Der Schulrat Eduard Mayr sendet Leo Thun einen Bericht über das Gymnasium in Pressburg. Zunächst äußert er sich lobend über die grundsätzliche Situation am dortigen Gymnasium: der Schulbetrieb verlaufe vorbildlich und die Schüler seien fleißig. Er erklärt, dass die Schülerzahlen zwar seit der Reorganisation ein wenig gesunken seien, der Grund hierfür liege jedoch lediglich darin, dass an dem Gymnasium nun höhere Anforderungen an die Schüler gestellt würden als an anderen Gymnasien. Anschließend äußert sich Mayr über die Lehrer des Gymnasiums und betont, dass die Wahl von guten Lehrern das entscheidende Kriterium für den Erfolg eines Gymnasiums sei. Mayr bemerkt dann jedoch, dass er lediglich mit der Hälfte der ordentlichen Lehrer am Pressburger Gymnasium zufrieden sei, die Leistung der anderen Hälfte lasse hingegen vielfach zu wünschen übrig. Als besonders ungeeignet nennt er den Lehrer Ignaz Hönig, dem es an Geist und wissenschaftlicher Bildung fehle und dessen Versetzung Mayr empfiehlt. In der Folge äußert er sich lobend über den Direktor der Anstalt, Anton Wolf. Mayr betont, dass die gute Amtsführung des Direktors wesentlich zum Erfolg des Gymnasiums beitrage. Daher fände Mayr es auch schade, wenn Wolf – wie erwogen worden ist – an das Theresianum versetzt werden würde. Mayr hofft, dass in Zukunft bessere Lehrer berufen werden. Davon würde auch der Ruf der Schule profitieren, der derzeit nicht der beste sei und daher auch die jetzigen Lehrer oftmals entmutige.
Euer Excellenz!
Gestatten Euer Excellenz gnädigst, daß ich auf außerordentlichem Wege eine
unbefangene Darstellung der hiesigen
Gymnasialzustände der hohen Einsicht Euer Excellenz ergebenst unterbreite. Der
Zustand des hiesigen Gymnasiums ist seiner äußern Erscheinung nach ein
vollkommen befriedigender zu nennen. Alle Lehrer ohne Ausnahme sind eifrig und
pünktlich in der Erfüllung ihrer Pflichten und das ganze Getriebe des
Unterrichts bewegt sich mit vollkommener Regelmäßigkeit. Die Schulzucht ist eine
so lobenswerthe, daß die Aufrechterhaltung derselben mit geringer Anstrengung
erzielt wird. Nationale Überhebungen oder politische Partheinehmungen wurden
bisher an der Schule nicht beobachtet. Die Frequenz des Gymnasiums ist seit der
Reorganisation desselben in Abnahme, unter den Ursachen, die darauf hinwirken,
ist zuverläßig eine nicht der letzten, daß die Anforderung an die Schüler hier
höher gestellt ist und strenger eingehalten wird, als dies an andern Gymnasien
bisher der Fall war. Der Erfolg des Unterrichts ist mit Rücksicht auf die noch
nicht überwundene Übergangsperiode und die hiesigen Verhältnisse überhaupt ein
befriedigender, auch ist die innere Fortbildung des Gymnasiums zu einer höhern
wissenschaftlichen Stufe im Ganzen ersichtlich.
Da die Hauptsache bei einer
Lehranstalt immer die Lehrer sind, so will ich eine kurze, möglichst objective
Charakteristik derselben zu geben trachten.
Dr.
Schmid ist als Mensch, Erzieher und Fachlehrer so ausgezeichnet,
daß ich nur höchst Rühmliches von ihm aussagen kann. Bei allseitiger Erwägung
seiner Vorzüge und Eigenschaften dürfte er jetzt die erste Zierde unter den
Lehrern sein. Dr. Lorinser, ein sehr
braver Lehrer, vielleicht etwas gar zu ernst und derb der Jugend gegenüber, in
Bezug auf die Collegen reizbar und leicht zu heftig, sein Charakter scheint
dabei bieder zu sein. Beide beschäftigen sich emsig in den ihnen angewiesenen
Cabineten und legen bei der Instandhaltung derselben einen anerkennenswerthen
öconomischen und conservativen Sinn an den Tag. Möchten doch Euer Excellenz sich
dadurch bewegen lassen, deren nur auf das rein Unentbehrliche gerichteten
Anträge zur Herstellung der Cabinete gnädigst genehmigen und die bereits in
Aussicht gestellte nachträgliche Dotirung derselben baldigst bewirken. Dr. Hochegger besitzt ein reiches Wissen
und weiß dasselbe sehr glücklich zu benützen. Sein Vortrag über deutsche
Literargegenstände ist meisterhaft, lebendig, anziehend und bewegt sich mit
bewußter Beherrschung des Stoffes innerhalb der angemessenen Gränzen des
Schulunterrichts, gleich Tüchtiges leistet er im Unterrichte aus der classischen
Philologie und der Geschichte. Sein eigentlicher Charakter verbirgt sich bisher
seiner Umgebung eben sowohl, als mir derselbe nicht klar geworden ist. Hönig fehlt es völlig an wissenschaftlicher
Bildung und höherer Geistesrichtung. Seine Geschichtskenntnis beruht nur im
Gedächtnis, ist jedoch auch von dieser Seite mangelhaft, und finden seine
Leistungen leider schon über die Gränzen der Schule hinaus ungünstige
Beurtheilung. Es ist zu besorgen, daß derselbe bei dem Mangel geistiger Anlagen
auch späterhin sich nicht zu einem Lehrer des Obergymnasiums heranbilden werde.
