George Phillips an Leo Thun
Aigen bei Salzburg, 8. September 1854
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Regest

Der Jurist George Phillips bittet den Minister, ihn unter Beibehaltung seiner Bezüge von seiner Lehrtätigkeit an der Universität Wien zu entbinden. Als Grund hierfür gibt er an, dass er sich mit seiner Lehre in den fünf Jahren seiner Tätigkeit in Österreich bisher nicht durchsetzen konnte, obwohl er dies mit aller Kraft versucht habe. Phillips macht dafür unter anderem die ständigen Neuerungen im Studienplan und seine isolierte Stellung an der Universität Wien verantwortlich. Die Jugend sei, so schreibt Phillips weiter, zudem vollkommen desinteressiert an seinen Kollegien. Allerdings konnte er durch den bisher gewährten Urlaub die Arbeit an seinem Hauptwerk fortsetzen. Dieses wissenschaftliche Unternehmen möchte er nun abschließen, damit sein Streben nicht völlig umsonst war. Er erklärt sich auch dazu bereit, in der Akademie der Wissenschaften Vorträge zu halten.
Zuletzt schreibt Phillips, dass Georg Bippart bei ihm Interesse an der Professur für Klassische Philologie in Prag bekundet habe. Für Cornelius Peter Bock aus Brüssel gilt dies ebenfalls. Phillips verweist den Minister dazu an Johann Baptist Weiß aus Graz, der Auskunft über Bock geben könne.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner Herr Graf,
Euer Excellenz!

Als ich vor einigen Tagen die Ehre hatte in Betreff des Dr. Maassen an Hochdieselben ein unterthäniges Schreiben zu richten, wollte ich mit dessen Angelegenheit nicht auch die meinige verbinden, obschon ich seit geraumer Zeit bereits die Überzeugung von der Nothwendigkeit in mir trage, mich noch einmal zu Euer Excellenz über dieselbe auszusprechen.
Binnen Kurzem läuft das fünfte Jahr ab, seitdem ich die Ehre hatte, in die Dienste Seiner k.k. apostolischen Majestät berufen zu werden. Blicke ich auf diesen Zeitraum zurück, so kann ich nicht umhin, in dankbarster Anerkennung[?] aller der unverdienten Gnaden zu gedenken, welche mir durch die huldreiche Vermittlung Euer Excellenz zu Theil geworden sind; Hochdieselben haben mich dadurch für meine Lebenszeit zu Ihrem Schuldner gemacht.
So günstig sich nun auch in dieser Hinsicht meine Lage in Wien gestaltet hat, so habe ich dennoch eine für mich sehr schwere Zeit durchlebt, da die dortigen Verhältnisse es durchaus nicht gestatten wollen, daß diejenige wissenschaftliche Richtung, welcher ich angehöre und um derentwillen ich nach Oesterreich berufen zu sein glaube, trotz der erdenklichsten Mühe, die ich mir gegeben, und trotz dem größten Fleiße, den ich auf meine Vorträge verwendet habe, auch nur im Mindesten eine Bahn brechen konnte. Der provisorische und von Jahr zu Jahr sich erneuernde Studienplan und die völlig heterogenen Elemente, welche sich mir in und neben denselben entgegenstellen, haben meine Wirksamkeit in Beziehung auf die Universität als solche völlig und meine literarische Thätigkeit in so weit paralysirt, als nicht die Gnade Euer Excellenz mir durch zeitweiligen Urlaub die Möglichkeit eröffnete, meine begonnene Arbeit über das Kirchenrecht fortzusetzen. Es hat zu meiner größten Freude gereicht, in dem vierten und in der ersten Abtheilung des fünften Bandes jenes Buches die Früchte, welche diese Gnade getragen, Hochdemselben überreichen zu können.
Euer Excellenz werden es mit mir fühlen, daß für einen Mann, der sein Leben einer hohen wissenschaftlichen Aufgabe gewidmet und für diese seit mehr als zwanzig Jahren auf zweien der berühmtesten Universitäten Deutschlands mit günstigem Erfolge gewirkt hat, nichts schmerzlicher sein kann, als wenn er, der mit Begeisterung und mit der Hoffnung eines erweiterten Wirkungskreises dem Rufe nach Oesterreich gefolgt ist, ganze Jahre ohne Einfluß auf die studirende Jugend verliren und dadurch den Werth der Sache, den er vertritt und seinen Beruf selbst sehr zweifelhaft machen mußte; darin allein, daß die Verhältnisse einmal so sind, wie sie sind, hat er keinen hinlänglichen Trost für diese Einbußen finden können. Gerade aus meiner Verbindung mit einer Anstalt, die in ihren Hauptbestandtheilen einer von der meinigen ganz verschiedenen und durch das Zusammenwirken der mannigfachsten Ursachen höchst begünstigten Richtung angehört, entspringt mir für meine wissenschaftliche Thätigkeit überhaupt und insbesondere für die zu jeder Arbeit nöthigen geistigen Frische ein so großes Hindernis, daß ich eben darum es wage, Euer Excellenz mit diesem Schreiben lästig zu fallen. Ich bringe dabei den Umstand, daß ich durch die obwaltenden Verhältnisse meinen wohlbegründeten Anspruch auf Collegiengelder einbüßte, nur deshalb in Anschlag, weil ich damit einen Bestandtheil meiner nachstehenden Bitte motiviren möchte.
Da ich nämlich ohne mein Verschulden nicht im Stande bin, die Macht der angedeuteten Verhältnisse zu überwinden, so geht meine unterthänige Bitte dahin, daß Euer Excellenz die Gnade haben wollen, mich unter Belassung meines Gehaltes und meiner Personalzulage von meiner Stellung zu der Universität resp. der juridischen Facultät zu entbinden und mir dadurch die Möglichkeit gewähren, wenigstens die eine Seite meiner wissenschaftlichen Wirksamkeit zu erhalten.
Hochdieselben werden überzeugt sein, daß wenn ein Kreis reiferer Männer sich für meine Vorträge finden sollte, ich in meiner Eigenschaft als Mitglied der kaiserlichen Akademie stets bereit sein werde, einem derartigen Verlangen nach Kräften zu entsprechen; von der Wiederholung der vielfach angestellten fruchtlosen und meine Stellung zu der Universität stets peinlicher machenden Versuche mit meinen Vorlesungen vor einer in ganz andere Richtungen hineingezogenen Jugend aufzutreten, bitte ich Euer Excellenz mich dispensiren zu wollen.
Bei dieser Gelegenheit muß ich mir zugleich die Freiheit nehmen, Hochdemselben wiederum über zwei an mich gelangte Briefe, welche durch die Erledigung der philologischen Professur zu Prag veranlaßt worden sind, Bericht zu erstatten. Der sehr bescheidene und anspruchslose Professor Bippart hofft auf eine gnädige Berücksichtigung, während zu gleicher Zeit ein aus Aachen gebürtiger Professor Bock zu Brüssel seine Augen auf eben jene Professur gerichtet hat. Derselbe ist mir von meinem früheren Aufenthalte in Berlin als ein tüchtiger Philolog und als ein Katholik von fester Überzeugung bekannt. Nähere Auskünfte als ich weiß Prof. Weiß in Graez [Graz] über ihn zu geben, zu dessen Werk über Alfred den Großen Bock eine den Boethius betreffende Abhandlung geschrieben hat.
Genehmigen Hochdieselben den Ausdruck meiner größten Verehrung und Hochachtung, mit welcher ich bestehe als

Euer Excellenz

unterthäniger Diener
G. Phillips

Aigen bei Salzburg, 8. September 1854