Professor Ernst Moy de Sons informiert Leo Thun über die Situation an der Innsbrucker Universität. Zunächst bedankt er sich aber bei Leo Thun für dessen Spende zum Bau eines Grabmonuments für einen nicht näher benannten Mann. Anschließend geht er auf die schlechte Ausstattung der Innsbrucker Universitätsbibliothek ein: diese habe zwar einen kostbaren Zuwachs aus Karl Ernst Jarckes Nachlass erhalten, doch die Bibliothek bedürfe einer nachhaltigen staatlichen Unterstützung, um ihren Nutzen voll entfalten zu können. Moy glaubt, dass eine gut ausgestattete Bibliothek auch das Fehlen von Professoren teilweise kompensieren könne. Moy zeigt sich erfreut über die von Thun in Aussicht gestellte Berufung von Ignaz Vinzenz Zingerle, dem Moy nichts sehnlicher wünsche, als aus der Nähe von Adolf Pichler wegzukommen. Schließlich geht Moy auf sein eigenes Schaffen ein: Er arbeitet derzeit an einem Buch, das die Möglichkeiten einer Rechtsphilosophie auf katholischer Grundlage ausloten will. Er hofft, dass er mit Ende des Jahres den ersten Band fertig haben wird und das Werk in der Staatsdruckerei erscheinen wird können. An der Innsbrucker Universität hat er bisher Rechtsphilosophie noch nicht vorgetragen, da er nicht in Konkurrenz zu Johannes Schuler treten wollte. Abschließend äußert er sich zu seinem Kollegen Georg Schenach, den er als einen Mann von tiefer katholischer Überzeugung bezeichnet, der sich gründlich in die moderne Philosophie eingearbeitet habe.
Euer Exzellenz,
haben mir durch Ihre gütigen Zeilen vom 18. dies[es Monats] eine große Freude
bereitet und mich zu lebhaftem Danke verpflichtet. Mittels der von Euer
Exzellenz beigesteuerten 120 fl CM hebt sich nun der Ertrag unserer Sammlung auf
830 fl CM und noch ist mit Ausnahme Ihres Beitrages nichts von
Wien, wie auch nichts von
Modena, von Turin und
Paris, wohin auch Einladungen gegangen sind, dabei.
Ich habe vorläufig um 300 fl CM eine Arcade für die Leiche unseres seligen
Freundes auf dem hiesigen Gottesacker gekauft; den Entwurf des Monuments werden
wir erst fertigen lassen, wenn wir genau die Mittel kennen über die wir zu dem
Zwecke verfügen können.
Sehr dankbar bin ich Euer Exzellenz für das, was Sie
in Betreff der hiesigen
Universität mir zu sagen die Güte hatten. Manche meiner
Wahrnehmungen haben mich in der Überzeugung bestärkt, daß sie vortrefflich
gelungen und geeigenschaftet wäre, um auf die öffentliche Meinung sowohl in
Deutschland als in Oesterreich einen
großen und heilsamen Einfluß zu üben. Der Zuwachs, den die hiesige Bibliothek
durch die Schenkung aus Jarckes
Nachlaß gewommen, ist überaus kostbar, für mich insbesondere von unschätzbarem
Werthe; aber, wie Euer Exzellenz sehr weise bemerken, das Bedürfnis einer
nachhaltigen Staatsunterstützung ist dadurch nicht beseitigt. Ich halte dafür,
daß zur Hebung einer Universität dies die conditio sine qua non und das
allererste Erfordernis ist; denn damit allein läßt sich der wissenschaftliche
Geist an derselben wecken und pflegen, damit bilden sich Lehrkräfte, und eine
tüchtige Bibliothek zieht Leute von wissenschaftlichem Streben an, wenn auch am
Orte nicht hinreichend imponirende Lehrkräfte vorhanden sind, um sie zu fesseln.
Es ist ein wohlfeileres und sichereres Mittel eine Universität allmälig zu heben
als die Berufung großer auswärtiger Celebritäten. Euer Exzellenz Andeutung in
Bezug auf Vinzenz Zingerle hat
mich sehr erfreut, zumal ich dem wackeren, aber allzugemüthlichen und
phantasiereichen jungen Mann nichts Besseres wünschen kann, als daß er aus der
Nähe des Herrn Adolph Pichler
wegkomme.
Was Euer Exzellenz in Bezug auf die Rechtsphilosophie bemerken,
habe ich längst gefühlt und deshalb angefangen, ein Buch darüber auf
katholischer Grundlage auszuarbeiten. Der allgemeine Theil und ein großer Theil
des Privatrechts sind bereits fertig und ich hoffe, es soll in Bezug auf
Einfachheit der Anlage und Klarheit der Darstellung seinem Zwecke entsprechen.
Ende dieses [Monats] gehe ich nach München, um die dortigen Bibliotheken dafür zu benützen und bis
Ende des Jahres längstens hoffe ich mit dem ersten Bande fertig zu werden.
Dieser soll, nebst dem allgemeinem Theile und dem Privatrechte, das Kirchenrecht
enthalten. Im zweiten Bande wird das Staats- und Völkerrecht und die Geschichte
der Rechtsphilosophie dargestellt werden.1
Wenn das Werk im Verlage der
k.k. Staatsdruckerei erscheinen könnte, wäre es mir sehr erwünscht. Ich wage
aber nicht, in der Hinsicht einen Antrag zu stellen. Vielleicht ist mir’s
vergönnt, bei Gelegenheit der Versammlung der katholischen Vereine in
Wien Euer Exzellenz meine Aufwartung zu machen und
dann Näheres über meine Arbeit mitzutheilen.
Von den Vorträgen des Prof. Schenach über Rechtsphilosophie kann
ich speciell nichts Näheres sagen; aber Schenach ist ein Mann von tiefer katholischer Überzeugung; hat
sich in die moderne Philosophie gründlich einstudirt und besitzt, wie ihm
allgemein nachgerühmt wird, die Gabe einer außerordentlichen Klarheit. Indessen,
um in der Rechtsphilosophie dem heutigen Bedürfnisse zu genügen, muß man meiner
Ansicht nach Jurist seyn. Ich habe mich nicht entschließen können, hier
Rechtsphilosophie zu dociren, weil ich um keinen Preis mit Prof. Schuler in Collision kommen
möchte.
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck der tiefsten Verehrung, womit
ich verharre
Hochderen
unterthänigster Diener
Fhr. v. Moy de Sons
Innsbruck, den 21. Juli 1853