Joseph Mozart, Sektionsrat im MCU, rechtfertigt das Vorgehen der
Redaktion der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien bei der
Rezension eines Buches von Václav Tomek. Zunächst betont er, dass die
Redaktion nicht davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass es eine
zweite Ausgabe des Buches gäbe, die als offizielles Lehrbuch empfohlen
worden war. In Unkenntnis dieser hatte die Zeitschrift die erste,
falsche Ausgabe rezensiert. Die Schuld sieht er aber weniger bei der
Redaktion selbst, als vielmehr im Versäumnis des Ministeriums, die erste
Ausgabe vollständig einzuziehen und die zweite bekannt zu machen. Mozart
versichert dem Minister außerdem, dass die Suche nach einem geeigneten
Rezensenten sehr mühsam gewesen war und die Redaktion viel Mühe darauf
verwandt hatte. Mozart will nun die Richtigstellung von Seiten der
Redaktion so bald als möglich erscheinen lassen. Vor dem Druck wird er
Thun den Text derselben vorlegen. Mozart stellt sich am Ende noch einmal
vor seine Redaktionskollegen und übernimmt die volle Verantwortung für
den Fall.
Im zweiten Brief berichtet Joseph Mozart, dass er von
Unterstaatssekretär Helfert aufgefordert worden sei, eine
Richtigstellung sowie eine Gegenrezension in der Zeitschrift für die
österreichischen Gymnasien zu veröffentlichen. Erstere wird im
Wesentlichen das beinhalten, was er Thun bereits schriftlich mitteilte.
Allerdings glaubt Mozart, dass eine Gegenrezension nur noch mehr
Aufsehen erregen würde. Der Fall würde dann sicherlich hohe Wellen in
der Presse schlagen. Er rät daher von dieser Vorgehensweise ab und
schlägt zudem vor, das Ministerium vollkommen außen vor zu lassen, da
sonst ein schlechtes Licht auf alle Beteiligten fallen würde. Mozart
bittet Thun, sich hierüber so schnell als möglich zu äußern, da das
nächste Heft der Gymnasialzeitschrift bald erscheinen soll.
Unter dieser Signatur befindet sich noch ein zweiter Brief
Mozarts:
Joseph Mozart an Leo Thun. Wien,
19. September 1853.
Verweis auf A3 XXI D233.
Wien, den
Euer Excellenz!
Die strafende Zuschrift Euerer Excellenz vom 15. dieses Monats hat mich mit dem
tiefsten Schmerze erfüllt. Wie ich daraus ersehe, ist Eurer Excellenz der
wesentliche Umstand unbekannt, daß von der Existenz zweier verschieden lautender
Exemplare des Tomekschen Buches
der Redaction
auch nicht die leiseste Kunde zugekommen ist. Freilich klingt
dies unglaublich, allein ich habe die betreffenden Präsidialacten zu Zeugen, aus
denen hervorgeht, daß ich keine der mit dieser Angelegenheit zusammenhängenden
hohen Verfügungen je zu Gesicht bekommen habe. Eure Excellenz werden hieraus
ersehen, daß die Redaction ihrerseits das Recht hätte, sich ein wenig zu beklagen,
und zwar über den Mangel der hohen Unterstützung in
demjenigen Puncte, der für sie wichtiger ist, als jede Unterstützung, die dem
Buchhändler oder irgendeinem Mitarbeiter durch Bewilligung von Geldmitteln zu
Theile wird. Hätte ich auch nur eine Ahnung von der Möglichkeit gehabt, daß eine
mit den Interessen der Redaction so enge zusammenhängende Verfügung mir – vom April bis
Ende August! – vorenthalten werden könne, so würde ich vielleicht Argwohn gefaßt
haben und durch Nachforschungen zuletzt der Sache auf die Spur gekommen
sein.
