Der Jurist Ernst von Moy de Sons nimmt die Abberufung des Oberlandesgerichtsrats Johann Kiechl als Prüfungskommissar zum Anlass, um sich zur kolportierten Wiedereinführung der Studiendirektoren zu äußern. Moy ist gegen eine solche Wiedereinführung, da staatliche Direktoren als Beamte keine Kenntnisse von der Funktionsweise der Wissenschaft hätten und daher nur den Aufschwung der Wissenschaft an den Universitäten hemmen würden. Moy empfiehlt stattdessen, den Dekan mit größeren Vollmachten auszustatten. Schließlich nimmt Moy zur möglichen Anstellung Karl Thalers als Privatdozent für deutsche Sprache und Literatur Stellung. Thalers Mutter sei eine Revolutionärin gewesen, deren Geist im Sohn weiterlebe. Moy rät daher davon ab, Thaler eine Stelle an einer österreichischen Universität zu verleihen.
Hochgeborner Herr Graf!
Hochzuverehrender Herr Minister!
Euer Exzellenz haben durch die Abberufung des Oberlandesgerichtsrats Kiechl unsere Facultät von einem
Drucke befreit, der wie ein Alp auf ihr lastete und ihr Ansehen von dem Publicum
überhaupt und vor den Studirenden insbesondere schwer compromittirte. Möge
nunmehr nicht der von Studiendirektoren an die Stelle treten! Denn es ist ein
innerer Widerspruch, mit der Leitung einer Anstalt, die zur Entwicklung und
Weiterbildung der Wissenschaft bestimmt ist, praktische Beamte zu betrauen, die
in ihrer gelehrten Bildung, wenn nicht zurückschreiten, doch in der Regel
wenigstens stehen bleiben. Der wissenschaftliche Geist muß dadurch in seinem
Aufschwunge nothwendig gehemmt werden, die Universität als eine bloße
Abrichtungsanstalt für den praktischen Staatsdienst sich darstellen. Dagegen
dürfte der Decan der Facultät mit größeren Vollmachten ausgerüstet und
insbesondere für die Wahrung der gehörigen Strenge bei den rigorosen Prüfungen
verantwortlich gemacht werden.
Aus einem Rescripte an die philosophische
Facultät habe ich ersehen, daß dem in Heidelberg gebildeten
jungen von Thaler ziemlich bestimmte
Aussicht eröffnet ist, hier als Privatdocent für deutsche Sprache und Literatur
auftreten zu dürfen, eine Maßregel, welche durch das Interesse der Wissenschaft
und der Sparsamkeit gleich sehr empfohlen scheint. Ich würde mir indessen im
Gewissen Vorwürfe machen müssen, wenn ich bei dieser Gelegenheit nicht von der
mir gnädigst ertheilten Erlaubnis, mich über die hiesigen
Universitätsverhältnisse frei äußern zu dürfen, Gebrauch machte. Der junge von Thaler ist der Sohn eines äußerst
braven, ehrenhaften Beamten, seine
Mutter aber ist eine
Schriftstellerin, welche sich im Jahre 1848 als fanatische Anhängerin der
Revolution hervorgethan und ihrem Mann schwere Verlegenheiten bereitet hat. Im
Sohne lebt ganz der Geist seiner Mutter, die auch mit ihm die Universität Heidelberg bezogen hat. Er hat sich als
Student durch sein arrogantes Benehmen stets hervorgethan. Graf Bißingen, der dieses einst persönlich
erfahren, könnte, was ich hier anführe, bezeugen. Die germanistischen Studien
eignen sich besonders dazu, auf das Gemüth der jungen Leute zu wirken. Ich
stelle es dem Urtheil Euer Exzellenz anheim, ob einem solchen Individuum ein
Wirkungskreis an einer österreichischen Universität zu eröffnen sey. Dixi et
salvavi animam meam. Geruhen Euer Exzellenz meine ehrfurchtsvollen Glückwünsche
zum neuen Jahr zu empfangen und genehmigen Hochdieselben den Ausdruck der tiefen
Verehrung, womit ich geharre
Euer Exzellenz
unterthäniger Diener
Bon. Moy
Innsbruck, den 7. Jänner 1859