Leo Thun an Joseph Alexander Helfert
Tetschen, 19. September 1859
|

Regest

Leo Thun gibt Unterstaatssekretär Joseph Alexander Helfert einige Instruktionen für die Zeit seiner Abwesenheit vom Ministerium. Zunächst spricht er sich für die Aufnahme eines Schülers ins Theresianum aus, wobei die Frage, wie dieser im Religionsunterricht behandelt werden solle, noch zu klären sein wird. Die Angelegenheiten von Anton Gindely und Carl Sykora will Thun bei seiner Rückkehr erledigen. Die Empfehlungsschreiben für Prof. Friedrich Maassen sollen inzwischen vorbereitet werden, er will diese bei seiner Rückkehr unterzeichnen. Schließlich dankt er Helfert für dessen offene Worte und ermuntert denselben, auch weiterhin freimütig seine Meinung zu äußern. Thun sagt, dass er dies sehr zu schätzen wisse. Zuletzt bedankt sich Thun bei Helfert außerdem dafür, dass dieser die Angelegenheit der Protestanten in die Hand genommen habe, die Thun stark belastet hatte.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Tetschen den 19. September 1859

Verehrtester Freund!

Die Aufnahme des jungen Ghika in das Theresianum muß allerdings bewilligt werden. Gut wäre es freilich wenn sich ein Modus finden ließe für ihn in Beziehung auf Religionsunterricht mehr zu thun, als ihn nur einem Popen zu überlassen. Doch darüber möge Demel nach meiner Rückkehr mit mir sprechen.
In Betreff Gindelys werde ich unmittelbar bei Seiner Majestät einen neuerlichen Versuch machen, sobald ich zurückkomme. Ich bitte inzwischen sein Gesuch exhibieren zu lassen, damit es nicht in Vorstoß gerathe und Altmann soll mir's bei meiner Heimkehr übergeben.
Für diesen Zeitpunkt wolle mir Erhart die von Maaßen gewünschten Empfehlungsschreiben an unsere Gesandten in Brüssel, Paris und Rom entwerfen.
Altmann wolle sich im Ministerium des Innern erkundigen, ob man schon weiß, wann Goluchowski zurückerwartet wird, und mir darüber Nachricht geben. Wenn es angeht, so möchte ich bis zum letzten des Monats ausbleiben.
Die Angelegenheit des Sykora muß doch bis zu meiner Rückkehr warten, dann freilich muß sie einmal zur Entscheidung kommen. Seien Sie überzeugt, daß es meiner Natur völlig widerstreitet, eine aufrichtige und zumal aus einem Pflichtgefühl entspringende Meinungsäußerung jemals übel aufzunehmen; ich werde es Ihnen vielmehr immer danken, wenn Sie – und sei es auch in Fällen längerer Unschlüßigkeit mit einiger Gewalt – mir behülflich sind, zu thun, was Sie für recht und nothwendig halten. Sie wissen daß ich eben so aufrichtig spreche.
Schließlich meinen Dank, daß Sie die protestantische Sache flügge gemacht haben, wie es scheint, nicht ohne Beschwerde. Es hat wirklich mein Gewissen belastet, daran zu gehen, und Ihnen das aufzulegen. Ich bin begierig wenn ich heimkehre über den Verlauf und die nächsten Resultate in Ungarn näheres zu hören.

Aufrichtig der Ihrige
Leo Thun