Justin Linde an Leo Thun
Dreis, 10. Oktober 1855
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Regest

Der hessische Staatsrat Justin Linde informiert Leo Thun in einigen Personalfragen und bittet ihn um einen Gefallen für seinen Sohn. Zunächst entschuldigt sich Linde jedoch, dass er so lange nicht geschrieben hat. Der Grund für sein Zögern lag darin, dass er bisher keine Informationen zu den von Thun genannten Personen einziehen konnte. Er bedauert dies zutiefst und will es sobald als möglich nachholen. Linde kann derzeit auch keinen anderen Kandidaten für eine Professur des Deutschen Rechts benennen. Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt will er aber auch in dieser Angelegenheit weitere Erkundigungen anstellen. Linde betont dann, dass man in Deutschland sehr gespannt auf den Inhalt des kürzlich abgeschlossenen Konkordats sei. Aus der Sicht von Linde wird das Konkordat das Fundament einer strahlenden Zukunft Österreichs sein. Zuletzt erbittet sich Linde noch einen Gefallen von Thun. Sein Sohn wird demnächst die Priesterweihe empfangen und Linde möchte, dass dieser anschließend in Österreich wirke. Linde wäre Thun daher sehr dankbar, wenn er seinem Sohn einen Posten vermitteln könnte. Linde glaubt, dass sein Sohn am besten im persönlichen Dienst eines Bischofs aufgehoben wäre.

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Edierter Text

Dreis bei Wittlich, den 10. Oktober 1855

Euer Excellenz,

Sehr schätzbares Schreiben vom 11. vorigen Monats1 hatte ich hier, wohin es mir von Frankfurt nachgesendet wurde, und wo ich mich während den Bundestagsferien befinde, zu empfangen die Ehre. Da ich wegen der Entfernung von Hanau mich persönlich nicht nach Herrn Schell erkundigen konnte, so habe ich es brieflich gethan; aber bis jetzt keine Nachricht bekommen; wahrscheinlich, weil die Person, an die ich mich wandte, verreist ist. Ich werde nun wahrscheinlich vor Ende dieses Monats nichts sicheres erfahren. Gegen Ende dieses Monats gedenke ich nach Frankfurt zurückzugehen und werde, wenn es denn noch Interesse für Euer Excellenz hat, selbst nach Hanau gehen, um zugleich an Ort und Stelle die Person und deren Verhältnisse mit eigenen Augen ansehen, wo ich ein zuverlässiges Urtheil zu fällen, hoffentlich in den Stand komme. Es ist mir wahrhaft leid, daß ich diesen Auftrag nicht schneller und besser erledigen konnte; aber ich darf versichern, daß es mir nicht möglich war.
Für einen Vertreter des deutschen Rechts weiß ich zwar einige jüngere Personen, die vollkommen qualifizirt sind, die aber bisher nicht die Absicht hatten, die academische Laufbahn zu betreten. Nach meiner Rückkehr in Frankfurt werde ich Gelegenheit haben darüber und über Philologen noch nähere Notizen einzuziehen, und nicht verfehlen, Hochderselben das Resultat meiner Nachforschungen dann mitzutheilen. Wenn Hochderselben nur die Orte, wo die Anstellungen in Aussicht stehen, und die Bedingungen etwas näher anzugeben geneigen sollten, dann wäre damit für die zu treffende Wahl wohl Manches gewonnen.
Man ist in Deutschland sehr gespannt auf den Inhalt des österreichischen Concordats, was bezüglich dieser Verhältnisse sehr maaßgebend seyn wird. Ich selbst warte mit Sehnsucht auf die Veröffentlichung. Euer Excellenz haben darin ein großes Werk zum Abschlusse gebracht, das wohl mit der Hauptpfeiler der Zukunft des Kaiserstaats seyn wird. Die Aufgabe ist, nach ihrer Bedeutung bemessen, doch in verhältnismäßig kurzer Zeit zur Lösung geführt.
Erlauben Euer Excellenz bei dieser Gelegenheit einen mich persönlich betreffenden Gegenstand vorzutragen. Mein ältester Sohn, gesunder Körper und Geist, widmet sich dem geistlichen Stande und wird wahrscheinlich nach Ablauf eines Jahres die Priesterweihe empfangen. Ich hege den Wunsch, daß er in dem Kaiserstaate der Kirche diene, bin dort aber ohne alle dahin führende Verbindungen und Anknüpfungsmittel; und deshalb wäre es mir eine große Beruhigung, wenn Euer Excellenz in der Lage wären, und für mich das gnädige Wohlwollen hätten, mir zur Erfüllung dieses Wunsches eine Aussicht zu eröffnen. Als Vater darf ich zunächst bezüglich der Persönlichkeit meines Sohnes nur so viel versichern, daß ich die Überzeugung hege, daß er meiner Verwendung für ihn, zuversichtlich in jeder Beziehung Ehre machen wird. Da mein Sohn neben der theologischen Bildung auch eine allgemeine wissenschaftliche besitzt, so wäre es ihm wie mir am liebsten, wenn er in unmittelbarer Nähe eines Bischofes eine Verwendung finden könnte, wozu er sich durch seine äußere Bildung und übrige Persönlichkeit ebenfalls qualifizirt, in welcher Hinsicht vielleicht auch die Concurrenz dort gegenwärtig nicht zu groß ist. Euer Excellenz würde mich recht glücklich machen, wenn mir dazu eine Aussicht eröffnet werden könnte.
Mit dem Ausdrucke unbegrenzter Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn

Euer Excellenz gehorsamster
J. v. Linde