Mathias Roczek berichtet Leo Thun über die Situation des Volksschulwesens in Böhmen. Zunächst schreibt er jedoch, dass er in einem Zeitungsartikel zur Petition der slawischen Reichstagsdeputierten, in der im Jahr 1848 eine provisorische Dotierung der Volksschullehrer gefordert worden war, Stellung genommen habe. Die Reichstagsdeputierten hatten mit Hinweis auf das große Elend der Lehrer eine Bezahlung der Lehrer durch die Schüler gefordert. Diese überzeichnete Darstellung der Situation hat Roczek in seinem Zeitungsartikel vehement zurückgewiesen und die Reichstagsdeputierten somit zum Schweigen gebracht. Roczek betont, dass er die Anschuldigungen als einen Affront gegen das Unterrichtsministerium betrachtet habe. Besagter Zeitungsartikel aus der Constitutionellen Allgemeinen Zeitung von Böhmen vom 6. Januar 1849 ist dem Brief beigelegt. In der Folge schildert Roczek dem Minister aber seinerseits die unhaltbaren Zustände des Schulwesens in Böhmen. Er legt dabei besondere Beachtung auf die Situation in den tschechischen Schulgemeinden und bringt eine Menge an Kritik vor. Diese bezieht sich auf die schlechte Ausbildung der Lehrer, die hohe Zahl an Schülern und – damit verbunden – die Überlastung der jüngeren Schüler. Ein weiteres Übel ist aus seiner Sicht die geringe Besoldung der Lehrer und die grundsätzlich schlechte Ausstattung der Schulen. Seiner Meinung nach wäre eine Verbesserung des Volksschulunterrichtes auf dem Land daher dringend notwendig. Er glaubt, dass dazu einerseits die Ausbildung der Lehrer verbessert werden müsste, andererseits sollte jüngeren Kindern unter acht Jahren in den Gemeinden Privatunterricht erteilt werden, um sie auf den Besuch der Volksschule vorzubereiten und ihnen den mühsamen weiten Weg in die größeren Gemeinden zu ersparen. Die Einrichtung von Schulfonds soll gewährleisten, dass die Umsetzung der Reformen sichergestellt werden kann.
Beilage: Zeitungsartikel aus der Constitutionellen Allgemeinen Zeitung von Böhmen vom 6. Januar 1849, Nr. 5, S. 18.
Euere Excellenz!
Als im Dezember 1848 die slawischen Reichtagsdeputirten dem Hohen k.k.
Ministerium des Unterrichts eine Petition unterbreitet [haben], worin sie unter
Darstellung des höchsten Elends und der Hungersnoth der Schullehrer auf dem
Lande, um die provisorische Dotirung eines jeden Lehrers mit 200 fl KM und eines
jeden Schulgehilfen mit 100 fl CM von Seite der eingeschulten Kontribuenten
gebethen [haben], habe ich unter beweisvoller Widerlegung der vorgebrachten
Gründe, nämlich der Noth, des höchsten Elends und des den Schullehrern drohenden
Hungertodes in Bezug auf die vaterländischen Schulen überhaupt, in Bezug auf die
Schulen der Staatsherrschaft Pardubitz insbesondere, in
die constitutionelle allgemeine Zeitung von Böhmen, namentlich
in das hier zuliegende Blatt vom 6. Jänner 1849 Nr. 5 Seite 18 bei dem Artikel
Pardubitz einen Aufsatz einrücken lassen, wo ich
wegen dieser offenbaren Behelligung des Hohen Ministeriums und wegen
Herabwürdigung der Nazion, vorzüglich die Reichstagsdeputirten des Pardubitzer Bezirks, nämlich Wenzel Pulpan [Půlpán] und Franz Placzek [Plaček], zur Rede gestellt habe
und worauf die lügenhaften Beschwerden im Allgemeinen zum Schweigen gebracht
worden sind. Nicht mehr war es meine Absicht dieser Sache weiterhin zu erwähnen,
als ich Euere Excellenz als den Lenker unseres Unterrichtswesens erblickte, da
ich überzeugt bin, daß Höchstdieselben mit allen Verhältnissen des Vaterlandes
genau bekannt im Stande sind, mit Ausschluß jeder unberufenen fremden Einwirkung
allen wahrhaften Klagen und Beschwerden abzuhelfen. Nachdem aber in den meisten
Journalen wiederhohlt Stimmen erschallen, die das Dotationsthema fast auf eine
verletzende Art auf die Bahn bringen, so beschloß ich, meine auf eigene
Erfahrungen gegründeten Ansichten in Bezug auf das Schulwesen in Böhmen, vorzüglich aber in Bezug auf die czechischen
Schulgemeinden Euerer Excellenz in aller Ehrfurcht mitzutheilen, wovon
Höchstdieselben allenfalls einige Gedanken gnädigst benützen dürften, wobei ich
um die gnädigste Geheimhaltung meines Namens und um die Vertilgung der Beilage
bitte.
