Christian Ruben an Leo Thun
Prag, 13. Januar 1852
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Regest

Der Direktor der Akademie der bildenden Künste in Prag, Christian Ruben, teilt Leo Thun mit, dass er den ihm angebotenen Posten des Direktors der Akademie der bildenden Künste in Wien annehmen will. Er ist sich der Schwierigkeit der Aufgabe und der Verpflichtungen vollauf bewusst und ist gewillt, die Neuorganisation der Akademie mit aller Kraft anzugehen. Seine Entscheidung wurde insbesondere durch Franz Thun-Hohenstein, den Bruder des Ministers, und den Grafen Nostitz-Rieneck beeinflusst. Er bittet Thun, den Entschluss seinem Bruder Franz mitzuteilen.

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Schlagworte

Edierter Text

Euer Exzellenz
Hochverehrter Herr Minister!

Mein Kampf mit Pflicht und Beruf, Simpathien und Gewohnheiten ist zu Ende und einer ruhigen Überzeugung und Besonnenheit gewichen, die mich nicht länger über meinen Entscheidt [sic!] in Zweifel lassen. Ich folge dem hohen Rufe, den Euer Exzellenz an mich ergehen ließen, mit allen Consequenzen, die sich daran knüpfen und werde meine hiesigen Verbindlichkeiten gewissenhaft lösen, um mich ebenso gewissenhaft meinem neuen Berufe zu widmen. Möge Gott, der mich bei diesem Beschlusse geleitet, mir auch die Einsicht und Kraft in meinem neuen Wirkungskreise verleihen, damit Sie Herr Minister es nie bereuen dürfen, eine Berufung vollzogen zu haben, an die sich Ihre Hoffnungen für das Gedeihen der Kunst in Österreich knüpfen! Ich verkenne keinen Augenblick das Schwierige meiner Aufgabe und das ganze Gewicht meiner Verpflichtungen, ja ich darf mit gutem Gewissen behaupten, daß sie es grade waren, welche mich mehr als die materiellen Vor- oder Nachtheile bei dem Aufgeben meiner jetzigen Stellung wankend machten. Hätte es aber noch irgend bedurft, meiner Entscheidung die rechte Richtung zu geben, so hätten es die herzlichen und klaren Worte in Euer Exzellenz gütigem Schreiben gewiß vermocht. Kopf und Herz werden trachten, den Kummer zu verwischen, den ich Euer Exzellenz, den ich meinem theuersten Freunde dem Grafen Franz verursacht habe.
Ehe ich jedoch dieses Schreiben schließe, halte ich es für meine heiligste Pflicht eines Mannes in Ehren zu gedenken, der mir durch sein aufopferungs- und liebevolles Benehmen die endliche Entscheidung erleichtern half. Ja, Exzellenz Graf Erwein hat sich in dieser Angelegenheit so ausnehmend gütig gegen mich benommen, daß ich Zeit meines Lebens nicht im Stande sein werde, ihm die Liebe und das Wohlwollen zu vergelten, mit denen er mir in meiner so peinlichen Lage beistand.
Da ich nicht sicher bin, ob Graf Franz sich in Wien oder auf der Reise hierher befindet, so wage ich an Euer Exzellenz für den ersten Fall die gehorsamste Bitte, ihm meinen Entschluß kundzugeben und ihn womöglich zu einem kurzen Abstecher hierher zu veranlassen, damit ich mit ihm über die Zeit meines Eintritts und die Lösung meiner hiesigen Verhältnisse persönlich verkehren und das Nähere verabreden kann.
In der festen Überzeugung Euer Exzellenz werden in dem Vorgange meiner jetzigen Annahme nur eine Bürgschaft meines unwandelbaren Entschlusses erblicken, erübrigt mir nur noch reumüthig um Verzeihung zu bitten für den Verdruß, den ich Euer Exzellenz machte, und der nur durch meine Lage und ein Zusammentreffen von Umständen entschuldigt werden kann.
Mit nie wankender Verehrung und Anhänglichkeit habe ich die Ehre zu sein

Euer Exzellenz

treu ergebenster
Ch. Ruben

Prag, den 13. Jänner 1852