Der Historiker Constantin Höfler übersendet dem Minister den ersten Band seines jüngsten Werks. Außerdem teilt er ihm mit, dass der erste Band aus der Reihe der Fontes rerum Austriacarum demnächst erscheinen werde: Dieser behandle die Geschichtsschreiber der hussitischen Periode und damit eine wichtige, aber zugleich traurige Epoche der Weltgeschichte. Sein Anliegen war es, durch gewissenhafte Zusammenstellung der Quellen, Irrtümern der Geschichtsschreibung – insbesondere jenem der zufälligen Entstehung Österreichs – entgegenzutreten. Höfler berichtet dann, dass er derzeit an einer Weltgeschichte für das Untergymnasium arbeite, der eine solche für das Obergymnasium folgen soll. In diesem Zusammenhang erklärt er sein Verständnis des Geschichtsunterrichts und betont, dass er eine exegetische Methode anwenden wolle, welche die Herzen der Schüler berühre. Schließlich begründet Höfler den Antrag der Fakultät, ihn als Vertreter der Universität Prag zur Säkularfeier der Universität Greifswald zu entsenden. Er werde die Universität Prag dort würdig vertreten und den angeschlagenen Ruf Prags vollständig rehabilitieren. Zuletzt spricht er seine Freude darüber aus, dass an der neu errichteten Handelsschule in Prag drei Lehrer angestellt wurden, welche die Philosophische Fakultät der Prager Universität mit ausgezeichneten Noten verlassen haben. Dadurch sei sichergestellt, dass die Eröffnung dieser Schule, so wie alle anderen Projekte Thuns, ein Erfolg sein werde.
Euer Excellenz!
Hochgeborener Herr Graf!
Hochgebietender Herr
Staatsminister!
Ich hatte gehofft, Eure Excellenz mit der „Genesis der Revolution“1, welche ich mir die
unterthänige Freiheit nehme, Hochdenselben zu übersenden, zugleich den ersten
Band der Geschichtschreiber der husitischen Periode2 vorlegen zu können; allein obwohl bereits am Index der
letzteren gedruckt wird, muß ich doch fürchten die Ausgabe möchte sich noch
lange hinausschieben und ich wage es daher Eure Excellenz ehrfurchtvollst zu
bitten den vorliegenden Band gnädigst aufnehmen zu wollen.
Es lag mir
vorzüglich daran den Irrthümern, welche in Betreff der Anschauung
österreichischer Geschichtsverhältnisse für die Literatur obwalten, dem
angeblich zufälligen Entstehen Österreichs, was eine wirkliche Mission
ausschließen würde, entgegenzutreten, das allmähliche Übergehen des
Protestantismus in die Revolution und das analoge Verhältnis der letztern zu den
Staaten, das erstere zu der Kirche geschichtlich nachzuweisen. Es ist hier eine
Periode der Weltgeschichte, die man nicht ohne wahren Seelenjammer beschreiben
kann und von der es vor allem gilt:
Incedo per ignes
suppositos cineri
doloso.
Es galt hier zu sichten, das Fremdartige auseinanderzuhalten, das
Verwandte zu verbinden, Übersichten zu gewinnen und die vielfach verschlungenen
Fäden ebenso zu entwickeln als zu verknüpfen, durch alle Verwicklungen hindurch
den strafenden Arm der göttlichen Gerechtigkeit zu zeigen. Jetzt beschäftige ich
mich mit Ausarbeitung eines Lehrbuches für Weltgeschichte für Untergymnasien, wo
nach Vollendung einer Periode gleich als Gegenhalt zur Ausarbeitung derselben
Periode für das Obergymnasium geschritten wird. Ich habe mir die Erlaubnis
erwirkt, einzelne Partien durch dazu geschulte Candidaten, wenn der Gegenstand
im Altstädter Gymnasium trifft, in diesem in Gegenwart des Schulrathes vortragen
lassen zu dürfen, um zu sehen, ob Stil und Haltung den jugendlichen Gemüthern
angemessen seien. Ich betone hiebei den geographischen Standpunkt so viel als
möglich und will den Leser zwingen, sich von der Karte und der Tafel nicht zu
entfernen. Die bloß erzählende Methode, welche den Geschichtsunterricht zur
reinen Gedächtnissache macht, muß der demonstrativen (exegetischen) weichen und
erstere eine Operation des Verstandes und des Gemüthes, eine Sache des Kopfes
und des Herzens werden; sonst ist er der darauf gewandten Mühe nicht werth.
Ich hoffe zu einem ähnlichen Zwecke in den nächsten Tagen meine
philologischen und historischen Collegen zu versammeln, um ein Verständnis zur
Durchführung der Vorschriften über die Prüfung der Candidaten des
Gymnasiallehramtes anzubahnen. Schon als Curtius noch in Prag
war, wurde von mir und ihm ein Plan ausgearbeitet, nach welchem die
Prüfungscommissäre der historisch-philologisch-philosophischen Abtheilung in
Betreff ihrer Vorträge verfahren wollten, um im Geiste des hohen Ministeriums
harmonisch auf die Candidaten zu wirken, und ich freue mich recht sehr, daß die
neue „Vorschrift“ so genau mit diesem Plane zusammentrifft, daß dadurch ihr nur
vorgearbeitet wurde.
Eure Excellenz werden bereits eine Vorlage des
akademischen Senates in Betreff der Absendung eines Universitätsvertreters nach
Greifswald in Händen haben.
Ich weiß nicht, wie Hochdieselben über die Motivierung des Gutachtens über die
Vertretung Prag‘s urtheilen. Daß aber
zur vollständigen Rehabilitierung Prag’s in der öffentlichen Meinung kaum ein geeigneterer Anlaß
sich darbieten dürfte, möchte unzweifelhaft sein. Eure Excellenz dürften
versichert sein, daß wenn Hochdieselben den Senatsvorschlag bekräftigen,
meinerseits Alles aufgeboten werden wird, in dem Gange der Geschäfte, keine
Störung eintreten zu machen[sic!]. Was während der kurzen Abwesenheit von etwa
8–10 Tagen von mir nicht versehen werden könnte, wird Prodecan Böhm pünktlich besorgen. Immatriculation,
Sitzungen, Conferenzen finden in dieser Woche statt. Die Lehramtscandidaten aber
erhalten, wenn ich abzureisen habe, besondere von mir gefertigte Ausarbeitungen,
mit welchen sie sich unterdessen zur Genüge beschäftigen können. Die Anordnungen
für ihre geregelte und methodische Lectüre erhalten sie ohnehin nächsten
Donnerstag.
Daß wir Prüfungscommissäre die neue Handelsschule mit 3 Lehrern
versehen konnten, welche, jeder in seinem Fache, die Note der Eminenz erlangten,
dient uns zu gerechtem Stolze; die Anstalt aber tritt dadurch von selbst in die
Reihe derjenigen, welche ihr segenreiches Dasein dem Wirken Eurer Excellenz
verdanken.
Indem ich mich Eurer Excellenz unterthänigst empfehle und
Hochdieselben bitte, mir gestatten zu wollen, das Werk über die Husiten nach
seiner Vollendung Eurer Excellenz vorlegen zu dürfen, habe ich die Ehre zu
verharren in tiefster Ehrerbietung
Euer Excellenz
unterthänigster Diener
Dr. C. Höfler
d.z. Decan des
philosophischen Professorencollegiums
Prag, 5. October 1856