Der Jurist Emil Rössler bittet um eine Stelle an einer österreichischen Universität. Zunächst bedankt sich Rössler für das persönliche Treffen mit Minister Thun und die anerkennenden Worte seitens des Ministers. Diese Gnade hat ihn bestärkt, nun abermals mit der Bitte an Thun heranzutreten, ihm einen Lehrstuhl an einer Universität in Österreich zu verleihen. Er betont, dass er sich schon vor mehr als einem Jahrzehnt – und damit als Erster in Österreich – rechtshistorischen Studien zugewandt habe. Nun möchte er diese Tätigkeit nach Jahren fern der Heimat ebendort fortsetzen und damit seine Lebensaufgabe an einer Universität in Österreich vollenden. Er hatte die Hoffnung auf eine Anstellung in Österreich zwar schon aufgegeben, aber der kaiserliche Gesandte in Hannover hatte ihn ermuntert, neuerlich ein Gesuch um Wiederaufnahme in den österreichischen Staatsdienst zu verfassen. Dieser beteuerte, selbiges auch zu unterstützen. Diese Unterstützung allein wäre allerdings wenig wert, wenn nicht auch Minister Thun sich seiner Bitte annehme. Daher ersucht er Thun eindringlich, seinen Antrag zu befürworten. Rössler bittet Thun außerdem, seinen Fehltritt in der Frankfurter Paulskirche als Jugendsünde zu betrachten, für die er nun acht Jahre fern der Heimat gebüßt habe.
Hochgeborener Herr Graf,
Gnädigster Herr Minister!
Euer Excellenz haben mir, als ich das Glück hatte mich persönlich vorzustellen,
so huldreiche Zeichen des Antheils an meinen Lebensschicksalen gegeben so wie
eine so gnädige Anerkennung meiner bisherigen academischen Wirksamkeit zu Theil
werden lassen, daß ich ermuthigt bin nochmals bittend mich in meiner
Angelegenheit an Sie zu wenden.
Mit tiefen Schmerze mußte ich von Hoffnungen
der endlichen Wiedererlangung einer academischen Thätigkeit in meinem
Vaterlande; von der Hoffnung in einem Fache, welches ich vor 12 Jahren von
rauher Wurzel zum erstenmal in Oesterreich
in Ausbau nahm, wieder fortzuarbeiten und, was ich wohl sagen kann, mit manchen
neu hinzu erworbenen geistigen Mitteln der endlich zum Rechte gekommenen
historischen Schule nützlich zu werden – von diesen Aussichten mußte ich nach
monatelangen peinlichen Harren endlich scheiden.
Kaum hatte ich diesen neuen
harten Schlag meines Gemüthslebens überwunden, so brachte nicht minder wieder
eine neue äußere Anregung meine Hoffnungen in Spannung. Vor kurzer Zeit ließ
mich der kaiserliche österreichische Gesandte in Hannover
Graf von Ingelheim
auffordern ein Gesuch um Wiedererlangung einer Professur zu verfassen und dieses
ihm zur Einbegleitung zu überreichen. Die Veranlassung dieses für mich eben so
unerwarteten als erfreulichen Anerbietens war eine eingehende Besprechung mit
dem hannoveranischen Minister des
Cultus, des Curators der Göttinger Universität, über meine bisherige Wirksamkeit und mein
Verhalten in Göttingen. Mit meiner Danksagung vereinigte
ich die Erklärung, daß ich dennoch nur dann einen Erfolg und des Gelingens
meines heißesten Strebens erwarten könnte, wenn ich diesfalls mich an Euer
Excellenz gewendet habe und mir auch Dero Billigung einer ähnlichen Eingabe die
Veranlassung dazu geworden wäre.
Nicht ohne Schüchternheit wage ich es nun
in dieser Angelegenheit mich an Euer Excellenz zu wenden. Da ich immer das
Streben hatte und dies wiederholt auszusprechen Gelegenheit und Anlaß nahm,
bedarf es kaum einer nochmaligen Erklärung. Liebe zur Sache und die erkannte
Nothwendigkeit der historischen Richtung für die Rechtswissenschaft Oesterreichs
hat mich vor Jahren zu diesen Studien geführt. Liebe und Interesse für den
Fortbau dieses Gebietes macht es mir auch jetzt zu meinem Lebensziele wieder auf
vaterländischen Boden dafür zu wirken.
Das Erreichen einer selbst
günstigeren Stellung würde das Mißlingen einer Lebensaufgabe, welche ich mir mit
jugendlicher Leidenschaft stellte, der ich nach allen Lebenswendungen treu
geblieben bin, und für die ich nun als reifer Mann erst die Früchte jahrelanger
Forschung verwerthen kann – kaum aufwiegen, selbst glänzender Vortheile, welche
mir anderwärts geboten würden, werde ich der Aussicht nachsetzen auf einer
österreichischen Universität zu lehren.
Sollte ich noch erklären, daß ich
keineswegs auf einer ordentlichen Professur bestehe, da mir ja offen und
freimüthig gesagt die rasche Verwerthung meiner Kraft und Zeit für mein
Vaterlande am Herzen liegt!
Denn in diesem Berufe lebe ich wieder auf zu
neuer Kraft und frischen Muth. Ich habe hier eine schwere Schule durchgemacht;
(freilich gewinnt man auch den dornenvollen Pfad lieb den man endlich
schrittweise gewonnen und errungen hat) – ich lehre hier seit acht Jahren, neben
den achtungswerthesten Forschern und Lehrern meines Faches, ich mußte als
Fremder Schritt für Schritt den Boden gewinnen, ich hatte die schwere Aufgabe
die Gabe des Vortrags und der Methode bei meinen Zuhörern zu bewähren!
In
dieser Zeit der schweren Arbeit habe ich manches errungen, was ich als
nützlichen Gewinn mit in mein Vaterland bringe, das nach so langen Lehr- und
Wanderjahren, immer mehr zum Herzen spricht, und Liebe und Hingebung für die
Sache kann auch im Lehrerberuf allein frommen. Sollte noch immer ein Fehltritt,
der betrachtet und verglichen mit meiner Vergangenheit und meinem nachmaligen
Benehmen doch nur, im schlimmsten Falle, als eine vereinzelte Verirrung
erscheint, sollte das noch immer als Hindernis meines Lebensschicksals sein,
sollte dieses Verhalten nicht gesühnt sein durch eine fast acht jährige
Entfernung aus meiner Heimat und was noch härter ist durch so langes Entbehren
einer Wirksamkeit für ein so bestimmt gestecktes Lebensziel.
Kaum wage ich
es weiter in einem Tone zu sprechen, welchen nur die Wärme des Gefühles und das
bewegte Gemüth rechtfertigen kann und nur die hohe Einsicht und milde
Beurtheilung Eurer Excellenz entschuldigen dürfte.
Euer hochgräflich Gnaden des gnädigsten Herrn Ministers ergebenster
Dr. Emil
F. Roessler
aus Brüx [Most] in Böhmen
Göttingen, am 20. Juni 1857