Franz Hartmann an Leo Thun
Linz, 1. April 1852
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Regest

Der Jurist Franz Hartmann übersendet Leo Thun ein Schreiben von Sebastian Mutzl. Mutzl ist Kandidat für eine Professur in Österreich. Hartmann bedauert, dass die Enthebung Mutzls aus dem bayerischen Staatsdienst sich noch länger hinausziehen wird. Allerdings glaubt Hartmann nicht, dass der bayerische Kultusminister Mutzl ein besseres Angebot als Thun machen werde. Hartmann ist gern bereit, Thun mit weiteren Informationen über Mutzl und dessen Arbeit zu versorgen.
In der Beilage erklärt sich Sebastian Mutzl bereit, eine Professur in Wien zu den besprochenen Bedingungen und Verpflichtungen zu übernehmen. Allerdings wünscht er noch einige Informationen zu Pensions- und Gehaltsfragen sowie zur Möglichkeit der Anstellung seines Sohnes als Lehrer in Österreich. Er betont auch, dass er im bayerischen Staatsdienst verbleiben werde, sollte die bayerische Regierung ihm ein besseres Angebot machen.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Eure Excellenz!
Hochgeborner Herr Graf!

Ich erhielt heute abends, nach Abgang der Post, das anliegende Schreiben des Studiendirectors nebst dessen Curriculum vitae und Verzeichnis seiner Werke; daher ich mich beeile, diese Schriften Eurer Excellenz ehrfurchtsvoll zu übersenden.
Recht innig bedaure ich, daß sich nach den in dem beiliegenden Briefe dargestellten Umständen die Enthebung Mutzls aus dem bayerschen [sic!] Staatsdienste so weit in das zweite Semester hinausziehen würde. Daß Bayern ihm ein so vortheilhaftes Anerbiethen machen würde, wie jenes Eurer Excellenz ist, glaube ich, wie die Dinge jetzt dort stehen, nicht, so sehr auch der bayersche Herr Cultusminister Ringelmann ihm wohl will.
Wenn Eure Excellenz von den Schriften Mutzls Einsicht zu nehmen wünschen oder was immer sonst durch mich besorgen zu lassen für gut fänden, bitte ich gehorsamst mir Ihre Befehle zukommen zu lassen, die mich so glücklich machen.
Mit dem wiederholten Ausdrucke der tiefsten Verehrung und Anhänglichkeit verharre ich

Eurer Excellenz
Hochgeborner Herr Graf

dankbarst gehorsamster Diener
Franz R. von Hartmann

Linz, am 1. April 1852

Eichstätt, am 28. März 1852

Theurer Freund!

