Regest

Der Mediziner Friedrich Wilhelm Pauli beantragt beim Ministerium für Kultus und Unterricht die Erlaubnis zur ärztlichen Praxis in Österreich und bittet gleichzeitig um eine Professur der Pathologie an der Universität Wien. Pauli hatte schon in jungen Jahren als Gärtner in den botanischen Gärten von Wien und Graz gewirkt und möchte nun als Arzt und Professor sein Wissen in den Dienst des österreichischen Kaiserstaates stellen und damit seine Verbundenheit mit Österreich zum Ausdruck bringen. Pauli geht dann ausführlich auf seine medizinische Ausbildung und seine Ansichten zu Situation der Medizin, seine eigene Stellung innerhalb des Fachs sowie seine Haltung zu den unterschiedlichen Positionen innerhalb der Medizin ein. Dabei spricht er sich für eine Kombination unterschiedlicher Therapieansätze aus. Ausführlich geht Pauli auch auf seine politischen Ansichten ein und erläutert insbesondere sein Verhalten im Revolutionsjahr 1848. Dabei hebt er vor allem die Ablehnung jeglicher radikaler Grundsätze und gewaltsamer Aktionen hervor und betont seine Verbundenheit zum Kaiserhaus.

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Edierter Text

Hohes kaiserlich-königliches Ministerium des Cultus und des Unterrichts

Ich wage die unterthänigste Bitte, Ein hohes k.k. Ministerium wolle die Gnade haben, mir die Licentia practicandi in den k.k. Oesterreichischen Staaten, insbesondere zu Wien zu gestatten und mir die Stellung eines öffentlichen klinischen Lehrers der Pathologie und Therapie des Menschen an der Universität, mit Zuweisung einer klinischen Abtheilung zur praktischen Darlegung meiner Grundsätze zu verleihen und meine unterthänigste Bitte begründet sehen zu wollen in der Absicht, diese Lehren als Allopathe mit den Wahrheiten der Heilkunst der Homöopathen und Hydropathen, nach Beseitigung aller Illusionen und einseitigen Richtungen, vereinigt vorzutragen, wie dieses bis jetzt noch an keiner deutschen Universität geschieht.
Mein pathologischer Standpunkt ist in der Mitte zwischen dem des Nerven- und Humoralpathologen, weil ich wahrnehme, daß, so wie das ganze Naturleben sich in einem steten gegenseitigen Wechselprozesse befindet, in welchem Materie und Kräfte fortwährende, den großen Weltkreislauf erhaltende Relationen haben, auch der thierische Organismus nur im gegenseitigen Aufeinanderwirken seiner Einzeltheile, seiner Systeme und Funktionen richtig aufgefaßt werden kann, indem durchaus kein einzelnes System, keine einzelne Funktion für sich als Grundursache der andern und der Art ihrer besondern Beschaffenheit und Wirksamkeit gedacht werden darf, soll nicht zunächst für die Heilkunde durch solche Einseitigkeit unendlich geschadet werden. Am auffallendsten tritt dieses sich gegenseitige Bestimmen und Ergänzen bei den zwei Hauptpotenzen des thierischen Lebens hervor, dem Nervensystem, als Grundfaktoren des animalischen, dem Blute, als Grundfaktoren des vegetativen Lebens; deren Beschaffenheit und Thätigkeiten den Zustand und Bestand der übrigen Theile des Organismus, so wie sie sich einander selbst, bedingte, aber auch wieder von ihren eigenen Produkten rückwirkend verändert werden; daher von der ersten Foetalentwicklung an bis zum Ende des Lebens eine nur in ihrer Gesammtheit aufzufassende, sich gegenseitig bedingende Entwicklungsfolge organisch-plastischer Bildungen und Zersetzungen, von zunehmender und abnehmender Thätigkeit der organischen Funktionen zu erblicken ist.
