Unterstaatssekretär Joseph Alexander Helfert liefert einen historischen Überblick über die seit dem 15. Jahrhundert geschlossenen Konkordate. Zunächst erklärt er den Begriff Konkordat. Dann geht er auf die wesentlichen, bis zum Jahr 1851 geschlossenen Konkordate ein, und erläutert die wichtigsten Inhalte und Bestimmungen derselben. Dabei orientiert er sich an einer Einteilung in drei Epochen, die mit ihren jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen, Anlass für ein Konkordat boten: Zunächst das 15. Jahrhundert mit seinen wichtigen Konzilien, dann nennt er als zweite Epoche die Zeit nach der Französischen Revolution und die anschließende Restauration. Mit der Revolution von 1848 sieht er eine neue Periode anbrechen, was die jüngst verhandelten Konkordate des Heiligen Stuhls mit dem Großherzogtum Toskana und dem Königreich Spanien zeigen würden. Helfert glaubt, dass dies eine Reaktion auf die Trostlosigkeit der herrschenden sozialen und politischen Zustände sei und er glaubt, dass dadurch diese Probleme seiner Zeit behoben werden könnten.
Concordate
So heißt man mit einem seit dem fünfzehnten Jahrhunderte technisch gewordenen
Ausdrucke die Vereinbarungen, welche zwischen weltlichen Fürsten einer- und dem
päbstlichen Stuhle andererseits über Staat und Kirche wechselseitig beruhende
Verhältnisse getroffen werden. Sie haben daher niemals eigentliche Bestimmungen
der inneren kirchlichen Gesetzgebung, sondern immer solche Punkte zum
Gegenstande gehabt, über deren Behandlung jene beiden Gewalten in Conflikt
gerathen waren oder in Conflikt zu gerathen drohten oder deren gedeihliche
Fürsorge ein beiderseitiges Zusammenwirken sowohl der geistlichen als der
weltlichen Macht bedingte. Daher berühren sie insgemein als Objekte die geistlichen Personen und Kirchenvorsteher in Absicht auf
deren Anstellung und Ausschließung, deren Gewalt und Gerichtsbarkeit, deren
Verbindung mit Rom und die Begränzung von deren Sprengel;
die Religionsübungen und heiligen Handlungen in Absicht auf
deren Anordnung und Vornahme; die äußeren Güter der Kirche in
Absicht auf deren Erwerbung, Erhaltung, Verwaltung und Veräußerung.
Als die
älteste Erscheinung dieser Art mag das aus Anlaß des bekannten
Investiturstreites zwischen Kaiser Heinrich
V. und Pabst Calixt II. am
23. September 1122 zu Worms abgeschlossene Übereinkommen
angesehen werden, dessen Inhalt dahin ging, daß der Kaiser die Wahlfreiheit rücksichtlich der Prälaturen in
Hochstiftern [sic!] und Abteien anerkannte, auf die Investitur der Bischöfe und
Prälaten mit Ring und Stab verzichtete und ihm blos die Belehnung mit den
weltlichen Regalien und den aus diesen abfließenden Rechten vorbehalten wurde –
Wormser Concordat, auch nach dem Pabste Concordatum
Calixtinum genannt.
I.
Neue und vielfältigere Veranlaßung zum Abschluße von Concordaten boten die
Ereignisse des 15. Jahrhundertes, namentlich beider Concilien von Kostniz
[Konstanz] und Basel. Das
erstere ging auseinander, ohne die große Reformation in capite et in membris,
deren tief und allgemein gefühltes Bedürfnis einer der Haupthebel seines
Zustandekommens gewesen, zur Ausführung zu bringen. Allein der auf dieser
Kirchenversammlung gewählte Pabst Martin V.
traf mit dreien der auf derselben vertretenen Nationen besondere Bestimmungen,
welche sich auf die Abstellung einzelner Mißbräuche wie auf theilweise
Verminderung der päbstlichen Reservationen und Vorrechte bezogen.