Wenn ferner Eure Excellenz fragen, wie gerade jener erste Abdruck uns
in die Hand gekommen sei, so ist die Antwort einfach diese: durch die
Pflichtexemplare, die gleich bei der Herausgabe eines Buches in jede öffentliche Bibliothek abgegeben werden müssen, und die noch jetzt in jeder derselben sich befinden. Von dem
geänderten Abdrucke ist wahrscheinlich kein Pflichtexemplar
abgegeben worden.
Wenn Eure Excellenz diese beiden Umstände zusammen ins
Auge faßen, so dürfte die Sache in einem bedeutend veränderten Lichte
erscheinen. Die Redaction ist es, die irregeführt, nun von dem hohen Ministerium
ebensowol als vom Publicum angegriffen wird, denn es ist natürlich, daß sie nun
– wo es zu spät ist, und zwar zu spät
ohne
ihre Schuld – erklären muß, es sei ihr nicht bekannt gewesen, daß die empfohlene Ausgabe eine andere war als die
recensirte.
Allen Verlegenheiten wäre abgeholfen worden, wenn man entweder
die verausgabten Exemplare eingezogen und die Pflichtexemplare umgetauscht oder
wenigstens vor das empfohlene Exemplar ein Blatt mit der
Aufschrift: Schulausgabe gesetzt hätte. Daß dies nicht
geschehen ist, fällt der Redaction nicht zur Last und Eure Excellenz denken zu gerecht, um
von ihr das Unmögliche zu verlangen.
Die Anmerkungen zu Höflers Kritik sind von mir
erst während des Druckes veranlaßt worden, wo ich sie
Euerer Excellenz nicht mehr mittheilen konnte. Ich habe die Verantwortung dafür
ganz auf mich allein genommen, weil ich die Kritik drucken lassen mußte, denn hätten wir nicht Höfler vermocht sie zu
schreiben, so hätten wir keinen anderen bedeutenden
Historiker dazu bewegen können, und ich bitte meinem Worte zu glauben, daß wir
zwei Monate lang deshalb überall mit dem Schweiß auf der Stirne vergeblich
angeklopft haben, und daß der Herr Staatssecretär Unrecht hat, wenn er der Redaction Gleichgiltigkeit gegen seine Person und sein Wirken
zumuthet oder vorwirft. Anderseits wurde mir aber erst bei der
Correctur klar, es sei unmöglich, die Höflersche Kritik ohne
Anmerkungen drucken zu lassen und diese Meinung hege ich noch jetzt. Wie Eure
Excellenz damit so unzufrieden sind, kann ich schwer begreifen; Euer Excellenz
sehen vielleicht, was man etwa aus den Anmerkungen folgern kann, nicht aber, was
man ohne die Anmerkungen gefolgert hätte.
Ich glaube nur
noch beifügen zu sollen, daß ich die Berichtigung der Redaction, die in kürzester Zeit erscheinen muß, Eurer Excellenz
selbst zusenden werde, um sicher zu gehen und Eure
Excellenz nicht zu beunruhigen. Ich bitte, falls Eure Excellenz einverstanden
sind, einfach das h. vidi darunterzusetzen.
Was die übrigen Bemerkungen
betrifft, so thun sie mir besonders in Bezug auf meine Redactionscollegen leid,
weil ich fortwährend Zeuge ihrer wahrhaft aufopfernden Thätigkeit bin. Was mich
selbst betrifft, so habe ich ja nie den geringsten Vortheil, nicht einmal eine
flüchtige Bezeigung des Beifalls geerntet, vielmehr nur vernichtende Vorwürfe
von jener Seite, wo sie am schmerzlichsten sind, von Seite Eurer Excellenz, und
Verfolgungen von Seite des Publicums.
In tiefster Ehrerbietung
Eurer Excellenz
treu ergebener
J. Mozart
Wien, 19. September 1853
Eure Excellenz!
