Der Jurist Friedrich Hahn bewirbt sich um einen Lehrstuhl an einer österreichischen Universität. Sein Vater war Militärarzt in der österreichischen Armee und sein Bruder ist derzeit kaiserlicher Konsul in Syra. Hahn möchte nun der Tradition seiner Familie folgen und in den österreichischen Staatsdienst eintreten. Vollends bestärkt wurde dieser Wunsch, als er erfahren habe, dass an allen Universitäten das Studium der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte eingeführt werden soll. Anschließend folgt sein Lebenslauf. Darin hebt er besonders seine katholische Konfession sowie seine Studienlaufbahn hervor. Im Jahr 1847 hatte er sich in Jena habilitiert und hielt dort seine ersten Kollegien über deutsche Rechtsgeschichte, zwei Jahre später folgte die Ernennung zum Extraordinarius. Größere Arbeiten konnte er durch seine hohe Belastung in der Lehre bisher nicht veröffentlichen. Außerdem glaubte er, dass es zunächst nötig sei, die Stellung des Römischen Rechts zum gemeinen Deutschen Recht klarer zu untersuchen. Dieser Untersuchung hatte er sich in den letzten Jahren gewidmet und das Ergebnis seiner Forschungen wird in naher Zukunft veröffentlicht werden. Er erbittet sich die Erlaubnis, das Buch Thun beizeiten vorlegen zu dürfen. Zuletzt fügt er dem Ansuchen die Bitte an, dass er vorzugsweise nach Prag berufen werden möchte, da dort eine gute Bibliothek und ausreichend intellektuelle Anregungen vorhanden seien.
Excellenz!
Als bei der neuen Organisirung des Studienwesens Euer Excellenz auch dem
Kaiserstaat nicht angehörende deutsche akademische Lehrer an österreichische
Universitäten beriefen, regte sich in mir der Wunsch, der Zahl dieser Lehrer
beigestellt zu werden. Familientraditionen hatten mich schon früh auf Österreich hingewiesen: mein Vater, der seine Laufbahn als k.
Militairarzt begonnen hatte, stellte mir oft den österreichischen Staatsdienst
als zu erstrebendes Ziel vor Augen. Die Verleihung eines kaiserlichen Konsulats
an meinen Bruder, den jetzigen
kaiserlichen Konsul in Syra frischten diese
Jugendeindrücke wieder auf. Feste Gestalt nahmen meine Wünsche aber erst an, als
ich von der Absicht Euerer Excellenz vernahm, die germanistischen Studien an den
österreichischen Universitäten einzubürgern, und es mir dadurch möglich gemacht
war, auf eine meinen bisherigen Specialstudien entsprechende Verwendung hoffen
zu dürfen.
Euer Excellenz wage ich daher um Erlaubniß zu bitten, meine
geringen Dienste zu Ihrer Disposition stellen zu dürfen und erlaube mir folgende
Bemerkungen über meine Person und meine Studien Hochdemselben gehorsamst
vorzutragen.
Ich wurde zu Homburg vor der Höhe, wo mein Vater mit dem Titel
eines Geheimraths die Stelle des Leibarztes Seiner Durchlaucht des Landgrafen
bekleidete, im Jahr 1823 geboren und in der katholischen Konfession erzogen.