Die Erziehung des Volkes und vor allem des Landmanns ist allerdings
über alles wichtig, und nur Euer Excellenz als der edelste Vaterlandsfreund sind
im Stande eine gedrückte Menschenklasse, die im Schweiße der Mühseligkeiten ihr
Brod erwirbt, zu einer Würde zu erheben, nach welcher sie besonders in diesem
Augenblicke, wo sie den Banden der Unterthänigkeit entlediget worden, anstrebt.
Es ist über die Reformazion der Volksschulen ungemein viel geschrieben worden,
allein die Klagen, Beschwerden und die Vorschläge denselben abzuhelfen,
beschränken sich hauptsächlich nur auf die Dotation der Schullehrer, diese zu
heben ist der allgemeine Wunsch, wie aber der Lehrer und der Schüler auf dem
Lande gebildet werden soll, darüber sind bisher nur dunkle und planlose Artikel
hin und wieder erschienen.
Ich will erst versuchen, das Bild eines Lehrers
und seiner Schüler an einer czechischen Dorfschule zu entwerfen - dasselbe
gleicht einem Pasquil – es ist aber bei Gott! nach der Natur gezeichnet.
Der
Jüngling in einer Dorfgemeinde geboren, der sich dem Schulamte widmen will,
besucht die Ortsschule, dort lernt er nothdürftig lesen und schreiben, und
nebenbei betreibt er mit aller Energie die Musik, diese ist das Hauptpostulat,
litterärische Kenntnisse sind eigentlich blos nur Nebensachen eines
Dorfschullehrers. Hat so ein Jüngling nicht die Gelegenheit die dritte oder
höchstens die vierte Hauptschulklasse auf der nächsten Hauptschule zu besuchen,
so meldet er sich sowohl im bejahenden als auch im entgegengesetzten Falle an
einer Landhauptschule als Schulamtskandidat an, dort wohnt er dem Unterrichte
für die Schulamtskandidaten durch ein halbes – ist durch ein ganzes Jahr bei,
wird als Gehilfe, - ist als Unterlehrer attestirt, als solcher an einer
Trivialschule alsogleich unter[ge]bracht, und nachdem er in der möglichsten
Kürtze bei der Diecösenschulenoberaufsicht einige theoretische Fragen
beantwortet und einige praktische Auftritte gemacht hat, was man die
Konkursprüfung nennt, so wird sein Zeugnis mit dem Beisatze adjustirt, er seye
fähig als Lehrer in Vorschlag gebracht zu werden. Hat so ein Kandidat Geld oder
Protekzion, so wird er auch sehr bald Lehrer, und so ist der Zutritt zu keinem
Amte, zu keinem Handwerke leichter, als zu jenem eines Landschullehrers.
Derselbe ist zwar in der Orgelhudelei so ziemlich geübt, ob er aber lesen,
korrekt schreiben, einen schriftlichen Aufsatz bewerkstelligen kann, ob er von
der Geographie, von der Vaterlandsgeschichte, von der Landwirtschaft einen
Begriff hat, darüber fragt Niemand nach. Man lehrt, wie man gelernt hat, ehe das
Gelernte vollkommen Eigenthum des Lehrenden wird, und das ist allerdings sehr
leicht. Der Lehrer an der Hauptschule war nachsichtig, und was kann man auch
innerhalb des halb- oder allenfalls eines ganzjährigen Präparandenkurses, bei
der so rohen Vorbereitung in der Dorfschule gelernt haben. So ungebildet sind
die meisten Schullehrer an den czechischen Trivial und Pfarrschulen. Was wird es
also nützen, wenn die Congrua eines solchen Lehrers von 130 fl CM und jene des
Schulgehilfen von 70 fl CM auch um das Dreifache erhöht werden wird? Wird dafür
der Abgang an Fähigkeiten zum Lehramte erkauft?