Seine Anschauungsweise ist durchaus oberflächlich, am Scheine hangend; der
Charakter leutselig, selbstzufrieden und wohlhäbig. Stanek ist ohne Geist, eifrig im Unterricht, den er mechanisch
auffaßt, seine philologischen Einsichten im Grammatikalischen und Syntaktischen
lassen noch vieles zu wünschen übrig. Staneks äußere und allgemeine Bildung ist mangelhaft, sein
Charakter noch nicht offen vorliegend. Da Pövetz und Schiller für das nächste Jahr in
keinem Falle am Gymnasium fortwirken werden, weil beide bei der Lehramtsprüfung
gefallen sind, so übergehe ich deren Schilderung sowie die der beiden
Religionslehrer Soltész und Krotky, mit welchen keine Veränderung
bevorsteht. Die Supplenten Schopf und
Christ haben ihre schriftlichen
Arbeiten der Prüfungskommission eingereicht, beide haben sich die Anerkennung
der definitiven Professoren zu verschaffen gewußt, und hege ich nicht den
geringsten Zweifel, daß beide die mündliche Prüfung gut bestehen werden,
ersterer aus Mathematik und deutscher Sprachwissenschaft für das ganze, letzerer
aus der classischen Philologie für das Untergymnasium. Beide gehören zu den
tüchtigsten Lehrern der Anstalt, für deren Gedeihen es wünschenswerth erscheinen
muß, daß sie ihr erhalten bleiben. Director Wolf nimmt seinen schwierigen Posten zu meiner vollen
Zufriedenheit ein. Ich bin noch immer der Überzeugung, daß sein Beispiel den
gleichförmigen und ruhigen Gang in dem Getriebe mannigfaltiger Kräfte
hauptsächlich herbeiführt und durch sein besonnenes, humanes und taktvolles
Benehmen den übrigen Lehrern gegenüber deren volle Mitwirkung sicherer erzielt,
als durch Schroffheit und Herrschsucht je zu erreichen wäre. Er besitzt Energie
des Pflichtgefühls und wissenschaftlichen Geist, Eigenschaften, die das Gedeihen
seines Wirkens bedingen und die nicht durch andere aufgewogen werden dürften.
Sollten Euer Excellenz denselben, ungeachtet des finanziellen Bedenkens, an das
k.k. Theresianum als
Lehrer versetzen wollen, so bekenne ich offen, daß ich durch das günstige
Zeugnis, welches ich demselben zu geben mich verpflichtet fühle, auf den
Entschluß Eurer Excellenz nicht den geringsten Einfluß zu üben wünschte und nur
im Interesse des Gymnasiums, welches mir vor allem am Herzen liegt, die Bitte
mir erlaube, zu seinem Nachfolger einen als Director bereits bewährten Mann
gnädigst ernennen zu wollen. Wären Euer Excellenz nicht in der Lage dieser
ergebensten Bitte zu entsprechen und sollte der für diesen Posten bereits
voriges Jahre genannte Prof. Auer in Vorschlag
kommen, so wage ich es auszusprechen, daß competente Männer in
Wien, wie ich in Erfahrung gebracht, seine Befähigung
für diesen Posten bezweifeln wollen.
Es ist nicht hohler Ehrgeiz, der mich
lebhaft wünschen läßt, daß dieses Gymnasium thatsächlich zu einer Musterschule
erblühe. Die Gründe, die dafür gleich anfangs so schwer in die Wagschale fielen,
haben seither nichts an Gewicht verloren. Ich gestehe daher offen, daß es mich
betrübt hat, daß an die Stelle des Dr.
