Der Jurist George Phillips bittet den Minister, ihn unter Beibehaltung
seiner Bezüge von seiner Lehrtätigkeit an der Universität Wien zu
entbinden. Als Grund hierfür gibt er an, dass er sich mit seiner Lehre
in den fünf Jahren seiner Tätigkeit in Österreich bisher nicht
durchsetzen konnte, obwohl er dies mit aller Kraft versucht habe.
Phillips macht dafür unter anderem die ständigen Neuerungen im
Studienplan und seine isolierte Stellung an der Universität Wien
verantwortlich. Die Jugend sei, so schreibt Phillips weiter, zudem
vollkommen desinteressiert an seinen Kollegien. Allerdings konnte er
durch den bisher gewährten Urlaub die Arbeit an seinem Hauptwerk
fortsetzen. Dieses wissenschaftliche Unternehmen möchte er nun
abschließen, damit sein Streben nicht völlig umsonst war. Er erklärt
sich auch dazu bereit, in der Akademie der Wissenschaften Vorträge zu
halten.
Zuletzt schreibt Phillips, dass Georg Bippart bei ihm
Interesse an der Professur für Klassische Philologie in Prag bekundet
habe. Für Cornelius Peter Bock aus Brüssel gilt dies ebenfalls. Phillips
verweist den Minister dazu an Johann Baptist Weiß aus Graz, der Auskunft
über Bock geben könne.
Hochgeborner Herr Graf,
Euer Excellenz!
Als ich vor einigen Tagen die Ehre hatte in Betreff des Dr. Maassen an Hochdieselben ein
unterthäniges Schreiben zu richten, wollte ich mit dessen Angelegenheit nicht
auch die meinige verbinden, obschon ich seit geraumer Zeit bereits die
Überzeugung von der Nothwendigkeit in mir trage, mich noch einmal zu Euer
Excellenz über dieselbe auszusprechen.
Binnen Kurzem läuft das fünfte Jahr
ab, seitdem ich die Ehre hatte, in die Dienste Seiner k.k. apostolischen
Majestät berufen zu werden. Blicke ich auf diesen Zeitraum zurück, so kann ich
nicht umhin, in dankbarster Anerkennung[?] aller der unverdienten Gnaden zu
gedenken, welche mir durch die huldreiche Vermittlung Euer Excellenz zu Theil
geworden sind; Hochdieselben haben mich dadurch für meine Lebenszeit zu Ihrem
Schuldner gemacht.
So günstig sich nun auch in dieser Hinsicht meine Lage in
Wien gestaltet hat, so habe ich
dennoch eine für mich sehr schwere Zeit durchlebt, da die dortigen Verhältnisse
es durchaus nicht gestatten wollen, daß diejenige wissenschaftliche Richtung,
welcher ich angehöre und um derentwillen ich nach Oesterreich
berufen zu sein glaube, trotz der erdenklichsten Mühe, die ich mir gegeben, und
trotz dem größten Fleiße, den ich auf meine Vorträge verwendet habe, auch nur im
Mindesten eine Bahn brechen konnte. Der provisorische und von Jahr zu Jahr sich
erneuernde Studienplan und die völlig heterogenen Elemente, welche sich mir in
und neben denselben entgegenstellen, haben meine Wirksamkeit in Beziehung auf
die Universität als solche völlig und meine literarische Thätigkeit in so weit
paralysirt, als nicht die Gnade Euer Excellenz mir durch zeitweiligen Urlaub die
Möglichkeit eröffnete, meine begonnene Arbeit über das Kirchenrecht
fortzusetzen. Es hat zu meiner größten Freude gereicht, in dem vierten und in
der ersten Abtheilung des fünften Bandes jenes Buches die Früchte, welche diese
Gnade getragen, Hochdemselben überreichen zu können.
