Der Direktor der Akademie der bildenden Künste in Prag, Christian Ruben, teilt Leo Thun mit, dass er den ihm angebotenen Posten des Direktors der Akademie der bildenden Künste in Wien annehmen will. Er ist sich der Schwierigkeit der Aufgabe und der Verpflichtungen vollauf bewusst und ist gewillt, die Neuorganisation der Akademie mit aller Kraft anzugehen. Seine Entscheidung wurde insbesondere durch Franz Thun-Hohenstein, den Bruder des Ministers, und den Grafen Nostitz-Rieneck beeinflusst. Er bittet Thun, den Entschluss seinem Bruder Franz mitzuteilen.
Euer Exzellenz
Hochverehrter Herr Minister!
Mein Kampf mit Pflicht und Beruf, Simpathien und Gewohnheiten ist zu Ende und
einer ruhigen Überzeugung und Besonnenheit gewichen, die mich nicht länger über
meinen Entscheidt [sic!] in Zweifel lassen. Ich folge dem hohen
Rufe, den Euer Exzellenz an mich ergehen ließen, mit allen
Consequenzen, die sich daran knüpfen und werde meine hiesigen
Verbindlichkeiten gewissenhaft lösen, um mich ebenso gewissenhaft meinem neuen
Berufe zu widmen. Möge Gott, der mich bei diesem Beschlusse geleitet, mir auch
die Einsicht und Kraft in meinem neuen Wirkungskreise verleihen, damit Sie Herr
Minister es nie bereuen dürfen, eine Berufung vollzogen zu haben, an die sich
Ihre Hoffnungen für das Gedeihen der Kunst in Österreich knüpfen! Ich verkenne keinen Augenblick das Schwierige
meiner Aufgabe und das ganze Gewicht meiner Verpflichtungen, ja ich darf mit
gutem Gewissen behaupten, daß sie es grade waren, welche mich mehr als die
materiellen Vor- oder Nachtheile bei dem Aufgeben meiner jetzigen Stellung
wankend machten. Hätte es aber noch irgend bedurft, meiner Entscheidung die
rechte Richtung zu geben, so hätten es die herzlichen und klaren Worte in Euer
Exzellenz gütigem Schreiben gewiß vermocht. Kopf und Herz werden trachten, den
Kummer zu verwischen, den ich Euer Exzellenz, den ich meinem theuersten Freunde
dem Grafen Franz
verursacht habe.
Ehe ich jedoch dieses Schreiben schließe, halte ich es für
meine heiligste Pflicht eines Mannes in Ehren zu gedenken, der mir durch sein
aufopferungs- und liebevolles Benehmen die endliche Entscheidung erleichtern
half. Ja, Exzellenz Graf
Erwein hat sich in dieser Angelegenheit so ausnehmend gütig gegen
mich benommen, daß ich Zeit meines Lebens nicht im Stande sein werde, ihm die
Liebe und das Wohlwollen zu vergelten, mit denen er mir in meiner so peinlichen
Lage beistand.
Da ich nicht sicher bin, ob Graf Franz sich in
Wien oder auf der Reise hierher befindet, so wage ich
an Euer Exzellenz für den ersten Fall die gehorsamste Bitte, ihm meinen
Entschluß kundzugeben und ihn womöglich zu einem kurzen Abstecher hierher zu
veranlassen, damit ich mit ihm über die Zeit meines Eintritts und die Lösung
meiner hiesigen Verhältnisse persönlich verkehren und das Nähere verabreden
kann.
In der festen Überzeugung Euer Exzellenz werden in dem Vorgange meiner
jetzigen Annahme nur eine Bürgschaft meines unwandelbaren Entschlusses
erblicken, erübrigt mir nur noch reumüthig um Verzeihung zu bitten für den
Verdruß, den ich Euer Exzellenz machte, und der nur durch meine Lage und ein
Zusammentreffen von Umständen entschuldigt werden kann.
Mit nie wankender
Verehrung und Anhänglichkeit habe ich die Ehre zu sein
Euer Exzellenz
treu ergebenster
Ch. Ruben
Prag, den 13. Jänner 1852