Nach absolvirtem Gymnasialcursus lag ich in Jena und Heidelberg dem Studium der Rechtswissenschaft ob, erhielt an
letzterer Universität die juristische Doctorwürde und trat als Accesist in
landgräflich hessische Staatsdienste. Die geringe Befriedigung, welche mir die
practische Thätigkeit in dieser Stellung namentlich auch deßwegen gewährte, weil
ich nicht Gelegenheit fand, meine wissenschaftlichen Studien mit Erfolg
fortzusetzen, bestimmten mich, dem Rath befreundeter akademischer Lehrer zu
folgen und mich im Sommer 1847 an der Universität Jena als Privatdocent für deutsches Recht zu
habilitiren. Es gelang mir schon im Winter 1847/48 Vorlesungen über deutsches
Privatrecht zu halten. Den darauf folgenden Sommer trug ich deutsche Staats- und
Rechtsgeschichte vor. Seit dem habe ich in diesen Vorlesungen mit dem Ordinarius
für dieses Fach alternirt. Daneben hielt ich mehrere sogenannte öffentliche
Vorlesungen: Exegese deutscher Rechtsquellen namentlich des Sachsenspiegels,
Darstellung des germanischen Gerichtsverfahrens und trug in den letzten Jahren
das Handels- und Wechselrecht getrennt von dem deutschen Privatrecht vor. Zu
Ende des Jahres 1849 wurde ich zum außerordentlichen Professor, ein Jahr später
zum Beisitzer des Spruchcollegiums und des Schöppenstuhls ernannt.
Leider
habe ich mich dem größeren juristischen Publicum noch nicht durch literarische
Arbeiten bekannt machen können. Der Grund hiervon ist theils ein äußerer, daß
meine Arbeitskraft durch meine Vorlesungen sehr in Anspruch genommen war,
vorzüglich aber ist es ein innerer. Bei zwei unternommenen größeren Arbeiten
wurde es mir, je weiter ich fortschritt, desto klarer, daß bei dem factischen
Zustand des gemeinen Rechts, diesem sich Durchdringen zweier auf national
verschiedenen Quellen beruhenden Rechten, es nicht genüge, die Reception des
römischen Rechts als vollendete Thatsache einfach hinzunehmen, sondern daß es
vor allem gelte, sich der innern Bedeutung dieses Acts für das gesammte
Rechtsgebiet und der Stellung beider Rechte zu einander klar bewußt zu werden.
Eine solche Kenntniß läßt sich aber nur durch eine Kritik des Stoffes
beider Rechte, einer genauen Verfolgung der innern Entwicklung und formalen
Gestaltung desselben in den verschiedenen Perioden und eine Berücksichtigung der
auf die Rechtsausbildung influirenden Thatsachen gewinnen. Zu diesen
Untersuchungen noch besonders angeregt durch das Erscheinen mehrerer Werke von
ähnlicher Tendenz, widmete ich mich denselben während der letzten Jahre mit
vorläufiger Beiseitesetzung meiner speciellen Arbeiten. Nachdem ich zu einem
gewissen Abschluß gekommen zu sein glaubte, habe ich die gewonnenen Resultate in
einem Werke niedergelegt, welches ich in Kürze bis zum Druck vollendet zu haben
hoffe und zu dessen Vorlegung seiner Zeit ich mir schon vorläufig die Erlaubniß
Euer Excellenz erbitte.
Wenn Euer Excellenz mir noch gestatten wollen für
den Fall, daß Hochdieselben meine Berufung an eine österreichische Universität
beschließen sollten, meine Wünsche Betreffs einer besonderen Universität
auszusprechen, so möchte ich das Moment hervorzuheben mir erlauben, daß es mir
sehr wünschenswerth sein muß, an einem Orte zu leben, in welchem eine gute
Bibliothek, der Umgang mit Kollegen, welche die Fortschritte der Wissenschaft
verfolgen und die Zugänglichkeit der neuen wissenschaftlichen Erscheinungen ein
fruchtbares Studium ermöglichen. Da unter denjenigen Universitäten, welche in
Frage kommen dürften, Prag mir dieß
alles am Besten zu vereinigen scheint, so würde, abgesehen von anderweiten
persönlichen Rücksichten, welche mir die Stellung an dieser Universität
besonders wünschenswerth machen, mein gehorsamstes Gesuch sich vorzüglich auf
diese Universität beziehen.
Genehmigen Euer Excellenz die Versicherung der
hohen Verehrung, mit welcher ich verharre
Euer Excellenz
gehorsamster Diener
Dr. Friedrich von Hahn
Wien, 1.10.1854