Leo Thun beruhigt Julius Ficker, dass es keine Pläne gäbe, in Salzburg eine kirchliche Universität zu gründen und informiert den Professor über seine Absicht, in Innsbruck eine theologische Fakultät zu eröffnen. Thun glaubt nämlich, dass eine eigene kirchliche Universität überflüssig wäre, wenn die bestehenden Universitäten in katholischem Sinne wirken würden. Dann weiht er Ficker in den Plan ein, die neu zu eröffnende Fakultät in Innsbruck den Jesuiten übertragen zu wollen. Er bittet Ficker dabei um Unterstützung. Thun betont noch einmal, wie erfreut er über Fickers Verbleib in Österreich sei. Sollte Ficker jedoch jemals einen größeren oder anderen Wirkungskreis haben wollen, würde ihn Thun auch an jede andere österreichische Universität versetzen. Er fordert Ficker zuletzt auf, ihm auch in Zukunft als Berater zur Verfügung zu stehen, da er sein Urteil sehr schätze.
Wien, den 22. September 1856
Werther Herr Professor!
Mit großer Freude habe ich aus Ihrem heute erhaltenen Schreiben1
ersehen, wie treu Sie bei uns aushalten. Zudem bin ich in der angenehmen Lage
Sie über alle in diesem Briefe berührten Fragen vollkommen beruhigen zu können.
Es ist mir nicht bekannt, daß ernstlich daran gedacht werde, eine kirchliche
Universität in Salzburg zu errichten. Ich glaube auch
nicht, daß irgendwo ein ernstlicher Wille besteht, zu dem Zwecke bedeutend
beizusteuern, und doch wäre viel Geld dazu notwendig. Gelingt es der
österreichischen Regierung, den Universitäten die ihrem Einflusse unterstehen
eine katholische Richtung zu geben, so wäre es auch wirklich überflüssig. Dahin
zu wirken, ist mein aufrichtiges Bestreben, und zu dem Ende ist es immer noch
meine entschiedene Absicht die Insprucker
[Innsbrucker] Universität zu heben. Ich kann dabei auf die
Unterstützung des Erzherzogs Statthalters mit Sicherheit rechnen, und zweifle um
so weniger an dem Erfolge, wenn auch finanzielle Rücksichten mich nöthigen,
langsamer vorzugehen als es mein Wunsch wäre. Ich wünsche, daß die Jesuiten daselbst eine theologische Fakultät
eröffnen, und habe auch diesen Gedanken schon leise angeregt. Ich theile
vollkommen, Ihre Auffassung des Gegenstandes und bitte Sie mich bei jeder sich
darbiethenden Gelegenheit in der Durchführung auch fernerhin zu unterstützen.
Seien Sie übrigens versichert, daß wenn je gegen meinen Wunsch und Willen über
die Insprucker Universität
anders verfügt und Ihnen Ihre Stellung anderselben verleidet werden sollte, ich
niemals vergessen werde, was Sie ihr geopfert haben, und daß ich in solchem
Falle Alles, was in meiner Macht steht, aufbiethen werde, um Ihnen dafür Ersatz
zu biethen und Ihnen einen neuen Wirkungskreis zu verschaffen, an welcher
österreichischen Universität Sie selbst ihn zu wählen geneigt sein sollten. Denn
ich weiß ebenso sehr Ihre Befähigung zu schätzen, als es mir wohl thut zu
wissen, daß Sie unähnlich der großen Menge höheren Ideen dienen und zwar eben
denjenigen, die mir selbst am meisten am Herzen liegen.
Der weiteren
Angelegenheit, derer Sie Erwähnung thun, werde ich eingedenk der warmen
Empfehlung2
zweier Männer, auf deren Urtheil ich großen Werth lege, die gewissenhafteste
Beachtung schenken.
Mit aufrichtiger Hochachtung verharre ich werther Herr
Professor
Ihr ergebener
Thun
Noch eine Bemerkung. Ich bitte Sie ein für alle Mal den Gedanken von sich zu weisen, als könnte ich irgend eine Bemerkung, die Sie mir über das, was der Insprucker Universität und ihrem Aufschwunge in der von ihnen bezeichneten Richtung dienlich sein dürfte, als eine Indiskrezion betrachten. Im Gegentheile werde ich Ihnen dafür stets sehr dankbar sei, auch dann, ja um so mehr, wenn Sie mich aufmerksam machen sollten, auf einen geschehenen oder zu besorgenden Missgriff.