Ernst Moy de Sons an Leo Thun
Innsbruck, 7. Januar 1859
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Regest

Der Jurist Ernst von Moy de Sons nimmt die Abberufung des Oberlandesgerichtsrats Johann Kiechl als Prüfungskommissar zum Anlass, um sich zur kolportierten Wiedereinführung der Studiendirektoren zu äußern. Moy ist gegen eine solche Wiedereinführung, da staatliche Direktoren als Beamte keine Kenntnisse von der Funktionsweise der Wissenschaft hätten und daher nur den Aufschwung der Wissenschaft an den Universitäten hemmen würden. Moy empfiehlt stattdessen, den Dekan mit größeren Vollmachten auszustatten. Schließlich nimmt Moy zur möglichen Anstellung Karl Thalers als Privatdozent für deutsche Sprache und Literatur Stellung. Thalers Mutter sei eine Revolutionärin gewesen, deren Geist im Sohn weiterlebe. Moy rät daher davon ab, Thaler eine Stelle an einer österreichischen Universität zu verleihen.

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Edierter Text

Hochgeborner Herr Graf!
Hochzuverehrender Herr Minister!

Euer Exzellenz haben durch die Abberufung des Oberlandesgerichtsrats Kiechl unsere Facultät von einem Drucke befreit, der wie ein Alp auf ihr lastete und ihr Ansehen von dem Publicum überhaupt und vor den Studirenden insbesondere schwer compromittirte. Möge nunmehr nicht der von Studiendirektoren an die Stelle treten! Denn es ist ein innerer Widerspruch, mit der Leitung einer Anstalt, die zur Entwicklung und Weiterbildung der Wissenschaft bestimmt ist, praktische Beamte zu betrauen, die in ihrer gelehrten Bildung, wenn nicht zurückschreiten, doch in der Regel wenigstens stehen bleiben. Der wissenschaftliche Geist muß dadurch in seinem Aufschwunge nothwendig gehemmt werden, die Universität als eine bloße Abrichtungsanstalt für den praktischen Staatsdienst sich darstellen. Dagegen dürfte der Decan der Facultät mit größeren Vollmachten ausgerüstet und insbesondere für die Wahrung der gehörigen Strenge bei den rigorosen Prüfungen verantwortlich gemacht werden.
Aus einem Rescripte an die philosophische Facultät habe ich ersehen, daß dem in Heidelberg gebildeten jungen von Thaler ziemlich bestimmte Aussicht eröffnet ist, hier als Privatdocent für deutsche Sprache und Literatur auftreten zu dürfen, eine Maßregel, welche durch das Interesse der Wissenschaft und der Sparsamkeit gleich sehr empfohlen scheint. Ich würde mir indessen im Gewissen Vorwürfe machen müssen, wenn ich bei dieser Gelegenheit nicht von der mir gnädigst ertheilten Erlaubnis, mich über die hiesigen Universitätsverhältnisse frei äußern zu dürfen, Gebrauch machte. Der junge von Thaler ist der Sohn eines äußerst braven, ehrenhaften Beamten, seine Mutter aber ist eine Schriftstellerin, welche sich im Jahre 1848 als fanatische Anhängerin der Revolution hervorgethan und ihrem Mann schwere Verlegenheiten bereitet hat. Im Sohne lebt ganz der Geist seiner Mutter, die auch mit ihm die Universität Heidelberg bezogen hat. Er hat sich als Student durch sein arrogantes Benehmen stets hervorgethan. Graf Bißingen, der dieses einst persönlich erfahren, könnte, was ich hier anführe, bezeugen. Die germanistischen Studien eignen sich besonders dazu, auf das Gemüth der jungen Leute zu wirken. Ich stelle es dem Urtheil Euer Exzellenz anheim, ob einem solchen Individuum ein Wirkungskreis an einer österreichischen Universität zu eröffnen sey. Dixi et salvavi animam meam. Geruhen Euer Exzellenz meine ehrfurchtsvollen Glückwünsche zum neuen Jahr zu empfangen und genehmigen Hochdieselben den Ausdruck der tiefen Verehrung, womit ich geharre

Euer Exzellenz

unterthäniger Diener
Bon. Moy

Innsbruck, den 7. Jänner 1859