Ein solcher Lehrer hat um
100 bis 150 und hin und wieder noch mehr Kinder ganz allein in einer einzigen
Klasse zu unterrichten. Kleine Geschöpfe in dem Alter von 5 bis 6 Jahren kommen
aus den eingeschulten Dorfsgemeinden in Winterszeit in die Schule, sie haben auf
dem Wege wenigstens eine halbe Stunde zugebracht, der Lehrer ist aber nicht zu
Hause, er ist als Regenschori entweder bei einer Begräbnis oder als Meßner bei
einer Kindstaufe in der Kirche, während welcher Zeit ein größerer Schulknabe,
der sich gewöhnlich dem Schulamte widmen will, die bösen Buben mit der Kreide
auf der Tafel anmerkt. Endlich ist der Chor- oder Meßnerdienst vollbracht. Der
Lehrer erscheint in der Schule, hält zuerst Gericht über die an der Tafel
angemerkten Kinder, sodann die Execution und eröffnet nicht selten um die 10.
Morgenstunde mit dem veni sancte sein Amt. Es wird allenfalls buchstabirt,
gelesen, und so ist die Mittagsstunde herangerückt, ohne daß wenigstens an die
Hälfte der Schüler nur eine einzige Frage gestellt worden. Nachmittag beginnt
abermals der Unterricht, es wird geschrieben, katechisirt, etwas gerechnet, und
immer bleibt die größere Zahl von Kindern unbeschäftigt. Bei der Tageskürtze zu
Winterszeit müssen die Kinder aus der Schule bald entlassen werden, und so
zappeln die armen zarten Würmer in Kälte und Schneegestöber wieder nach Hause,
ohne auch nur das Geringste profitirt zu haben. Überzeugen Sich Euere Excellenz
an einem beliebigen Faschingsmontag in den Morgenstunden auf einmal plötzlich
durch Vertraute von den unverantwortlichsten Unordnungen in einigen czechischen
Schulen, deren mehrere ich in meiner Umgebung nennen wollte. Man findet den
Lehrer selten auf seinem Platze, und wenn er wirklich da ist, so ist er nach
einer liederlich zugebrachten Nacht zur Ertheilung des Unterrichts gänzlich
unfähig.
Mitte Mais oder Anfangs Juni bleiben die Bauernkinder von der
Schule ganz aus, indem die Eltern ihre Kinder zu Hause nützlicher zu verwenden
glauben als in der Schule, und dem Lehrer ist es ganz recht, weil er sich fast
durch vier Monate gar nicht zu bemühen braucht, außer der Einübung einiger
Antworten auf die Prüfungsfragen, die einem jeden Kinde voraus bekannt
sind.
Diese Schulwanderung dauert bis zu dem vollendeten 12. Lebensjahre des
Schülers, und dann übertritt derselbe entweder zu einem Gewerbe oder zur
Landwirtschaft, und mit zwanzig Jahren wird er Reichsbürger.
Tiefere
Untersuchungen der herrschenden Unfüge bei dem Unterrichte der Bauernkinder thun
dem Menschenfreunde weh, und wehmüthige Empfindungen ergreifen jeden
gefühlvollen Menschen bei Betrachtung dieses schändlichen Schlendrians!
Wie
ganz anders verhält es sich mit den Juden und den akatholischen Kindern, für
welche auf dem Lande selten Schulen bestehen. Selbst der gemeinste Pinckeljude,
der als Hausierer die ganze Woche durch in der Welt umherirrt, unterhält für
seine Kinder einen Hauslehrer, den er beköstiget, ihm jede Woche einige Gulden
bezahlt und nebstbei dem katholischen Lehrer das Schulgeld entrichten muß. Das
Judenkind erlernt nebst seinen weitwendigen hebräischen Gebethen, die böhmische,
deutsche, jüdische und hebräische Schrift, die Grundsätze seines Glaubens, und
so lebt das Judenkind zehn Jahre früher als das Christenkind vom gleichen Alter,
übersieht das leztere in allen möglichen Fällen und deswegen die allgemeinen
Klagen, daß der Jude den Christen bei jeder Gelegenheit überlistet.
