habe, das kommt jetzt auch dem Kaiserstaate zugut. Was nur durch solche Opfer errungen werden
konnte, jene bestimmt christliche, in principieller Entschiedenheit der
Revolution entgegentretende und praktisch besonnene Richtung sowie die größere
Vollendung der philosophischen Methode, das ist zugleich für den Kaiserstaat errungen, sofern mir die Mittel
einer umfassenden Bethätigung gewährt werden. Ich habe diese Reife nicht wie
andre Professoren erst im Staatsdienste, nicht auf Staatskosten
gewonnen.
Dann habe ich – auch wenn ich die Kosten meines Lebensunterhaltes
im ersten Jahre meiner wirklichen Bethätigung an hiesiger Universität (Ostern 1850–51) als
ein der mir in Aussicht gegebenen Stellung als ordentlicher Professor bleibend
gebrachtes Opfer betrachte – doch für Übersiedlung von
Heidelberg sowie für die Kosten des zweiten Jahres
(Ostern 1851–52) ein Capital aufwenden müssen, dessen Entbehrung kaum durch den
zehnjährigen Mehrbezug von dreihundert Gulden über den gewöhnlichen
Anfangsgehalt eines Ordinarius aufgewogen wird.
Was endlich meine
literarischen Veröffentlichungen betrifft, die – meist zerstreut in fünf von mir
herausgegebenen starken Bänden des Krausischen Nachlasses,
denen sie zur Einleitung zur Erläuterung und Ergänzung dienen – sich dem Blick
entziehen, während mir dadurch eine Stelle in der Geschichte der Philosophie
gesichert ist, so würden sie, zusammengedruckt, einen Großoktavband von zwanzig
Bogen füllen, durch welchen die Wissenschaft grade in den für das Leben
wichtigsten Begriffen wesentlich gefördert ist. Ein weit größerer Theil meiner
eignen wissenschaftlichen Ausarbeitungen war nicht für unmittelbare
Veröffentlichung, sondern für den engen Kreis der Schule bestimmt, ist aber
nichtsdestoweniger auch für das Publikum fruchtbar geworden, weil diese nur
handschriftlichen Hefte meinen Schülern das tiefere Verständnis der Krausischen Philosophie
vermittelten und ihnen bei Abfassung ihrer in verschiedenen Sprachen über die
ganze gebildete Welt verbreiteten Werke die wesentlichste Hülfe
leisteten.
Hoffentlich werde ich bis Ende der andern Woche imstande sein
Euer Excellenz meine Druckschrift vorzulegen, die im Calvischen Verlag als erste
Nummer eines Organes für harmonisch-organische Behandlung der Wissenschaft eine
Reihe zwangloser Hefte eröffnen soll.
Halten Euer Excellenz dafür, daß ich
den Seminarplan in Verbindung mit meinen beiden neuen Collegen am hiesigen Orte
praktisch durchführen solle, so werde ich so frei sein, die Bedingungen bestimmt
zu bezeichnen, unter denen ich dies mit Erfolg zu unternehmen mir
getraue.
Genehmigen Euer Excellenz die Versicherung der ausgezeichneten
Hochachtung, mit welcher zu zeichnen die Ehre hat
Euer Excellenz
gehorsamer Diener
Dr. Hermann Fhr. v. Leonhardi
k.k. Professor
Prag, 11. März 1852