Der Philologe Bernhad Jülg nimmt zu den Anschuldigungen Thuns Stellung, er habe mehrfach und heimlich politische Artikel an die Allgemeine Zeitung in Augsburg gesandt. Jülg gesteht, dass er einige wenige Artikel und Notizen an die Zeitung eingesandt hat. Als Grund gibt er an, dass er damit seine offenen Bücherschulden bei Cotta begleichen konnte. Allerdings bestreitet Jülg, jemals politische Artikel verfasst zu haben, auch habe er seine Tätigkeit nie verheimlicht. Der Landespräsident von Krakau, Graf Mercandin, habe ihn vielmehr vielfach darin bestärkt, Korrespondenzen und Beiträge zu verfassen, ja er habe teilweise beinahe im Auftrag von Mercandin geschrieben. Er sagt, dass er jedoch auf Anraten eines Freundes bereits vor der Aufforderung von Thun mit dem Schreiben von Artikeln aufgehört hatte. Jülg hofft, damit alle falschen Anschuldigungen gegen ihn erklärt zu haben und versichert Thun, nie wieder ohne Erlaubnis für Zeitungen schreiben zu wollen. Außerdem versichert er Thun, dass sich an seiner Gesinnung und seiner Einstellung nichts geändert habe. Zuletzt äußert sich Jülg zuversichtlich, dass sich in seiner Heimat bestimmt einige Gymnasiallehrer für Österreich finden werden.
Hochgeborner Herr Graf!
Hochgebietender Herr Minister!
Durch das Schreiben Eurer Excellenz vom 17. dieses Monats1, welches
Graf Mercandin mir sofort
einhändigte, ist die tiefe Verehrung und Bewunderung, die ich aus innerstem
Herzen stets für Hochdieselben gefühlt habe, wenn möglich noch gesteigert
worden. Ich kann Nichts thun, als Eurer Excellenz für das darin so lebhaft
ausgesprochene Wohlwollen meinen wahrhaftigsten und bleibenden Dank
aussprechen.
Daß ich hier und da seit etwa einem Jahre, aber äußerst
spärlich und selbst gegen mein Gefühl, einzelne Notizen an die Allgemeine Zeitung nach Augsburg gesandt
habe, hat seine Richtigkeit. Nur nach wiederholter Bitte habe ich es jedoch
gethan und zwar um eine Bücherschuld abzutragen für aus
Deutschland direct nach Lemberg
bezogene Bücher, die ich bei dem damaligen Stande der Buchhändlerverhältnisse in
Lemberg weit wohlfeiler direct bezog. Um diese Schuld
eher abtragen zu können, lud mich die Cotta’sche Buchhandlung ein, ihr einzelne
Notizen und wissenschaftliche Besprechungen zuzusenden, wozu ich mich denn
endlich entschloß, so sehr es, ich gestehe es unumwunden, meinem Gefühle
widerstrebte. War die Schuld getilgt, so hörte die Sache von selbst auf. Von
Politik und dergleichen Dingen, die mir gänzlich fremd sind, kam aber in meinen
Correspondenzen nie eine Silbe vor, es waren meist culturhistorische und
unverfängliche Tagesnotizen. Von einer Verheimlichung aber kann vollends keine
Rede sein, da einmal meine Briefe direct an Dr.
Kolb in Augsburg gingen, und dann es in Krakau vielen Personen
bekannt war. Ich wurde namentlich von unserm Herrn Landespräsidenten, Grafen Mercandin, wiederholt darin
bestärkt, einzelnen falschen hier herrschenden Ansichten entgegenzutreten und im
Interesse der Regierung zur Aufklärung beizutragen, wobei er mich wiederholt
versicherte, daß es der Regierung nur erwünscht sein könne so zu wirken.
Einzelne Sachen sind geradezu in seinem Auftrage verfaßt, so ist z.B. der
Artikel über die Trennung Ost- und Westgaliziens in der außerordentlichen
Beilage zu Nr. 165 der Allgemeinen Zeitung vom 14. Juni 1854 nur nach reiflicher
Besprechung mit Graf Mercandin und in
seinem Einvernehmen und speciellen Auftrag geschrieben, und so Anderes nach
seinen Ansichten. Und gerade dieser Umstand, nach den Wünschen des hier
hochverehrten Landespräsidenten zur Aufklärung hierlands und in weitern Kreisen
herrschender falscher Ansichten beizutragen, das Bewußtsein und im Sinne der
Regierung zu schreiben, milderte etwas jenes widerstrebende Gefühl, das ich
gegen Zeitungscorrespondenzen überhaupt hege. Doch muß ich nochmals sagen, daß
die Correspondenz äußerst spärlich war. Wie aber unter den obwaltenden Umständen
die Ansicht entstehen konnte, daß der Regierung Etwas verheimlicht würde oder
daß ich meine Mittheilungen auf anderm als dem geraden Wege ins Ausland habe
gelangen lassen, das ist mir räthselhaft. Ich habe nie Etwas geschrieben, das
nicht Jedermann lesen könnte, noch wurden meine Schreiben anders als gewöhnlich
expedirt. Ohne nähere Angabe bleibt es mir unmöglich dieses offenbare
Mißverständnis aufzuklären. Es wäre mir ein wahrer Stein vom Herzen, wenn ich
Euer Excellenz diesen Verdacht aufklären könnte; nicht den leisesten Schatten
eines solchen möchte ich in Ihren Augen haben. Könnten Euer Excellenz mir
hierüber Andeutungen geben, so würde ich sofort die tröstende Beruhigung haben,
dies thun zu können.
Indeß wurde mir vor ungefähr 6–8 Wochen von
befreundeter Seite mitgetheilt, daß man das Correspondiren überhaupt nicht gerne
sehe, und auf der Stelle hörte ich auf; seit jener Zeit ist keine derartige
Zeile mehr geschrieben worden und wird auch nie mehr eine von mir geschrieben
werden. Auch ohne Eurer Excellenz hochverehrtes Schreiben war seither das ganze
Verhältnis abgebrochen. Auch dem Grafen
Mercandin theilte ich damals diesen Entschluß mit. Und so
wiederhole ich heute auch vor Eurer Excellenz das feierlichste Versprechen, nie
mehr eine Zeile in ein anderes als wissenschaftliches Blatt zu schreiben. Die
Versicherung aber bitte ich Euer Excellenz huldvollst entgegen nehmen zu wollen,
daß meine Gesinnungen und Überzeugungen stets dieselben gewesen sind und
unwandelbar bleiben werden, wie Hochdieselben sie aus den Schilderungen meines
greisen Freundes, des hochwürdigen Erzbischofs
von Freiburg, kennen.
Das sind die Verhältnisse, die ich
Eurer Excellenz mit aller Offenheit darlege, würdig des Vertrauens und
Wohlwollens, das aus jedem Worte Hochderselben in Ihrem Schreiben spricht. Die
Gefühle der Verehrung und des Dankes, die so lauter und innig von jeher für Euer
Excellenz in meiner Brust schlugen, sind dadurch unbegränzt geworden.
Was
die gesuchten Gymnasiallehrer betrifft, so bin ich überzeugt, daß außer den
bereits Eurer Excellenz genannten sich nochmehr tüchtige Kräfte finden lassen,
wenn es Hochdieselben nur wünschen.
Mit dem Ausdruck der tiefgefühltesten
Verehrung verharre ich
Eurer Excellenz dankbarster
B. Jülg
Krakau 20. April 1855