Justin Linde an Leo Thun
Frankfurt, 18. Januar 1856
|

Regest

Der hessische Staatsrat Justin Linde übermittelt Leo Thun einige Hinweise zu Kandidaten, die für eine Stelle als Gymnasiallehrer in Österreich in Fragen kämen, und um die Thun ihn gebeten hatte. Linde hat die Informationen von verschiedenen Personen eingeholt, unter anderem vom Bischof von Fulda. Daher haben sich die Nachforschungen stark verzögert. Linde empfiehlt besonders Georg Blakert, der jedoch eine gering dotierte Stelle in Österreich nicht annehmen werde. Eine Berufung von Emil Rössler kann er nicht befürworten, diejenige des Hilfslehrers Niklas Schell hingegen schon. Außerdem empfiehlt er einen tüchtigen jungen Hilfslehrer aus dem Großherzogtum Hessen, der dort keine Chance auf eine Anstellung hat.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Frankfurt 18. Januar 1856

Hochgeborner Herr Graf!

Mit Bezug auf mein ergebenstes Schreiben vom 4. des Monats 1 beeile ich mich, Euer Exzellenz vor Allem meine innigsten Theilnahme an dem neuen Unfalle, der nach öffentlichen Blättern, durch einen Fall, Hochdenselben betroffen, auszudrücken und werde mich freuen, wenn ich recht bald erfahre, daß die Folgen gehoben sind.
Sodann erlaube ich mir
1. nähere Notizen über Dr. Blakert zu überreichen. Sie sind, da ich den Herrn persönlich nicht kenne, sämmtlich aus ganz zuverlässigen Quellen geschöpft, nämlich eingezogen unmittelbar vom Hochwürden Herrn Bischof von Fulda und andern distinguierten, sehr ehrenhaften Personen. Nach den finanziellen Verhältnissen des Dr. Blakert würde ihm schwerlich mit einer Stelle, deren Einnahmen sich nur auf 800 oder 1000 Gulden belaufen könnten gedient seyn. Er hat Familie und nach dem Inhalte der eingezogenen Erkundigungen, sicher kein Vermögen zuzusetzen. Sollte Euer Exzellenz auf ihn ferner reflectieren, so bitte ich mir nähere Andeutungen zukommen zu lassen. Am sichersten wäre es dann doch immerhin, wenn ich Dr. Blakert zuerst zu einer Besprechung zu mir einladen könnte, wodurch ich ein bestimmtes selbstständiges und sicheres Urtheil gewinnen würde. Dieser Versuch, setzt aber, meines unmaasgeblichen Erachtens voraus, daß ihm Aussichten, die im Stande wären ihn zu befriedigen, eröffnet werden könnten, für den Fall, daß man sich überzeugte, daß er in jeder Beziehung auch wirklich eine Acquisition für den k.k. Dienst sei, und zu erwarten stehe, daß er im Geiste des Systems Eurer Exzellenz zu wirken im Stande sei, und den ernsten Willen habe.
2. Bezüglich Dr. Rößler haben nähere Nachforschungen bis jetzt keine günstigen Resultate geliefert, wenn man sich aus der einen Nachricht: "daß er fleißig und solide sei", allein nicht zufrieden stellen will. Der katholische Geistliche in Göttingen, und ein mir als sehr treuer und entschiedener Katholik bekannter Professor in Göttingen halten ihn nicht für katholisch. In Göttingen wird er, so schreibt man mir, nicht fortkommen, weil er sich durch das frühere politische Benehmen geschadet habe. Man ist der Meinung, daß er überall sich nach seiner Umgebung, die Einfluß auf ihn nehme, richten werde. Aber solcher Mangel an Entschiedenheit und Selbstständigkeit bietet ja in keiner Hinsicht Garantien, wie sie bei academischen Docenten nothwendig sind.
3. Über Niklas Schell, Hülfslehrer im Gymnasium in Hanau, habe ich nunmehr ebenfalls zuverlässige, verbürgte Nachrichten. Er stammt aus einer guten katholischen Familie in Fulda, ist ein treuer Sohn der Kirche, sein Character flößt Vertrauen ein, sein Wandel ist tadellos, und kirchliche Haltung und Gesinnung ganz tadellos. Der katholische Pastor in Hanau gibt ihm das beste Zeugnis. Er wohnt jedem Sonn- und Feyertagsgottesdienst, Vor- und Nachmittags bei, geht gehörig zum heiligen Abendmahle, und zwar in recht erbaulicher Weise. Über seine Lehrthätigkeit und Fähigkeit dazu, lauten die Nachrichten eben so günstig.
Wenn Euer Exzellenz deshalb jetzt noch entschlossen sind, mir zu erlauben, ihn im Sinne Ihres verehrlichen Auftrages, im Schreiben von vorigem Jahre anzueifern, so bitte ich, mir gnädige Weisung zu geben. Ich werde dann den Herrn doch erst persönlich zu sprechen, und über Alles mir die vollständigste Gewissheit durch eigenes Urtheil zu verschaffen suchen.
4. Endlich lege ich ganz ergebenst das Gesuch eines ganz tüchtigen jungen Philologen aus dem Großherzogthum Hessen bei, für dessen Kenntnisse, Katholizität, Ehrenhaftigkeit des Characters und Lehrfähigkeit ich einstehen kann. Er ist Candidat des Gymnasiallehramtes, d. h. hat die vorschriftsmäßigen Examina bestanden, und kann nun in allen Classen des Gymnasiums als Hülfslehrer und Stellvertreter functionieren, bis er eine definitive Anstellung bekommt, wozu in Hessen gegenwärtig, wegen Mangels vacanter Stellen wenig Aussicht ist. Sowohl dem Vater des jungen Mannes, einem braven Gymnasiallehrer, als dem jungen Mann selbst wünsche ich sehr, daß Euer Exzellenz ihn recht bald berücksichtigen könnten.
Bezüglich des Nikolaus Schell bitte ich, diesen nicht mit einem Apostaten gleichen Namens zu verwechseln, ein Fehler, in den ich selbst verfallen wäre, wenn ich nicht so genaue Erkundigungen eingezogen, wodurch die Angelegenheit leider ohne meine Schuld sich so sehr verzögert hat.
Genehmigen Hochdieselben den Ausdruck der innigsten Verehrung, womit ich die Ehre habe zu seyn.

Euer Exzellenz

gehorsamster Diener

Dr. Linde