Concordat mit der deutschen Nation vom 2. Mai 1418 mit folgenden
Titeln:
I. de numero et qualitate Cardinalium et eorum
creatione,
II. de provisione ecclesiarum, monasteriorum, prioratuum
dignitatum et aliorum beneficiorum,
III. de annatis,
IV. causis,
tractandis in Romana curia nec ne,
V. de commendis,
VI. de
simmonia,
VII. de non vitandis excommunicatis antequam per judicem fuerint
declarat et denuntiati,
VIII. de dispensationibus,
IX. de provisione
Papae et Cardinalium
X. de indulgentiis
(„cavebit Dominus noster Papa in
futurum niniam indulgentiarum effusionem ne vileseant; et in praeteritum
concessas ab obitu Gregorii XI. ad instar alterius indulgentiae revocat et
annullat)
XI. de horum concordatorum valore.
Concordat mit der französischen Nation vom 2. Mai 1418, welches jedoch die Zustimmung vom König und dem Parlamente nicht erhielt.
Concordat mit der englischen Nation vom 12. Juli 1418 mit
folgenden Titeln:
I. de numero et ratione Cardinalium,
II. de
indulgentiis,
III. de appropriationibus, unionibus, incorporationibus
ecclesiarum et vicariatuum,
IV. de ornatu Pontificali inferioribus Praelatis
non concedendo,
V. de dispensationis,
VI. de Anglis ad officia Romanae
curiae assumendis.
Das englische Concordat wurde unbedingt, das deutsche und
französische vorläufig nur auf fünf Jahre geschlossen.
Während des
Basler Kirchenrathes hatte eine zu
Mainz abgehaltene deutsche Fürsten- und
Ständeversammlung eine bestimmte Anzahl (sechsundzwanzig) von den
Reformationsdekreten der Synode feierlich angenommen, zugleich aber gegen die
ausgesprochene Suspension Pabst Eugen IV.
protestirt (26. März 1439). Mehrere Zwischenfälle hatten die Stimmung der
deutschen Fürsten dahin gereizt, daß sie auf einer späteren Fürstenversammlung
zu Frankfurt vier Punkte, worunter auch die Superiorität
der Concilien über den Pabst, aufsetzten (21. März 1446) und durch eine eigene
Gesandtschaft in Rom
Eugen IV. zur Bestätigung vorlegen ließen.
Der Vermittlung Kaiser Friedrich III. und seines Kanzlers Äneas Sylvius von Piccolomini gelang es, die
Fürsten zu einer Milderung ihrer Forderungen zu bestimmen, und so kam auf dem
Churfürstenconvente zu Frankfurt (September 1446) eine
Vereinigung der Fürsten mit dem Pabste in
den sog. Concordata principum zu Stande (4. Oktober 1446), zu
Folge welcher sich die Fürsten, die früher auf einer unbedingten Bestätigung
jener Basler Decrete bestanden, sich mit
einer bedingten Bestätigung begnügen wollten, welche durch eine abermalige
Gesandtschaft vom Pabste begehrt wurde. Den
solchergestalt auf beiderseitige Zugeständnisse basirten Frieden bestätigte noch
sterbend Pabst Eugen IV. in vier eigenen
Bullen (5. und 7. Februar 1447), obgleich nicht ohne Verwahrung wegen seiner
Krankheit gegen alles, was dabei der Wahrheit, der Kirche oder dem römischen
Stuhle nachtheilig werden könnte und nicht ohne mehrfachen Widerspruch der
Cardinäle, die darin zu große Beschränkung der Rechte des römischen Stuhles
erblickten.
Dies sind die sogenannten Concordata
principum.
Eugen’s Nachfolger
Pabst Nicolaus V. gelang es jedoch am 17.
Februar 1448 zu Wien einen Separatvertrag mit Kaiser
Friedrich III. zu Stande zu
bringen, der weil man sich über den Ort des Abschlußes irrte, unter dem Namen
Aschaffenburger Concordate in das
Reichsgesetz kam, wodurch die von seinem Vorgänger bedingt erfolgte Annahme der
Basler Reformationsdekrete aufgehoben, dadurch die meisten der in den
sogenannten Fürstenconcordaten der deutschen Kirche zugestandenen Rechte
eingeschränkt wurden und es eigentlich auf die im Costnizer Vergleiche vom Jahre 1418 zurückkam.1 Die einzelnen Stände
traten gegen mancherlei auf Kosten der Kirche ihnen gewährten Vergünstigungen
dem Wiener Concordate nach der Hand
bei.
