Friedrich Thun teilt seinem Bruder Leo mit, welche Professoren aus
München bereit wären, an eine österreichische Universität zu
wechseln. Er nennt auch die Bedingungen, welche die Einzelnen für
einen Übertritt in den österreichischen Dienst genannt haben. George
Phillips wäre bereit, einen Lehrstuhl in Innsbruck anzunehmen, er
stellt hierzu jedoch eine Reihe von Bedingungen: darunter ein
umfangreiches Gehalt sowie die Versicherung einer definitiven
Anstellung, um nicht eine plötzliche Entlassung riskieren zu müssen.
Schwieriger sei es mit Ignaz Döllinger. Dieser hoffe, wieder an die
Münchner Universität berufen zu werden. Daher müsse man ihm
besondere Bedingungen bieten und vom Gedanken Abstand nehmen, ihn
nach Prag zu berufen. Friedrich Thun will sich neuerlich mit Karl
Ernst Jarcke besprechen, wie man Döllinger am besten zu einem
Übertritt nach Österreich bewegen könne. Mit Karl Prantl hatte
Friedrich Thun über einen Mittelsmann verhandelt. Prantl wäre bei
entsprechendem Angebot bereit, an eine österreichische Universität
zu wechseln, ausgenommen an jene von Krakau oder Lemberg. Friedrich
Thun erbittet von seinem Bruder daher Anweisungen für weitere
Verhandlungen. Schließlich teilt Friedrich Thun seinem Bruder noch
mit, dass er die gewünschten Daten zur Organisation des
Volksschulwesens noch nicht erhalten habe, sie aber so bald als
möglich nachreichen werde. Zuletzt betont er, dass man in München
mit der in Aussicht gestellten neuen provisorischen Zentralgewalt
zufrieden sei.
Als Beilage findet sich eine kurze Notiz von Leo
Thuns Schwester Josefine mit einer Abschrift aus einem Schreiben von
Johann Emanuel Veith aus Räckelwitz. Dieser hatte ihr geschrieben,
dass Josef Dittrich zunehmend den Rückhalt im Klerus verliere. Er
bitte, diese Information an Leo Thun weiterzugeben.
München, am 5. Oktober 1849
Lieber Leo,
erst heute bin im Stande auf deinen Brief vom 18. September zu antworten.
Jarke [Jarcke] kam am Tag nach
Empfang des Packets durch Ruben hier an, ich übergab ihm also zuerst dasselbe,
da es von meiner Seite doch nur Neugierde gewesen wäre es durchzulesen, ich auch
nicht sobald dazu gekommen wäre. Schreiben wollte ich dir aber erst bis ich auf
deine Anfragen einige Auskunft geben konnte, nun war aber Phillipps [Phillips] auf einer Reise in
Tirol, von wo er erst am 8. dieses zurück erwartet wurde,
doch unternahm es Jarke, der wußte,
wo ihn aufzufinden, ihm sogleich zu schreiben und darauf kam er gleich zurück
und war heute früh bei mir; und nun nach der Ordnung:
1.
Phillipps ist bereit einen Posten in Insbruck [Innsbruck] anzunehmen,
weniger als 2.000 fl CM Gehalt wäre ihm nicht möglich festzustellen, da er für
zu seinen litherarischen Arbeiten nothwendigen Büchern viel Geld braucht,
besonders, wenn er an einem Orte ist, wo ihm nicht eine so reichhaltige
Universitätsbibliothek wie hier zu Gebothe stünde; ferner habe er sich durch
seine Praxis überzeugt, daß um einen Einfluß auf die Schüler zu haben und
namentlich ihr Interesse an dem Studium zu beleben, das Katheder das Geringste
sei, sondern man muß ihnen das eigene Wort angenehm machen, sie des Abends bei
sich sehen, etc., was auch wieder Auslagen mache, doch mit 2.000 fl CM wolle er
sich begnügen; das Fach für welches er ernannt zu werden wünscht ist Kirchenrecht, von der Freiheit andere Collegien zu
lesen würde er auf jeden Falle Gebrauch machen, da er sich mit Vorliebe seit
langem auch mit dem Staatsrechte und den Verfassungen
Englands, Deutschlands etc. abgebe;
die Kollegiengelder, die in Aussicht gestellt werden, seien freilich sehr
geringer (ungefähr die Hälfte von den hiesigen) indessen geht er darauf ein;
rücksichtlich des Pauschales für Übersiedlungskosten konnte er mir im Augenblick
nicht bestimmen, wird es sich aber überlegen und mir sobald möglich Antwort
geben, sagte aber die Summe dürfte vielleicht etwas hoch scheinen, woran aber
eben seine sehr bedeutende Bibliothek Schuld sei. Rücksichtlich des gleich eintreten Können macht er die größten
Schwierigkeiten, da er verheirathet ist und hier ein eigenes Haus hat, was alles
Voranstalten braucht, am liebsten wäre es ihm freilich, wenn er erst zum
nächsten Semester eintreten könnte, indessen ist er auch darüber traitable,
sagte aber er müßte auch darüber erst mit seiner Frau Rücksprache nehmen und
würde mir Antwort sagen, eine Hauptschwierigkeit meint er würde sein, daß er
jetzt kaum mehr eine Wohnung in Insbruck
fände und folglich den Winter im Wirthshaus zubringen müßte, doch glaubt wird
sich das Alles machen, da er offenbar gern in oesterreichische Staatsdienste
