Karl Wolkenstein an Leo Thun
o. O., o. D. [1851] 1
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Regest

Karl Wolkenstein berichtet Leo Thun von einer Unterredung mit Felix Schwarzenberg. Leo Thun hatte Wolkenstein nämlich für den Reichsrat vorgeschlagen und Schwarzenberg hatte ihn daraufhin zu einer Unterredung gebeten. In dieser hatte der Ministerpräsident Wolkenstein einen Sitz im Reichsrat angeboten und Auskunft über seine Position zu diesem Gremium gebeten. Außerdem wollte Schwarzenberg wissen, wie er sich im Reichsrat verhalten würde und wie er die Zukunft desselben einschätze. Wolkenstein versichert Thun indes, dass er kein öffentliches Amt anstrebe. Außerdem äußert er sich sehr skeptisch gegenüber der neuen politischen Ordnung und den damit geschaffenen Institutionen.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

<1851
Gleich als es sich um Aktivirung des (ständigen) Reichsrathes handelte, empfahl ich Wolkenstein dem Fürsten Schwarzenberg. W[olkenstein] wurde gerufen und hatte eine Unterredung mit ihm.
Nach derselben übergab er mir diesen Ausdruck seiner Gedanken als Antwort auf die in jener Unterredung angeregten Fragen.>2

Ich suche und wünsche keine öffentliche Stellung. Ob meine Kräfte für eine derartige Stellung ausreichen, muß ich anheimstellen. Verlangt einer meine Dienste, so halte ich mich für verpflichtet zu leisten, was ich vermag, wenn anders die Stellung der Art ist, daß sie nach meiner Überzeugung zum Guten beytragen kann.
Was der R[eichs] R[at] seyn werde, ist mir nicht näher bekannt – ich hege jedoch zu Baron Kübeck das Vertrauen, daß er keiner todten oder unfruchtbaren Schöpfung seinen Namen leihen werde.
Um die Frage zu beantworten, ob ich von der Absicht ausgehen würde, das Ministerium zu sprengen oder auf die Entfernung einzelner den Conservativen unliebsamer Persönlichkeiten hinzuwirken, müßte ich Substrate haben, die mir fehlen. Ich muß mir daher die volle Freyheit des Handelns nach meiner Überzeugung vermehren.
Gewinne ich bey völliger Kenntnis der Sachlage die Überzeugung, daß die dermaligen Leiter die Geeignetsten seyen, das Vaterland zu erhalten und dessen Wohlfahrt zu fördern, so würden mich keine persönlichen Gefühle bestimmen entgegenzutreten – gewinne ich die entgegengesetzte Überzeugung, so müßte ich den entgegengesetzten Weg gehen.3
So weit meine gegenwärtige Auffassung reicht, hat man ohne Nothwendigkeit viele Institutionen in das Leben eingeführt, welche die Revolution in ihrem Interesse verlangt hat und ohne Zweifel in ihrem Interesse ausbeuten wird. Wie man das remedieren will, ist mir unbekannt.
Gienge die Politik dahin in der Weise [?] die Revolution und ihre Consequenzen ostensibel anzuerkennen und sie subreptitie wieder zu neutralisieren – bey Tag Unkraut zu säen und es bey der Nacht wieder auszurotten – so kann ich mir darin nichts Gutes versprechen.
Geht man auf eine Art napoleonischen Imperialismus ab – will man neben den sogenannten Errungenschaften Gleichheit, Geschworene, freye Gemeinde etc. in der That einen praktischen Despotismus üben – so kann ich dem trotz äußeren Glanzes und des Scheines von Kraft keine Dauer beymessen.
Möge die Kraft darin sich bemühen, daß man offen auftritt und ehrlich erklärt – nicht alles habe Berechtigung, was man im Rausche verlangt und in der Schwäche versprochen oder gewährt hat, sondern nur dasjenige, was auf erprobten Bedürfnissen beruht, und das war in den Ländern, die ich kenne, in der That nicht viel.
Der bisherige Gang der Dinge, soweit ich ihn nach deren Thatsachen zu beurtheilen vermag, ist daher kein solcher, der mir erlaubte, jene Fragen im vorhinein zu verneinen. Geben die Persönlichkeiten der Gewalthaber jene Garantie, um eine solche Verneinung zu begründen?