In Frankreich hatten die Beschlüsse der Basler Synode zu der „pragmatischen Sanction“
geführt, indem Karl VII. auf einer
Versammlung zu Bourges (1438) 23 Sätze desselben annehmen
und das Ganze darauf bei den Parlamenten einregistriren ließ. Diese pragmatische
Sanction ist als ein Grundgesetz der sog. gallikanischen Freiheiten zu
betrachten, dessen Nachwirkung selbst dann nicht an Kraft verlor, als König
Franz I. und Pabst Leo X. im Jahre 1516 durch das Concordat von Bologna
(publicirt 12. Mai 1517)
sich in diese Freiheiten getheilt hatten.
II.
Neuerlicher Stoff zur Abschließung von Concordaten war in
Frankreich nach der Revolution, in den andern
europäischen Ländern in der Zeit nach der Restauration gegeben.
Am 10.
September 1801 kam das französische Concordat zwischen
Bonaparte und Pabst Pius VII. zu Stande. Es berührt in 17 Absätzen
folgende Gegenstände: Gewährleistung des römisch-katholischen Cultus, „en se
conformant aux règlement de police“, neue Umschreibung der Diöcesen in Aussicht
gestellt; Erneuerung der Erzbischöfe und Bischöfe; Eid der Bischöfe und Pfarrer;
neue Umschreibung der Pfarren den Bischöfen überlassen; Besetzung der Pfarren;
Kapitel und Seminare; kirchliche Gebäude in die Disposition der Bischöfe zurück
gestellt; Sicherstellung der Käufer von säcularisirten Kirchengütern; Dotation
der Bischöfe und Pfarrer durch den Staat; kirchliche Stiftungen zuläßig erklärt;
Rechte des ersten Consuls; Vorsorge für den Fall, daß das Staatsoberhaupt nicht
katholisch. Die „Articles organiques“, welche auf dieses Concordat folgten,
enthalten vielmehr; allein sie sind einseitig von der Staatsgewalt erflossen und
vom römischen Stuhle vom ersten Augenblicke an nicht anerkannt worden.
Zu
dem zweiten französischen Concordat ddto.
Fontainebleau, 25. Jänner 1813 hat Napoleon dem gefangenen Pius VII. die Zeichnung seines Namens zu entlocken
gewußt, welche dieser gleich darauf in einem Schreiben an den Kaiser vom 24.
März als eine gegen sein Gewissen gegebene zurückrief. Unter dem 11. Juni 1817
kam zwischen Pabst Pius VII. und König
Ludwig XV. [sic! Ludwig XVIII.] das dritte französische Concordat zu Stande, welches in seinem
ersten Artikel das Concordat vom Jahre 1816 wieder herstellte, in seinem zweitem
die „Articles organiques“ abschaffte; in seinen weiteren Artikeln verschiedene
Garantien für die Ansprüche der katholischen Kirche feststellte.
Nicht
mindere Thätigkeit entfaltete der päbstliche Stuhl gegenüber den andern
europäischen Staaten. Denn als die deutsche Bundesacte der eine Zeitlang
genährten Hoffnung auf ausdrückliche und allgemeine Gewährleistung der Rechte
der katholischen Kirche nicht entsprochen hatte, wendete sich der päbstliche
Stuhl wieder dem Mittel der Separatverhandlungen mit den einzelnen Staaten zu,
um nach den besonderen Verhältnissen eines jeden derselben die kirchlichen
Verhältnisse in rechtliche Ordnung zu bringen.
So entstand zuerst im Jahre
1817 das bairische Concordat, welches sich zunächst über die
Abgränzung der Diöcesen, Einrichtung und Dotation der Bisthümer und Capitel
verbreitet, aber auch einige allgemeine Punkte über das Verhältnis zwischen
Kirche und Staat festsetzt.