Ich habe nach Absendung meines ehrerbietigen Schreibens an Eure Excellenz ein
von dem Herrn
Staatssecretär unterzeichnetes Decret erhalten, worin die
Redaction unter Reassumirung aller bereits mündlich ihr
gemachten Vorwürfe angewiesen wird, a) sich über ihr Benehmen zu
rechtfertigen, b) eine Gegenrecension ins nächste Heft einzurücken.
Was
die Rechtfertigung betrifft, so besteht sie im Wesentlichen in dem, was ich
die Ehre hatte, Eurer Excellenz schriftlich und dem Herr Staatssecretär mündlich
mitzutheilen. Ich werde es nochmals schriftlich sagen, da ich dazu
aufgefordert bin.
Die eigentliche Frage, wie der entstandenen
Angelegenheit abzuhelfen sei, ist durch die Erwiederung der Redaction nicht
gelöst. Noch viel weniger aber ist durch die Aufnahme einer Gegenrecension
geholfen. Erstlich ist eine solche Recension nur die Ansicht eines
Einzelnen, die vielleicht eine Menge gegentheiliger Ansichten anderer
Zeitschriften erst hervorruft und zu neuen Erklärungen nöthigt. Dadurch wird
erst das Aufsehen recht groß, wenn das Ganze auf das Gebiet der
literarischen Fehden gezogen wird, wo sich nie im Voraus berechnen läßt,
wohin die Sache führt und wo sie ihr Ende erreichen wird. Abgesehen hievon
muß der Aufsatz unterzeichnet sein, denn die namentliche
Unterzeichnung jedes Aufsatzes und jeder Recension ist eine von der Redaction eingegangene Verpflichtung. Wer
wird nun die angekündigte Gegenrecension unterschreiben? Das hohe Ministerium?
Dann wird die Recension wenig nützen. Irgend sonst wer? Dann müßte es ein
Mann von literarischer Autorität sein, sonst tritt derselbe Fall
ein.
Mir scheint die ganze Sache sehr leicht lösbar und durchaus nicht
mit den Schwierigkeiten verknüpft, die von Eurer Excellenz befürchtet
werden, wenn nur das hohe Ministerium sich nicht freiwillig betheiligt, im
Gegentheile die Sache der Redaction überläßt. Die Redaction hat im nächsten Heft zu erklären, daß das Buch, das
sie beurtheilt hat, nicht das in der Schule gebrauchte
und ministeriell empfohlene ist, und zu versprechen, daß sie sich beeilen
wird, das Schulbuch (nämlich den geänderten Abdruck, der aber nicht unter
diesem Namen erscheint) zu besprechen. Diese Besprechung werden wir
veranlaßen und Eurer Excellenz vor der Veröffentlichung
mittheilen.
Setzen wir den Fall, man stellte hierauf in irgendeiner
Zeitschrift die Frage, wie es komme, daß zwei Abdrucke existiren? So würde
die
Redaction
es sein, die hierauf zu antworten
hätte, und nicht Eure Excellenz. Die Redaction würde in solchem Falle sich mit einer Frase [sic!]
helfen, z. B. nach glaubwürdigen, verläßlichen Mittheilungen ist das Buch
von dem Verfaßer zum Schulgebrauch eingerichtet worden. Selbst in dem Falle,
wenn das hohe
Unterrichtsministerium sich zu einer Äußerung veranlaßt fände,
so würde sie sich darauf beschränken, daß die Redaction der Zeitschrift nicht das Schulbuch besprochen habe
und daß sie bereits angewiesen worden sei, dieses zu
besprechen und die weiteren Erklärungen zu geben. Damit ist die Sache
abgethan; die Redaction wird sicher sich heraushelfen und das Ministerium ist
nicht genöthigt, hervorzutreten und persönlich zu antworten. Dadurch wird
das Aufsehen vermieden, während es befördert wird, wenn man einen anderen Weg einschlägt.
Da das
nächste Heft bald erscheinen soll, bitte ich um eine gnädige Andeutung
hierüber.
In tiefster Ehrfurcht
Eurer Excellenz
treugehorsamer
J. Mozart