Deinen höchst überraschenden Brief vom 22. dieses Monats erhielt ich gestern und will nach reiflicher Erwägung die Hauptfrage vor allem beantworten.
Der Antrag jener Lehrstelle in Wien sowie das Vertrauen des Titl. Herrn Cultusministers Grafen von Thun ist für mich im höchsten Grade ehrend, und die Bedingungen nebst den damit verbundenen Verpflichtungen gehe ich ein. Nur muß ich hinsichtlich der Bedingungen bemerken, daß ich voraussetze, die mir zugestandene Pensionsfähigkeit erstrecke sich auch nach dem in Österreich gesetzlichen Maßstabe auf meine Frau. Weiters muß ich mir noch die Bemerkung erlauben, daß mir die Pietät gegen ein Land, das mir meine Jugendbildung und nun seit beinahe 28 Jahren meinen Unterhalt gegeben hat, verbieten würde, es mit einem andern zu vertauschen, falls die königlich bayerische Staatsregierung bei dieser Veranlassung Umstände eintreten ließe, unter denen mein Scheiden als Undank erscheinen müßte, besonders da ich erst im verflossenen Jahre durch das Ritterkreuz des Verdienstordens vom Heiligen Michael öffentliche Auszeichnung erfuhr. Ein letzter Punkt endlich, der mir am Herzen liegt, ist folgender. Mein ältester Sohn Eduard , welcher immer unter den Ersten studirt und das Gymnasium mit der Absolutorialnote „ausgezeichnet“ absolvirt hatte, hat im Oktober vorigen Jahres nach zurückgelegten Lyceal- und Universitätsstudien den Staatsconcurs für das Gymnasiallehramt bestanden, und wir erwarten mit jeder Woche seine Concursnote, nach deren Vorlegung ihm eine Anstellung als Assistent dahier versprochen ist. Meine Auswanderung könnte der Zukunft desselben leicht ein großes Hemmnis bereiten. Sollte es nicht möglich seyn, daß er auf den Grund des in Bayern bestandenen Staatsconcurses in Österreich eine Anstellung im Lehramte fände? Ich würde hierin große Beruhigung finden und einen Akt besonderer Gnade und Huld erblicken.
Dieses, theurer Freund, sind meine Bedenklichkeiten. Ich bitte Dich nun, die Sache dem Titl. Herrn Cultusminister Grafen von Thun nebst dem Ausdrucke meiner unterthänigsten Ehrfurcht vorzutragen.
Daß ich am philologischen Seminar mitzuwirken hätte, freut mich besonders. Das Geschäft, an der so hochnothwendigen Heranbildung junger Lehrer zu arbeiten, ist eines der schönsten, die ich kenne.
Mein Dienstantritt könnte, da ich Vorstand der hiesigen Anstalt bin, und ich daher den Zeitpunkt abwarten müßte, wo ich meinem Nachfolger alles zu extradiren hätte, wohl kaum eher als Mitte oder Ende Junius erfolgen. Dabei muß ich noch bemerken, daß ich hoffe, es werde auch in Österreich, wie es nach bayerischen Gesetzen der Fall ist, die Besoldung eines Staatsdieners vom Tage seiner Anstellung an (a die decreti) fließen. Da ich nämlich vom Tage meines Abtretens vom Dienste hier nichts mehr bezöge, so könnte ich bedeutend zu Schaden kommen, wenn ich in Wien meinen Gehalt erst vom Tage meines Dienstantrittes an erhielte. Als Vater einer Familie muß ich in pekuniärer Hinsicht umso genauer seyn, als die Wohnung in Wien für unser 7–8 Personen die systemmäßige Quartiersumme von 150 fl CM auch bei großer Beschränkung ziemlich weit übersteigen wird, und daher auch der ausgesprochene Jahresgehalt von 2.400 fl dadurch eine Verminderung erleidet; hier habe ich freie Wohnung und 6 Klafter Holz vom Staate aus. Ich bitte Dich, über diesen Punkt mir beruhigende Gewißheit zu erwirken.
Das curriculum vitae und das Verzeichnis meiner Druckschriften liegt bei. Gerne würde ich von jeder ein Exemplar einsenden, aber leider sind die auf Velinpapier gedruckten alle längst vergriffen und die auf gewöhnlichem Druckpapiere sind zu unschön, um zu einer solchen Vorlage sich zu eignen.
Und nun, theurer Freund, überlassen wir getrost das Weitere dem, der die Schicksale im Großen wie im Kleinen lenkt. Sein Wille, und nur dieser, geschehe!
Mit dem herzlichsten Danke für Deine so liebevolle Theilnahme und mit den wärmsten Gefühlen alter Liebe bin ich