tritt, und ich glaube es würde nur fördernd sein, wenn du mich wissen ließest,
bis wann du spätestens wünschst, daß er gewiß eintrete, zum Anfang des
Schuljahres, wenn dasselbe wirklich mit 15. dieses angeht, wäre es wohl
unmöglich. Hinzu fügte er aber noch folgendes: sich Freiheit in seinen Vorträgen
und für seine schriftstellerischen Arbeiten (er ist eben mit einem sehr
ausführlichen Kirchenrecht beschäftigt, von dem 4 Theile schon heraus gekommen
sind und noch 7 erscheinen sollen) also in Rede und Schrift auszubedingen,
glaube er, sei im gegenwärtigen Augenblick überflüssig. Aber über eines müsse er
Gewißheit haben, daß er nähmlich nicht risquire plötzlich wider seinen Willen
versetzt oder suspendirt zu
werden, beides sei ihm nun schon zweimal, hier und in
Preußen geschehen, und demselben könne er sich bei seinem
Alter von 45 Jahren nicht mehr einem 3. Mahl aussetzen. Er habe zwar Alles
Vertrauen in das gegenwärtige Oesterreichische Ministerium, indessen seien die
Fälle doch schon vorgekommen und namentlich habe das Beispiel Hurters, der voriges Jahr, nachdem
er nach Oesterreich berufen worden sei, fortgeschickt worden
ist, ohne irgend etwas zu bekommen, hier sehr ängstlich gemacht umsomehr als man
sagt, das habe geschehen können, weil er noch nicht 3 Jahre angestellt gewesen
sei, folglich noch keine Ansprüche gehabt habe. Darüber wünscht er nun nähere
Auskünfte zu haben. Übrigens frug er mich auch noch, ob man an eine gründliche
Erneuerung der Insbrucker
Universität denke oder er das einzige isolirte neue Element sei,
im solchen Fall er sich mit den bisherigen Herrn Collegen wenig Erfolg
verspricht.
2. Döllinger
scheint mir vor der Hand nicht zu vermögen in unseren
Dienst überzutreten, er sagte mir er habe gegründete Aussicht, daß er bald auch
hier wieder eine Lehrthätigkeit erhalte, die ihm freilich am meisten zusage,
übrigens entschließe man sich in seinem Alter nur sehr schwer, in ganz
veränderte Verhältnisse überzutreten, am meisten erschrack er offenbar vor der
Zumuthung nach Prag zu gehen, wo er
das Terrain ganz ungünstig glaubt, in welchem Falle er dann ganz isolirt
dastehen und sonach seine Wirksamkeit gänzlich gelähmt sein würde. D[öllinger] ist übrigens ein Mann der sich
sehr wenig ausspricht, und ich bin ihm ganz fremd, ich glaube beinahe man würde,
wenn man ihm günstige Bedingungen stellte und nicht
auf Prag beharrt, doch noch etwas erreichen können, ich
werde Jarke noch bemühen, um ihn
sondiren und bearbeiten zu lassen, natürlich, als wenn es von ihm käme,
vielleicht höre ich dann wenigstens etwas bestimmtes, denn meine Unterredung mit
ihm machte mir den Eindruck, als ob er mich ankommen lassen wollte.
3. Mit
Prantl habe ich unter der Hand
sprechen lassen, er wäre nicht abgeneigt in österreichische Dienste zu treten,
wenn er sich dadurch verbessert, doch schließt er
Krakau und Lemberg aus, am liebsten schien ihm
Graz zu sein, übrigens wäre er
nicht sehr verwöhnt, er hat hier 700 fl Gehalt und rechnet sich eine
wöchentliche Vorlesestunde auf 2 fl Collegiengelder, hat aber, da er selbst und
seine Frau ihre Eltern hier haben manche Erleichterungen für’s tägliche Leben,
die er vielleicht in Anschlag bringen dürfte; außerdem glaube ich wäre es gut,
wenn man ihm gleich einen bestimmten Antrag stellte, vielleicht der Art, daß du
ihm ein Minimum anträgst und mir ein Maximum angibst, bis auf welches ich gehen
könnte.
Rücksichtlich der Einrichtung der Volksschulen habe ich die
bestimmten Daten noch nicht empfangen, doch hoffe ich sie bald zu bekommen und
schicke sie dir dann gleich. Über die endliche Aussicht des Zustandekommens
einer neuen provisorischen Centralgewalt ist man hier sehr froh, von der Pfordten ist mit der
Punktation ganz zufrieden. Beiliegend ein Zettel von Juža [Josefine], Abschrift aus
einem Briefe von Veith
1, mit Warnung
gegen Bischof Dietrich [Dittrich], in
diesem Sinne habe auch ich schon hier über ihn urtheilen hören, dann noch ein
Einschluß von Franz
2. Caroline solle mir verzeihen, daß
ich ihr noch nicht auf ihren freundlichen Brief vom 17. September geantwortet.
Ich habe ihn schon angefangen, komme aber heute nicht zu Ende und nun ist
Poststunde. Also Gottbefohlen
dein
treuer Bruder
Fritz
Aus einem Brief von Veith aus
Räckelwitz:
Leider erfahre
ich nicht unmittelbar hier, aber in hiesiger Gegend, daß die Meynung über
den Bischof D[ittrich] unter den
höheren, gebildeten und geistlichen Katholiken sehr gesunken ist, und seine
Ansichten, sein Treiben und seine Empfehlungen sehr verdächtigt sind. Ich
bitte das dem redlichen, edlen Leo zu sagen aus Gründen, die ich Ihnen mündlich nennen
werde.