Reichel, welcher für das Obergymnasium die Prüfung mit glänzendem
Erfolge bestanden hat, mitten im Schuljahre zu nicht geringem Nachtheile des
Unterrichts Dr. Tuschar ernannt wurde,
der fürs Untergymnasium kaum geeignet befunden worden ist. Aus dem Gesagten geht
hervor, daß von den definitiv angestellten Professoren 3 tüchtige und 3 unter
der Mittelmäßigkeit sind, wodurch bei mir die Befürchtung wächst, daß wenn bei
den bevorstehenden Ernennungen diese Anstalt nicht besser berücksichtigt würde,
diese Schöpfung Eurer Excellenz im vollen Umfange ihrer wichtigen Aufgabe nicht
entsprechen werde, zu der sie im Interesse des Staates berufen zu sein scheint.
Bei solchen Besorgnissen drängt es mich, Euer Excellenz recht eindringlich zu
bitten, durch die Ernennung tüchtiger Männer und Versetzung der minder
tauglichen dieses Gymnasium auf diejenige Stufe zu erheben, welche es einnehmen
muß, soll es sich gegenüber der katholischen und evangelischen Gymnasien als
Musteranstalt behaupten.
Die Ungunst, die das hiesige Gymnasium durch die
Ernennung der erwähnten Lehrer erfahren, ist aber nicht der einzige Übelstand,
der auf derselben lastet, und ich glaube Euer Excellenz keinen größeren Beweis
meiner unbegränzten Verehrung geben zu können, als wenn ich ohne Rückhalt
dasjenige ausspreche, was mir als schädlich erscheint. Ich habe es in dieser
Beziehung zwar nicht unterlassen, Euer Excellenz bereits im verflossenem Jahre
mündlich anzudeuten, daß es mir nicht möglich ist, der Auffassung der Zustände
des Gymnasiums völlig beizupflichten, habe indes gehofft, daß die Veränderungen,
die inzwischen getroffen wurden, eine Ausgleichung zur Folge haben dürften. Da
nun aber die neuangekommenen Lehrer von den frühern Zuständen des Gymnasiums die
übelste Meinung von oben mitbrachten und bald einsehen lernten, daß dieselbe auf
Übertreibungen beruhe, so mußte eine gedrückte Stimmung davon die natürliche
Folge sein, umso mehr als man im Verlauf sich anzunehmen gedrungen sah, daß
einzelne Mitglieder des Lehrkörpers an ein hohes Ministerium Mittheilungen
gemacht, die nicht unberücksichtigt blieben. Hieraus entstand eine Spannung, die
zwar äußerlich das scheinbar gute Einvernehmen der Lehrer meines Wissens nicht
bloßstellte, aber ein von gegenseitigem Mißtrauen eingegebenes Benehmen zur
Folge hatte. Beide letzteren Umstände haben den Lehrkörper in seiner freudigen
Wirksamkeit herabgestimmt, eine Stimmung, der sich der Direktor und selbst der ergebenst Gefertigte
umso weniger entziehen konnten, als unter solchen Verhältnissen ihre amtliche
Stellung offenbar in gleichem Maße an Bedeutung und Einfluß beeinträchtigt
schien. Indem ich auf den Nachtheil von Denunciationen, die von Mitgliedern des
Lehrkörpers ausgehen, Euer Excellenz aufmerksam zu machen wage, verwahre ich
mich zugleich dagegen, als wollte ich damit gegen jede nichtamtliche
Kenntnisnahme Einspruch erheben, da ich doch deren Unentbehrlichkeit im Ganzen
zu läugnen durchaus nicht gesonnen bin.
Nach meiner innigsten Überzeugung
muß ich die vom Director Wolf unter 18.
Feb. letzten Jahres Z. 130 eingereichte Eingabe betreff der neuen
Lehrerbestellung für das Gymnasium nicht nur unterstützen, sondern auch das
Bedürfnis der Versetzung mindestens von den zwei schwächsten Lehrern Hönig und Dr.
Tuschar an ein anderes, minder bedeutendes Gymnasium unverholen
auszusprechen, wenn die Besetzung nicht eine lückenhafte und die Lösung der
Aufgabe eines Mustergymnasiums beeinträchtigende sein soll.
Sollte es mir
gelungen sein, die Aufmerksamkeit Euer Excellenz für das hiesige Gymnasium neu
zu beleben, so ist meine Absicht erreicht, und es bleibt mir nur die ergebenste
Bitte übrig, Euer Excellenz wollen den Ausdruck meiner unbegränzten Hochachtung
und tiefsten Verehrung gnädigst entgegen nehmen.
Euer Excellenz
unterhänigster Diener
Dr. Gottfried Mayr
k.k. pr. Schulrath
Presburg, den 8. April 1853