Dein

treuer Freund
S. Mutzl

Curriculum vitae

Sebastian Mutzl, Sohn eines Schullehrers, ist geboren zu Lofer im Salzburgischen, am 25. September 1797. Da sein Vater im Jahre 1801 nach Radstadt (an der Enns) im Pongau versetzt wurde, so erhielt der Sohn hier seine Jugendbildung und kam, von jenem bereits in der lateinischen Grammatik unterwiesen, im November des Jahres 1810 nach Salzburg, welches eben damals an Bayern gekommen war. Hier vollendete er im Jahr 1816 die Gymnasialstudien, verweilte noch ein Jahr an dem k.k. Lyceum und begab sich 1817 an das k. Lyceum zu München, weil sein Vater eben in dem Jahre 1816, in welchem Salzburg wieder an Österreich abgetreten ward, nach Teisendorf versetzt und durch jene Landesänderung bayerischer Unterthan geblieben war. Nach Vollendung des zweiten Lycealkurses begann Mutzl, von dem damaligen Lycealprofessor der Naturgeschichte, Akademiker Oppel , zum Studium dieser Wissenschaft aufgemuntert, unter der Leitung dieses wahrhaft väterlich gesinnten Freundes das Studium der Naturwissenschaften an der Universität zu Landshut und hörte drei Jahre hindurch die ihm zu diesem Zwecke als nothwendig bezeichneten Vorlesungen, als ihn plötzlich die Kunde von Oppels Tode überraschte. Seines einzigen Leiters auf der bisherigen Bahn beraubt, verließ er im März 1822 die Universität und ging nach München, um sich dem Lehrfache zu widmen. In München erhielt er eine Hofmeisterstelle bei dem damaligen großherzoglich badenschen Gesandten, Baron von Fahnenberg , bestand im Sommer 1823 den Staatsconcurs für das „höhere (auch Gymnasial- und Lyceal) Lehramt“ und wurde unterm 20. Oktober 1824 als Lehrer der I. Vorbereitungsklasse zu Landshut angestellt. Nachdem er im Jahre 1828 in die II. Klasse, 1830 in die IV. vorgerückt war und von 1830 bis 1834 als Subrector die gesammte Lateinschule geleitet hatte, ward er 1834 in das Gymnasium befördert, wo er bis 1835 die I., von 1835 bis 1845 die II. Gymnasialklasse inne hatte. Am 18. März 1845 wurde er als Professor der III. und IV. Gymnasialklasse und als Rector des Gymnasiums und der Lateinschule nach Eichstätt versetzt; ein ungemein anstrengender Posten, der ihm aber nach einem halben Jahre dadurch erleichtert wurde, daß die III. Gymnasialklasse einen eigenen Professor erhielt. Seitdem ist er Vorstand der Anstalt und Professor der IV. Gymnasialklasse. Außer den Lehrgegenständen seiner Klasse hat er vom Jahre 1826 an in Landshut und später hier in Eichstätt den öffentlichen Unterricht in der französischen und italienischen Sprache ertheilt.
Zu Anfang des Jahres 1851 erhielt er von Seiner Majestät dem Könige das Ritterkreuz des Verdienstordens vom Heiligen Michael. Im November desselben Jahres erwählte ihn die k. Akademie der Wissenschaften zum korrespondirenden Mitgliede der historischen Klasse. Die k.k. Akademien Ateneo zu Treviso und degli Agiati zu Rovereto hatten ihn schon im Jahre 1842 mit der Zusendung ihrer Diplome beehrt.
Im Jahre 1827 hat er sich mit Rosina Zehentner , Müllerstochter von Teisendorf, vermählt. Die fünf noch lebenden Kinder (das erste starb, 8 Tage alt) sind:
Eduard , geprüfter Lehramtscandidat, 22 Jahre 4 Monate alt;
Sebastian , Lycealcandidat im II. Cursus, 20 Jahre 11 Monate alt;
Heinrich , Gymnasiast der Oberklasse; 18 Jahre 2 Monate alt;
Rosina , 16 Jahre 11 Monate alt;
Anna , 15 Jahre alt.

In Druck gegebene Schriften:

1. De nominum latinorum radicibus; commentatio grammatica. (Monachii. 1828. 8.)
2. Table des verbes irréguliers. (Landshut. 1828. fol.)
3. Blumenlese aus spanischen Dichtern . (Landshut. 1830. 8.)
4. Lateinische Schulgrammatik . (Landshut. 1832. 8.); derselben 2. Auflage: 1834; derselben 3. Auflage: 1838.
5. Lateinisches Elementarbuch . (Landshut. 1833.)
6. Über die accentuirende Rhythmik der neuern Sprachen. (Landshut. 1835. 4.)
7. Urgeschichte der Erde und des Menschengeschlechtes nach der mosaischen Urkunde und den Ergebnissen der Wissenschaften. (Landshut. 1842. 8.)
8. Über die Verwandtschaft der germanisch-nordischen und hellenischen Götterwelt . (Ingolstadt. 1845. 4.)
9. Über die römischen Wartthürme; akademische Abhandlung. (München. 1851. 4.)
(10. Unter der Presse: Kleine lateinische Schulgrammatik)
Außer diesen verschiedene Aufsätze antiquarischen, pädagogischen, literaturgeschichtlichen Inhaltes, Recensionen, Gedichte etc. in Zeitschriften und in Abhandlungen gelehrter Gesellschaften.