Der Jurist Ernst von Moy de Sons bittet Leo Thun um Unterstützung bei dem Versuch, seinen Adelstitel in Österreich anerkennen zu lassen. Moy ist der Sohn eines französischen Emigranten, der sich 1799 als Kaufmann in München niedergelassen hatte. Bereits 1816 hatte sein Vater in Bayern um Anerkennung des Adelstitels gebeten und die nötigen Unterlagen vorgelegt. Allerdings wurde er in der Folge in der bayerischen Adelsmatrikel nur als Ritter eingetragen, obwohl dies nicht seinem eigentlichen Rang entsprach. 1844 hat Moy selbst um die Anerkennung gebeten, wurde aber abgewiesen. Unter Maximilian II. wurde sein Antrag auf Anerkennung des Freiherrentitels zwar angenommen, allein der Antrag blieb bis zu seinem Übertritt in österreichische Staatsdienste unerledigt. Auch in Österreich hat Moy bis jetzt keinen positiven Bescheid erlangen können, daher hofft er nun auf die Unterstützung Thuns in dieser privaten Angelegenheit.
Euer Exzellenz,
haben mich mit so viel Güte überhäuft, daß ich darauf sündigend Ihren hohen
Beistand und Ihre wohlwollende Verwendung auch in Dingen außer Ihrem amtlichen
Wirkungskreise in Anspruch zu nehmen wage: Ich bin, wie Euer Exzellenz
vielleicht schon wissen, der Sohn eines französischen Emigré vom Jahre 1791.
Mein Vater hatte nach
der Auflösung der Condéschen Armee, in der er mit Lieutenantsrang gedient, aller
Subsistenzmittel beraubt, weil auch sein älterer Bruder ausgewandert und seine
Mutter deshalb mit zweien ihrer Töchter ins Gefängnis geschleppt worden war,
zuerst eine Hofmeistersstelle bei dem reichen Fabrikbesitzer Guaita in
Frankfurt übernommen, dann durch den Credit dieses
Mannes unterstützt einen Handel angefangen und sich im Jahre 1799 als Kaufmann
in München angesiedelt. Sein Handel blühte
noch, als die Restauration erfolgte, fesselte ihn aber auch an den bayerischen
Boden und hinderte ihn nach Frankreich zurückzukehren. Doch
wollte er nun in Bayern wenigstens seinen Kindern die
adeligen Standesrechte sichern, von denen er selbst als Kaufmann bis dahin
keinen Gebrauch gemacht hatte. Er ließ daher im Jahre 1816 aus
Frankreich, nebst anderen Urkunden, die vidimirte
Abschrift eines im Jahre 1789 zu Paris im Cabinet des
ordres du Roi deponirten Mémoire généalogique kommen, aus welchem erhellt, daß
er der Chevalier de Moy de Sons, der zweite und jüngste Sohn des Baron Jean Batiste de Moy de
Sons, aus dem Hause der Marquis de Moy de Sons war, welches Haus,
seit dem zwölftem Jahrhundert in der Picardie und
Champagne unter dem Namen de Sons bekannt, ein jüngerer
Zweig des im Anfange des 17. Jahrhunderts mit der Gemahlin
Herzogs Heinrich I. von
Lothringen erloschenen Hauses der Marquis de Moÿ ist. Nachdem
nämlich die aus der Ehe des genannten Herzogs mit der Erbtochter Claude de Moÿ entsprossenen Prinzen, welche
den Namen Moÿ angenommen hatten und dieses Haus fortsetzen sollten, unbeerbt
gestorben waren, übernahmen die de Sons als nächste Agnaten den Moÿschen Namen
und Titel und nannten sich fortan Marquis, Vicomte, Comte, Baron (wie es nach
französischem Gebrauch die Ordnung der Geburt mit sich brachte) de Moÿ de Sons.