Seit dem Jahre 1818 waren einige deutsche
Staaten vorwiegend evangelischer Bevölkerung zu gemeinsamen Verhandlungen über
die „Grundzüge zu einer Vereinbarung über die Verhältnisse der katholischen
Kirche in deutschen Bundesstaaten“ zusammengetreten und die Bevollmächtigten
derselben hatten sich über eine Grundlage geeinigt, die durchaus von dem Geiste
des Febronianismus und der Emser Beschlüsse durchweht war. Daher war es
natürlich, daß der Pabst dieser „magna
charta libertatum ecclesiae catholicae Romanae“ die Berufung auf das göttliche
Recht seines Primates und die vigens ecclesiae disciplina entgegensetzte und die
Concordate, welche in der Folge mit den einzelnen dieser Länder zu Stande kamen,
sind eigentlich bloße Circumscriptionsbullen, die sich im allgemeinen auf die
Einrichtung und Begränzung der Diöcesen, auf die Anordnung und Ausstattung der
Bisthümer und Kapitel beschränken. So entstand das preußische Concordat vom 16.
Juli 1821, die Bullen für die oberrheinische Kirchenprovinz,
– Würtemberg, Baden, die
beiden Hessen, Nassau, die sächsischen Herzogthümer, Oldenburg,
Waldek,
Frankfurt, Lübek
und Bremen vom 16. August 1821 und 11. April 1827,
endlich das Hanoversche Concordat vom 26.
März 1824.
Mit außerdeutschen Ländern kamen in dieser Periode folgende wichtigere Concordate
zu Stande:
a. mit
Sardinien
durch die
Bulle vom 17. Juni 1817, betrifft Herstellung der Diöcesaneintheilung,
Einrichtung der Seminarien, Verhältnisse der Abteien, Organisation der
Capitel;
b. mit dem
Königreich beider Sizilien
durch die Bulle vom 16. Febr.
1818. Gewährleistung der Rechte der katholischen Kirche im allg. (I.) und
insbesondere rücksichtlich des Unterrichtes (II.); Diözesen, Capitel, Abteien
und Pfarren (III.–XI.); Kirchengut (XII.–XX.), bischöfliche Gewalt, von
Staatswegen nicht einzuschränken (XX.–XXI.); Verbindung mit dem päbstlichen
Stuhl (XXII.–XXIV.); bischöfliche Censur über Bücher (XXV.); königliches
Ernennungsrecht der Bischöfe und Eid derselben (XXVIII. XXIX.);
c. mit den
Schweizer Cantonen durch
die Bulle vom 8. Juli 1823 (Errichtung des Bisthums St.
Gallen), vom 26. März 1828 (Umschreibung des Bisthums
Basel) und vom 23. März 1830 (Beitritt der Cantone
Aargau und Thürgau zu dem Concordat vom 26. März 1828).
d. mit den
Niederlanden durch die Bulle vom 16. September 1827.
III.
Einen abermaligen Wendepunkt bilden endlich die Nachwirkungen der
Ereignisse der beiden Revolutionsjahre 1848 und 1849. Das innerlich haltlose und
zerklüftete unserer Zustände ist durch diese an den hellen Tag gebracht worden.
Immer tiefere Wurzel faßt bei den Redlichen und Hellblickenden von allen Ländern
die Überzeugung, daß es gegen die Trostlosigkeit der socialen und politischen
Zustände wesentlich ein Heilmittel gebe und daß dieses in der
Herstellung von Religiösität und Sittlichkeit bestehe. Mehr und mehr wenden sich
daher die Blicke der Staatsmänner nach Rom, um der durch
die Aufklärungsbestrebungen des vorigen Jahrhunderts vielfach beschränkten und
gedrückten Kirche jene Freiheit wieder zu geben, in welcher sie, ohne den
Interessen des Staates nahe zu treten, allein im Stande ist, segensreiche
Wirkungen zu entfalten und ihr großes Heilswerk erfolgreich zu vollbringen.
Diesem Drange entsprungen, liegen bereits zwei Concordate vor uns:
a. das
mit
Spanien
vom 16. März 1851
b. das
mit
Toscana
vom 31. Juni 1851
Wien, am 31. Juli 1851
Helfert