Das
akatholische Kind besucht zwar die katholische Schule, allein den
Religionsunterricht, der dem katholischen Schüler den größten Theil seiner
Jugend raubt, genießt es in dem Hause seiner Eltern. Ist die Zeit der
Confirmation herangerückt, so verfügt sich das akatholische Kind auf einige
Wochen zu dem Geistlichen seiner Confession, und wer wird es in Abrede stellen,
daß die so gebildeten Akatholiken die redlichsten Menschen, die besten
Staatsbürger sind?
Diesem nach wäre es hoch an der Zeit, daß so rasch als
nur immer möglich, für frische Lehrkräfte gesorgt werde, allein allmählig und
nicht plötzlich ist ein solcher Übergang möglich, weil eines Theils für unsere
Neuzeit tüchtig gebildete Pedagogen nicht vorhanden sind, und weil anderen
Theils der Staat bei seinen erschöpften Finanzkräften auf die Umstellung der
Volksschulen keine großen Opfer bringen kann.
Bei dem Absterben der
dermaligen Volkslehrer können die erledigt gewordenen und erledigt werdenden
Schulämter an junge fähige und tüchtige Männer provisorisch verliehen werden. Derlei Ehrenmänner, die
durch eigenes Zuthun und durch ihren Privatfleiß sich für das Schulamt selbst
herangebildet, sind zur Ehre der Menschheit im Vaterlande noch zu finden.
Entspricht ein derartiger Schulprovisor den Erwartungen nicht, so kann er ja von
seinem Posten alsogleich entfernt werden. Bestehet eben derselbe bei zwei oder
dreimal im Jahre unter den Augen der Öffentlichkeit vorzunehmenden Prüfungen,
dann möge er an dieser oder an einer allenfalls auch geringer dotirten Schule
deffinitiv angestellt werden. Man habe einen so ausgezeichneten Schulmann immer
unter den Augen, überfalle ihn auch nach seiner deffinitiven Anstellung, man
befördere ihn ungebethen vom Amtswegen und stelle ihn in den vaterländischen
Zeitungsblättern seinen Amtsbrüdern zum Muster dar.
Ein solches Individuum,
welches nach dem dermaligen System allenfalls erst in seinem höher vorgerückten
Alter zu einer solchen Anstellung zu gelangen hoffen konnte, wird aus dankbarer
Anerkennung alle seine Kräfte aufbiethen, um den Erwartungen zu entsprechen, und
er wird sich auch mit der dermaligen Congrua einstweilen dankbar begnügen. In
der hieramtigen Umgebung, und zwar in den Städten
Bohdanetsch, Hrochowteinitz,
Oberjelleni [Oberjeleni], im Dorfe
Hostowitz, sind kürtzlich die Lehrer mit Tode
abgegangen. Die drei lezteren haben sich viele Jahre durch mit dem Unterrichte
gar nicht befaßt, und so wäre für diese besser dotirten Schulen in diesen
volkreichen Ortschaften die Bestellung eines gebildeten Lehrers ein
unerläßliches Postulat. Allein, es ist mir gelungen, den Besetzungsvorschlag für
eine dieser Schulen einzusehen, wo ich unter den Kompetenten leider Gott!
mehrere Musikanten aber keine Schulmänner bemerkt habe, und da die Competenten
in dem vikariatämtlichen Besetzungsvorschlage nach ihrem Dienstalter angeführt
erscheinen, so ist es fast gewiß, daß das Consistorium einen der ersteren zur
Präsentation vorschlagen wird.
Weiters wären alle Lehrer an den Landschulen,
statt denen ein Personalgehilfe das Amt versieht, so
wie alle alten ganz unfähigen Lehrer, die sich mit dem Unterrichte persönlich
nicht befassen, mit ihrer ganzen Dotazion zu pensioniren. Langt der
Landesschulfond zu dieser Auslage nicht hin, so möge man dann zu Repartizionen
schreiten, nicht aber nach dem Lieblingssysteme, nämlich nach dem Steuergulden,
sondern nach dem Einkommen der Landesbewohner, denn wie kommt der wohlhabende unbegütterte Familienvater dazu, daß der
verschuldete kinderlose Grundbesitzer für den ersteren die Anlagen auf die
Schule bestreiten sollte?