Daß sie dies mit Recht gethan, ist vom französischen Hofe, wo mein Großvater und seine älteren
Vettern im Jahre 1784 vorgestellt worden (nämlich in die Carosses du Roi
gestiegen) sind und von dem sie diese Namen und Titel fortan in allen amtlichen
Ausfertigungen erhielten, ausdrücklich und förmlich anerkannt worden. Mein Vater hat als Ausweis
darüber dem bayerischen Ministerium des königlichen Hauses im Jahre 1816 einen
beglaubigten Auszug aus dem Protokoll der Notablenversammlung seiner Provinz vom
Jahre 1789 sammt dem erwähnten Mémoire généalogique vorgelegt und ohne weitere
Ausführung oder nähere Bestimmung lediglich um die Anerkennung seines Adels
gebeten. Sey es nun Unkenntnis der französischen Gebräuche hinsichtlich der
Übertragung der Titulation, sey es, daß man einen Kaufmann nicht gerne mit einem
höheren Titel bekleidet sehen mochte; kurz, auf den Umstand hin, daß mein Vater
in dem Mémoire nur als der Chevalier de Moy aufgeführt worden, wurde er auch nur
in der Ritterklasse der bayerischen Adelsmatrikel eingetragen, obwohl dies
durchaus nicht dem Range seiner Geburt entsprach und obwohl er seit dem Tode
seines Vaters den Titel Baron zu führen berechtigt war. Mich berührte die Sache
damals insoferne noch nicht, als ich noch nicht bayerischer Unterthan war und
mein Vater, der anfangs protestiren gewollt, scheint auch aus dieser Rücksicht
seiner Protestation, deren Concept ich noch besitze, keine Folge gegeben zu
haben. Später, als ich (ca. 1823) durch Anstellung in den bayerischen
Unterthansverband trat, hielten mich mancherlei Rücksichten von der
Geltendmachung meines ererbten früheren Titels ab, bis mir durch das Aussterben
der Marquis de Moÿ de Sons, deren Titel auf den Sohn des älteren Bruders
meines Vaters
überging, der Titel Comte zufiel. Nun verlangte ich im Jahre 1844 die
Anerkennung dieses Titels, wurde aber unter eitlen Ausflüchten abgewiesen. Ich
stand aus Gründen, deren Ausführung hier zu weit führen würde, deren ich mich
aber wahrlich nicht zu schämen habe, beim König Ludwig persönlich nicht in Gunst. Unter dem jetzt
regierenden König Max
begehrte ich die Anerkennung wenigstens des Freiherrntitels, der mir vermöge der
Geburt schon zu der Zeit zukam, als ich in den bayerischen Staatsdienst trat,
und es kam auch dahin, daß das bayerische Ministerium auch die Gewährung meiner
Bitte antrug. Der Antrag, den ich selbst gelesen, wurde im vorigen Jahre, kurz
bevor ich nach Wien ging, an den damals in
Riva weilenden König Max zur Unterschrift
gesendet, blieb aber unerledigt im königlichen Cabinet
liegen. Man verlangte von mir nochmals unter der Hand, officiös, (wohlwissend,
daß ich dem Verlangen nicht entsprechen könnte) die Nachweisung eines solchen
Vermögens, wie es etwa derjenige nachzuweisen hätte, der ohne anderen Anspruch
um die Verleihung eines solchen Titels bitten würde. Auch
dieses Verfahren erklärt sich zur Genüge aus dem Einflüssen, die gegenwärtig den
bayerischen Hof beherrschen. Ich hatte aber, solche Schwierigkeiten nicht ahnend
und aus dem natürlichen Wunsche, beim Übertritt in den österreichischen
Unerthansverband sogleich den mir nach meiner Geburt zukommenden socialen Rang
einzunehmen, in Wien von dem angeborenen Titel, dessen
Anerkennung in Bayern ich von Tag zu Tag entgegensah,
Gebrauch gemacht und befand mich nun durch Benehmen des Königs von Bayern in der
peinlichen Lage, als ein anmaßender Charlatan zu erscheinen. Vergebens
verwendete sich noch der mir wohlwollende Prinz Luitpold bei seinem königlichen Bruder, um die
willfährige Erledigung des zu meinen Gunsten vorliegenden Ministerialantrages zu
erwirken. Mir blieb also nichts übrig, als am Ende Novembers vorigen Jahres
durch die hiesige Statthalterei dem Ministerium des Innern in Wien dieselben
Urkunden, auf die ich mich in München
gestützt, mit derselben Bitte um Anerkennung des mit der Geburt überkommenen
Freiherrntitel, vorzulegen, insoferne jedenfalls mit gegründeterer Hoffnung, als
die in Oesterreich bestehenden Verordnungen die Anerkennung
eines ererbten ausländischen Adels nicht als eine Sache der Willkühr und der
bloßen Gnade erscheinen lassen. Allein auch hier habe ich, trotzdem, daß das
hiesige Fiscalat sowohl als die Statthalterei günstige Gutachten gaben, noch
keinen willfährigen Bescheid erlangen können. Anfangs erhoben sich Bedenken über
die in dem Stamme de Sons nicht auf Verleihung, sondern auf Erbrecht beruhende
Erwerbung der Titel Marquis, Vicomte, Comte und Baron und nachdem ich diese, wie
ich glaube, als ungegründet nachgewiesen, ist seit dem 19. December keine
weitere Entschließung erfolgt. Ich bitte daher Eure Exzellenz inständigst, sich
meiner anzunehmen und durch Ihren Einfluß mir endlich die Anerkennung meiner
Geburtsrechte in Oesterreich zu erwirken.
Ich möchte wohl
noch manches andere, was ich in Betreff des Unterrichtswesens auf dem Herzen
habe, bei dieser Gelegenheit vortragen, allein mein Brief ist schon so lang, daß
ich damit beschwerlich zu fallen fürchte. Ich eile deshalb zum Schluße mit der
Bitte den Ausdruck der aufrichtigen und tiefen Verehrung zu genehmigen, womit
ich verharre
Eurer Exzellenz
unterthänigster
Moy
Innsbruck, den 5. April 1852