Ernst Moy de Sons an Leo Thun
Innsbruck, 21. Juli 1853
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Regest

Professor Ernst Moy de Sons informiert Leo Thun über die Situation an der Innsbrucker Universität. Zunächst bedankt er sich aber bei Leo Thun für dessen Spende zum Bau eines Grabmonuments für einen nicht näher benannten Mann. Anschließend geht er auf die schlechte Ausstattung der Innsbrucker Universitätsbibliothek ein: diese habe zwar einen kostbaren Zuwachs aus Karl Ernst Jarckes Nachlass erhalten, doch die Bibliothek bedürfe einer nachhaltigen staatlichen Unterstützung, um ihren Nutzen voll entfalten zu können. Moy glaubt, dass eine gut ausgestattete Bibliothek auch das Fehlen von Professoren teilweise kompensieren könne. Moy zeigt sich erfreut über die von Thun in Aussicht gestellte Berufung von Ignaz Vinzenz Zingerle, dem Moy nichts sehnlicher wünsche, als aus der Nähe von Adolf Pichler wegzukommen. Schließlich geht Moy auf sein eigenes Schaffen ein: Er arbeitet derzeit an einem Buch, das die Möglichkeiten einer Rechtsphilosophie auf katholischer Grundlage ausloten will. Er hofft, dass er mit Ende des Jahres den ersten Band fertig haben wird und das Werk in der Staatsdruckerei erscheinen wird können. An der Innsbrucker Universität hat er bisher Rechtsphilosophie noch nicht vorgetragen, da er nicht in Konkurrenz zu Johannes Schuler treten wollte. Abschließend äußert er sich zu seinem Kollegen Georg Schenach, den er als einen Mann von tiefer katholischer Überzeugung bezeichnet, der sich gründlich in die moderne Philosophie eingearbeitet habe.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Euer Exzellenz,

haben mir durch Ihre gütigen Zeilen vom 18. dies[es Monats] eine große Freude bereitet und mich zu lebhaftem Danke verpflichtet. Mittels der von Euer Exzellenz beigesteuerten 120 fl CM hebt sich nun der Ertrag unserer Sammlung auf 830 fl CM und noch ist mit Ausnahme Ihres Beitrages nichts von Wien, wie auch nichts von Modena, von Turin und Paris, wohin auch Einladungen gegangen sind, dabei. Ich habe vorläufig um 300 fl CM eine Arcade für die Leiche unseres seligen Freundes auf dem hiesigen Gottesacker gekauft; den Entwurf des Monuments werden wir erst fertigen lassen, wenn wir genau die Mittel kennen über die wir zu dem Zwecke verfügen können.
Sehr dankbar bin ich Euer Exzellenz für das, was Sie in Betreff der hiesigen Universität mir zu sagen die Güte hatten. Manche meiner Wahrnehmungen haben mich in der Überzeugung bestärkt, daß sie vortrefflich gelungen und geeigenschaftet wäre, um auf die öffentliche Meinung sowohl in Deutschland als in Oesterreich einen großen und heilsamen Einfluß zu üben. Der Zuwachs, den die hiesige Bibliothek durch die Schenkung aus Jarckes Nachlaß gewommen, ist überaus kostbar, für mich insbesondere von unschätzbarem Werthe; aber, wie Euer Exzellenz sehr weise bemerken, das Bedürfnis einer nachhaltigen Staatsunterstützung ist dadurch nicht beseitigt. Ich halte dafür, daß zur Hebung einer Universität dies die conditio sine qua non und das allererste Erfordernis ist; denn damit allein läßt sich der wissenschaftliche Geist an derselben wecken und pflegen, damit bilden sich Lehrkräfte, und eine tüchtige Bibliothek zieht Leute von wissenschaftlichem Streben an, wenn auch am Orte nicht hinreichend imponirende Lehrkräfte vorhanden sind, um sie zu fesseln. Es ist ein wohlfeileres und sichereres Mittel eine Universität allmälig zu heben als die Berufung großer auswärtiger Celebritäten. Euer Exzellenz Andeutung in Bezug auf Vinzenz Zingerle hat mich sehr erfreut, zumal ich dem wackeren, aber allzugemüthlichen und phantasiereichen jungen Mann nichts Besseres wünschen kann, als daß er aus der Nähe des Herrn Adolph Pichler wegkomme.
Was Euer Exzellenz in Bezug auf die Rechtsphilosophie bemerken, habe ich längst gefühlt und deshalb angefangen, ein Buch darüber auf katholischer Grundlage auszuarbeiten. Der allgemeine Theil und ein großer Theil des Privatrechts sind bereits fertig und ich hoffe, es soll in Bezug auf Einfachheit der Anlage und Klarheit der Darstellung seinem Zwecke entsprechen. Ende dieses [Monats] gehe ich nach München, um die dortigen Bibliotheken dafür zu benützen und bis Ende des Jahres längstens hoffe ich mit dem ersten Bande fertig zu werden. Dieser soll, nebst dem allgemeinem Theile und dem Privatrechte, das Kirchenrecht enthalten. Im zweiten Bande wird das Staats- und Völkerrecht und die Geschichte der Rechtsphilosophie dargestellt werden.1
Wenn das Werk im Verlage der k.k. Staatsdruckerei erscheinen könnte, wäre es mir sehr erwünscht. Ich wage aber nicht, in der Hinsicht einen Antrag zu stellen. Vielleicht ist mir’s vergönnt, bei Gelegenheit der Versammlung der katholischen Vereine in Wien Euer Exzellenz meine Aufwartung zu machen und dann Näheres über meine Arbeit mitzutheilen.
Von den Vorträgen des Prof. Schenach über Rechtsphilosophie kann ich speciell nichts Näheres sagen; aber Schenach ist ein Mann von tiefer katholischer Überzeugung; hat sich in die moderne Philosophie gründlich einstudirt und besitzt, wie ihm allgemein nachgerühmt wird, die Gabe einer außerordentlichen Klarheit. Indessen, um in der Rechtsphilosophie dem heutigen Bedürfnisse zu genügen, muß man meiner Ansicht nach Jurist seyn. Ich habe mich nicht entschließen können, hier Rechtsphilosophie zu dociren, weil ich um keinen Preis mit Prof. Schuler in Collision kommen möchte.
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck der tiefsten Verehrung, womit ich verharre

Hochderen

unterthänigster Diener
Fhr. v. Moy de Sons

Innsbruck, den 21. Juli 1853