Auch solche Schulen besetze man mit jungen
Talentmännern, provisorisch, mit Festsetzung einer zu
bestimmenden Prüfungszeit und mit der Anwartschaft auf die deffinitive
Anstellung.
Betreffend die Bildung der Lehrer, darüber sind ohnehin
Vorkehrungen vorhanden, welche die Nothwendigkeit aller Vorschläge ausschließen,
nur möge man bei den Jünglingen, die sich dem Schulamte widmen wollen, auf ihre
Vorbildung, bevor sie die pedagogische Pflanzschule betretten, sehen, denn daß
der Klient vor dem Eintritte in die pedagogische Anstalt die beiden 4. Klassen
der Hauptschule absolvirt hatte, dies halte ich für dieses hochwichtige Amt für
eine ungenügende Vorbildung. Einem schlechten Studenten verwehre man zu dem
Schulamte durchaus den Zutritt, denn, da solche Individuen dermal bei den
Wirtschaftsämtern keine Zuflucht finden, so werden sie gewiß bei der Schule ihr
Glück suchen, da die Schule zur Staatsanstalt erhoben, ihnen zu ihrer
anständigen Versorgung Aussichten eröffnen dürfte. Sofort dürfte der
pedagogische Kurs auf längere Zeit ausgedehnt und nicht auf ein Jahr beschränkt
werden.
Auch sollte man auf die körperlichen Umstände des Zöglings sehen und
die mit Leibesgebrechen behafteten Individuen zum Präparandenkurse gar nicht
zulassen. So z. B. kenne ich einen vor mehreren Jahren an der Pardubitzer Hauptschule attestirten Kandidaten.
Derselbe ist so kurzsichtig, daß er einen Menschen,
dem er begegnet, gar nicht erkennt, er ist schon das zweite Jahr an der
Hauptschule zu Budetz, um sich zu vervollkommnen, allein
ich glaube, man werde ihn auch dieses Jahr für einen Lehrer kaum fähig erklären.
Derselbe ist daher physisch und moralisch zum Schulamte untauglich, weswegen er
ganz unnöthig dem Staate zur Last fallen dürfte.
Giebt es etwa in
Böhmen nicht mehrere derlei Kandidaten? Ganz
gewiß!
Übrigens wären alle Choral- und Meßnerdienste mit einstweiligen
Ausschluß des Orgelspiels bei dem hohen Gottesdienste vom Schulamte ganz zu
trennen, und dem Lehrer wäre der fassionsmäßige Stolaertrag aus welch immer
Quelle einstweilen zu vergütten, weil der Chor- und Meßnerdienst auf das
Schulamt höchst verderblich einwirkt.
Die Landschulen im Durchschnitte mehr
als zur Hälfte sind mit gar zu kleinen Kindern von 5 - 6 bis von 8 Jahren
überfüllt, in den meisten findet man 130 und mehr Schüler.
Wie ist es also
möglich, daß ein einziger Lehrer eine so große Masse von Schülern aller
Altersklassen befriedigen könnte? Sollte es nicht ersprießlicher seyn, wenn die
Kinder unter acht Jahren häuslich in jeder einzelnen Gemeinde, die Kinder vom
angehenden neunten Lebensjahre in der öffentlichen Schule unterrichtet werden?
Die ersteren wären dadurch einer anstrengenden völlig nutzlosen Schulwanderung
für mehrere Jahre enthoben, und welcher Fortgang wäre bei den lezteren zu
erwarten, wenn der Lehrer sich mit ihnen ganz allein ohne aller Störung
beschäftigen könnte!
Der Adel und andere vermögende Familien haben bisher
ihren Kindern durch Privatlehrer den Unterricht ertheilen lassen, warum sollte
einer jeden Gemeinde die Haltung eines
Privatlehrers für die Kinder unter 8 Jahren nicht gestattet seyn?