Euer Excellenz werden
es mit mir fühlen, daß für einen Mann, der sein Leben einer hohen
wissenschaftlichen Aufgabe gewidmet und für diese seit mehr als zwanzig Jahren
auf zweien der berühmtesten Universitäten Deutschlands mit günstigem Erfolge gewirkt hat, nichts
schmerzlicher sein kann, als wenn er, der mit Begeisterung und mit der Hoffnung
eines erweiterten Wirkungskreises dem Rufe nach Oesterreich
gefolgt ist, ganze Jahre ohne Einfluß auf die studirende Jugend verliren und
dadurch den Werth der Sache, den er vertritt und seinen Beruf selbst sehr
zweifelhaft machen mußte; darin allein, daß die Verhältnisse einmal so sind, wie
sie sind, hat er keinen hinlänglichen Trost für diese Einbußen finden können.
Gerade aus meiner Verbindung mit einer Anstalt, die in ihren Hauptbestandtheilen
einer von der meinigen ganz verschiedenen und durch das Zusammenwirken der
mannigfachsten Ursachen höchst begünstigten Richtung angehört, entspringt mir
für meine wissenschaftliche Thätigkeit überhaupt und insbesondere für die zu
jeder Arbeit nöthigen geistigen Frische ein so großes Hindernis, daß ich eben
darum es wage, Euer Excellenz mit diesem Schreiben lästig zu fallen. Ich bringe
dabei den Umstand, daß ich durch die obwaltenden Verhältnisse meinen
wohlbegründeten Anspruch auf Collegiengelder einbüßte, nur deshalb in Anschlag,
weil ich damit einen Bestandtheil meiner nachstehenden Bitte motiviren
möchte.
Da ich nämlich ohne mein Verschulden nicht im Stande bin, die Macht
der angedeuteten Verhältnisse zu überwinden, so geht meine unterthänige Bitte
dahin, daß Euer Excellenz die Gnade haben wollen, mich unter Belassung meines
Gehaltes und meiner Personalzulage von meiner Stellung zu der Universität resp.
der juridischen Facultät zu entbinden und mir dadurch die Möglichkeit gewähren,
wenigstens die eine Seite meiner wissenschaftlichen Wirksamkeit zu
erhalten.
Hochdieselben werden überzeugt sein, daß wenn ein Kreis reiferer
Männer sich für meine Vorträge finden sollte, ich in meiner Eigenschaft als
Mitglied der kaiserlichen Akademie stets bereit sein werde, einem derartigen
Verlangen nach Kräften zu entsprechen; von der Wiederholung der vielfach
angestellten fruchtlosen und meine Stellung zu der Universität stets peinlicher
machenden Versuche mit meinen Vorlesungen vor einer in ganz andere Richtungen
hineingezogenen Jugend aufzutreten, bitte ich Euer Excellenz mich dispensiren zu
wollen.
Bei dieser Gelegenheit muß ich mir zugleich die Freiheit nehmen,
Hochdemselben wiederum über zwei an mich gelangte Briefe, welche durch die
Erledigung der philologischen Professur zu Prag veranlaßt worden sind, Bericht zu erstatten. Der sehr
bescheidene und anspruchslose Professor Bippart hofft auf eine gnädige Berücksichtigung, während zu
gleicher Zeit ein aus Aachen gebürtiger Professor
Bock zu Brüssel seine Augen auf eben jene
Professur gerichtet hat. Derselbe ist mir von meinem früheren Aufenthalte in
Berlin als ein tüchtiger Philolog und als ein
Katholik von fester Überzeugung bekannt. Nähere Auskünfte als ich weiß Prof. Weiß in Graez [Graz] über ihn zu geben, zu dessen Werk über Alfred den Großen
Bock eine den
Boethius betreffende Abhandlung geschrieben
hat.
Genehmigen Hochdieselben den Ausdruck meiner größten Verehrung und
Hochachtung, mit welcher ich bestehe als
Euer Excellenz
unterthäniger Diener
G. Phillips
Aigen bei Salzburg, 8. September 1854