Hermann Leonhardi an Leo Thun
Prag, 07. März 1855
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Regest

Der Philosophieprofessor Hermann Leonhardi sendet Leo Thun ein Schreiben und das neueste Werk von Karl Röder aus Heidelberg. Er bittet Thun auch um Nachsicht, dass er Karl Röder bestärkt hatte, sich mit seinem Schreiben persönlich an Thun zu wenden. Durch die Witterungsverhältnisse und eine längere Krankheit sei es allerdings zu einer erheblichen Verzögerung bei der Versendung des Pakets gekommen, was er zu entschuldigen bittet. Leonhardi schildert dann die Arbeit Röders und lobt dessen Buch. Röder plädiere darin für eine organische Verbindung von Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie als dem höchsten Ziel der Rechtswissenschaft. Leonhardi fand es daher auch passend Thun das Buch zu überreichen, weil er glaube, dass Thun eben jenes Ziel verfolge. Schließlich empfiehlt Leonhardi den Naturforscher Karl Friedrich Schimper für eine Professur in Österreich. Prof. Unger aus Wien kenne denselben ebenfalls und könne Thun als Auskunftsperson dienen, falls Thun Interesse an einer Berufung Schimpers habe. Zuletzt spricht Leonhardi seine Hoffnung aus, in den kommenden Osterferien Thun persönlich kennen zu lernen.

Anmerkungen zum Dokument

Die im Brief erwähnte Beilage: Karl David Röder an Thun. Heidelberg, 7. Februar 1855, wurde bei der Ordnung des Nachlasses als eigenständiger Brief gedeutet und daher unter einer eigenen Signatur (A3 XXI D327) abgelegt.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DB50-4

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner Graf!

Hochdieselben werden, darum bitte ich, es mir nicht verübeln, daß ich Herrn Professor Röder in Heidelberg in dem Gedanken bestärkt habe, eine kürzlich vollendete Druckschrift: Grundgedanken und Bedeutung des römischen und germanischen Rechts, dem Manne vorzulegen, der durch umsichtige Neugestaltung des Studiums, namentlich auch des Rechtsstudiums nicht nur für Österreich, sondern mittelbar auch für Deutschland selbst eine bessere Zeit heraufzuführen unermüdlich thätig ist. Diese Schrift, ein kritischer Bericht über den gegenwärtigen Stand der civilistischen Tagesstreitfrage, zugleich ein nicht bloß für den Juristen interessanter Beitrag zur Philosophie der Geschichte, scheint mir geeignet, durch ihre ebenso gründliche als geistvolle, ja elegante Behandlung ihres Gegenstandes die Geister für jene organisch-harmonische Verbindung des historischen und philosophischen Rechtsstudiums zu gewinnen, welche Euer Excellenz den österreichischen Universitäten zu einem, bisher auch außerhalb Österreich noch nicht erreichten, würdigen Ziele gesetzt haben; zugleich auch ganz besonders geeignet, einem leidigen, zumal bei Studenten bemerklichen Mißverständnis eines neuerlichen hohen Erlasses erfolgreich entgegenzuwirken.
Ich hoffe, daß diese Schrift, wenn Euer Excellenz ihrer Lesung einige Mußestunden widmen können, Hochdenselben eine wahre geistige Erquickung gewähren werde. Dann dürften Euer Hochgeboren es auch begreiflich finden, daß eine Anzahl meiner bessern Schüler, die jetzt meist in historische Rechtsstudien vertieft sind, längst schon die Heidelberger Universität um einen solchen Rechtslehrer beneiden.
Es konnte nicht meine Absicht sein, auch die Übergabe der Röder'schen Schrift zu vermitteln. Nachdem aber mein Freund mir das für Euer Excellenz bestimmte Exemplar zugleich mit einem begleitenden Schreiben übersandt hat, mit der Bitte es zu übergeben, falls ich das Letztere nicht ganz ungeeignet fände, so würde ich, auch wenn ich seine Auffassung nicht theilte, mich nicht für befugt halten, Euer Hochgeboren ein von einem Manne strenger Wissenschaft ohne Rücksicht auf die eigne Person, rein um der guten Sache willen, ausgesprochenes freimüthiges Wort vorzuenthalten, das Euer Excellenz als solches gewiß stets willkommen heißen werden.
Ich habe, indem ich das Genannte gleichzeitig mit diesem der Fahrpost übergebe, noch zu bemerken, daß die Sendung von Heidelberg wohl in Folge des durch Witterungsverhältnisse gestörten Frachtpostlaufs und eines noch dazukommenden Postversehens drei Wochen verspätet worden ist. Ich selbst aber war in der letzten Woche durch einen hartnäckigen Grippeanfall an der Beförderung verhindert.
Noch wage ich es bei dieser Gelegenheit, Euer Hochgeboren in einer andern Hinsicht um geneigtes Gehör zu bitten. Ich fühle mich nämlich verpflichtet, wiederholt Euer Excellenz Aufmerksamkeit auf einen in seiner Art einzigen Mann zu lenken, den für Oesterreich zu gewinnen ein Großes – weil der Ausgangspunkt einer ganzen Reihe wichtiger Leistungen – und jetzt wohl noch, aber vielleicht schon bald nicht mehr mit verhältnismäßig geringeren Mitteln zu bewerkstelligen wäre. Ich meine den genialen Naturforscher Karl Schimper von Mannheim, über welchen ich hiemit so frei bin, Euer Excellenz ein ganz kurzes Promemoria1 zu unterbreiten, indem Hochdieselben von Professor Unger, der diesen seltnen Mann persönlich kennen gelernt hat, über seine Persönlichkeit und wissenschaftliche Bedeutung leicht Mehres erfahren können.
Was endlich mich selbst betrifft, so hoffe ich, in den Osterferien nicht wieder wie in den Herbstferien und wie zu Weihnachten durch Unwohlsein verhindert zu werden, Euer Excellenz mich persönlich vorzustellen, um über die jetzt sehr erleichterte Ausführung meines früher dargelegten, durch alle Zeitumstände zur Einführung ins Leben empfohlenen Planes einer philosophischen Pflanzschule Bericht zu erstatten.
Genehmigen Euer Excellenz die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu zeichnen als
Euer Hochgeboren gehorsamst ergebenster Diener

Hermann Frh. Leonhardi
k.k. Professor

Prag, 7. März 1855