Ich
glaube, daß zur Haltung eines Privatlehrers für diese Schülerklasse eine jede
Gemeinde vielmehr verpflichtet und ein jeder Familienvater verbindlich gemacht
werden sollte, sein Kind vor dem Eintritte in die
öffentliche Volksschule so weit gebracht zu haben, daß dasselbe lesen,
etwas schreiben, das Einmahleins rezitiren und bethen kann. Und zur Ertheilung
eines solchen Privatunterrichts braucht man keine geprüften Lehrer, sondern bloß
nur wohlverhaltene Männer, und sollten sich geprüfte Anwärter für das Schulamt
in größeren Gemeinden hiezu verwenden und einen vorzüglichen Fortgang ihrer
Schüler vor der Öffentlichkeit bei einer freiwilligen Prüfung zeigen lassen
wollen, so dürfte ihm dies als ein besonderes Verdienst angerechnet und er bei
der nächsten Opertur zum öffentlichen Schuldienst verwendet werden. Auf das
Erhaltungs- und Besoldungsverhältnis des Privatlehrers von Seite der Gemeinde
hätte der Staat keinen Einfluß zu nehmen, lediglich dürften die Seelsorger bei
Gelegenheit der Christenlehren und die Volkslehrer des Bezirks in den Ferial-
oder Sonn- und Feyertagen sich von dem Fortgange ihrer künftigen Schüler in den
Gemeinden zu überzeugen [sic!].
Alle zwei Jahre hätte der Volkslehrer mit
den Privatschülern aller Gemeinden eine öffentliche Prüfung zu veranstalten und
diejenigen, die das siebente und achte Lebensjahr überschritten haben, in die
Volksschule zu übernehmen.
Da der Schüler in den langen Sommertagen die
größten Fortschritte machen kann, so möge nie gestattet werden, daß derselbe je
von der Schule ausbleibt. Das Strickweiden und das sittenverderbliche Hüthen des
Viehs auf den Gemeindhutweiden durch die schulpflichtigen Kinder möge ja strenge
verpönt werden, so wie jedes ungerechtfertigte Ausbleiben eines Kindes von der
Schule, indem der Landmann bei der izt behobenen Robot, auf die Erhaltung eines
Privatlehrers für seine eigenen Kinder manches opfern und seine größeren Kinder
der sie schändenden Viehweide entziehen kann.
Überhaupt wäre die Ausführung
der schon oftmahl gesetzlich anbefohlenen Aufreißung der Gemeindhutweiden oder
ihrer Umstaltung in Wiesen durch den Herrn Minister des Ackerbaues strenger zu
verfügen, wonach die Stallfütterung allgemein eingeführt und das Weiden
eingestellt werden würde.
Endlich muß ich noch bemerken, daß die Schulzimmer
in den Landschulen zu ungeräumig, die Schulgebäude hin und wieder im höchst
elenden Zustande sind, und dies ist meisten Theils auf dem allerhöchsten
Patronate z.B. auf der Staatsherrschaft Pardubitz in
meiner Umgebung der Fall. Euere Excellenz finden hier über 20 Schulen, wo die
Kinder wie die Häringe aneinander gepreßt sind, wo die hölzernen Schulgebäude
vom Zahne der Zeit angegriffen, nur zu bald eingehen und ganz neu hergestellt
werden müssen.
Ein gebildeter Mann wird abgeschreckt, in ein so
feuergefährliches, ungeräumiges Gebäude einzuziehen!
Der Abfall der
Stollgebühren [sic!, Stolgebühren] und des Schulgeldes von den häuslich zu
unterrichtenden Kindern, müßte dem Bezirkslehrer vergüttet und auf die Pension
und die Schulgebäude müssen enorme Geldsummen verwendet werden. Ein Geldbedarf
schon im ersten Augenblicke über alle Begriffe! Allein ich glaube, eine mäßige
Charakteursteuer auf alle Landesbewohner, die der Landmann ernährt, dürfte zur
Bildung eines für alle diese Bedürfnisse erforderlichen Fondes vom Lande nicht
verweigert werden können.
Euere Excellenz werden allergnädigst vergeben,
wenn ich es gewagt habe, meine Bemerkungen hier so freimüthig niederzuschreiben,
in welcher Beziehung ich noch weiter fortfahren könnte, wenn ich nicht
befürchten sollte, Höchstdero Geduld zu ermüden, weswegen ich für dermal
schließe und mich in verpflichteter Ehrfurcht zeichne
Euerer Excellenz
ganz unterthäniger Diener
Mathias Roczek, Grundbesitzer
Drožditz, Post Pardubitz, den 2. Jänner 1850