Meine Auffassung der speciellen Krankheiten fußt demnach auf dem durch die Unendlichkeit der einzelnen verschiedenen pathologischen Zustände, wie sie besonders in neuerer Zeit durch die ausgezeichneten Forschungen von Rokitansky und Skoda zu unserer Kenntnis gebracht worden sind, sich windenden Hauptwege, wie wir denselben in der Auffassung der Hauptgrundzüge der Constitutionen und Temperamente der Menschen, modificirt durch Alter, Geschlecht, Aufenthaltsort, Lebensweise usw. gezeichnet sehen. Es entsteht dadurch eine generelle Auffassung, welche für das praktische Wirken des Arztes von größtem Werthe ist, indem aus dieser Grundlage eine richtige Diagnose der speciellen Krankheit mit größerer Sicherheit hervorgeht, weil sich der Arzt im Stande sieht aus dem Gesammtbilde des Kranken, aus seinem Habitus, aus seiner Physiognomie zu beurtheilen, welche Reihe von Krankheiten allein, welche vorzugsweise auf diesem Boden gedeihen kann, und in welcher Besonderheit akute und epidemische Krankheiten durch die vorhandene Grundlage der Beschaffenheit des individuellen Organismus auftreten werden, können und müssen, was namentlich für das Gebiet der Prognose und des durch diese bestimmte ärztliche Handeln unendlich wichtig erscheint.
Infolge des Gesagten ist es begreiflich, daß ich auf Verbesserung der constitutionellen, zur Entstehung der Krankheiten primitiv disponirenden Zustände durch eine gesunde Diätetik des Körpers und der Seele, jedoch in Rücksicht auf die durch unsere jetzige sociale und geistige Cultur nothwendig gewordenen Abweichungen von einem normalen Naturzustande hauptsächlich hinziele und manche Krankheit durch diese allein beseitige; eine Richtung, welche ich hauptsächlich der Würdigung der Erfahrungen der Homöopathen verdanke, mit deren Begriff über Ursache und Wirkung ich übrigens nicht übereinstimme. Diese Richtung bestimmte mich auch, 1840 schon das Verfahren von Prießnitz meiner Prüfung zu unterziehen, dem ich trotz den aus mangelhaften wissenschaftlichen Grundlagen in seiner Lehre über die Heilkräfte des kalten Wassers entstandenen Irrthümern doch eine hohe Stellung in meiner Achtung einräume und glaube, daß die Geschichte der Medizin dieses seltnen Naturarztes ehrende Erwähnung thun wird.
Ich kann mich jedoch nach vielen Erfahrungen nur dahin aussprechen, daß nur für gewisse krankhafte Zustände die Anwendung des Wassers als ausschließlichen Heilmittels zweckmäßig, in vielen, im Vergleiche zu andern uns gegebenen Heilmitteln, die Kurzeit bedeutend verlängernd, in vielen unstatthaft, ja gefährlich ist, daß überhaupt die Anwendung des Prießnitz’schen Verfahrens und die Erfahrungen der Wasserheilkunde durch wissenschaftliche Ärzte geregelt werden müsse, indem das Wasser als Heilmittel nur dann hohen Werth hat, wenn dasselbe auch im richtigen Zeitpunkt der Krankheit und in verschiedener, der erkrankten speciellen Individualität angepaßten Temperatur angewandt wird, wenn demselben und den Modalitäten seiner Anwendung die ihm gebührende Stelle bei und neben den andern Heilmitteln angewiesen ist.
Es wird anzuerkennen sein, daß es namentlich Sache der öffentlichen Lehrer der Medicin ist, sich in ihren klinischen Abtheilungen über diese Wahrheiten zu verbreiten, aber auch bei den Krankheiten, welche durch kein Heilmittel so zweckmäßig und einfach behandelt werden können, als durch ein modificirtes Prießnitz’sches Verfahren, dasselbe praktisch in seiner bestimmten Stellung unter der Reihe der übrigen Heilmittel den die Medicin Studirenden anschaulich zu machen. Dadurch wird ein mächtiger Impuls gegeben sein, daß Wasserheilanstalten nur durch wissenschaftliche Ärzte geleitet werden, daß überhaupt denselben auch bei dem Publikum kein anderer Werth mehr beigelegt sein wird, als einer Mineralquelle, einem Badeort ein nur specieller Werth beigelegt werden darf, wodurch eine Menge von Nachtheilen und großer Schaden vermieden werden wird, welchen diese Anstalten in Folge ihrer auf Einseitigkeit der Ansichten, Ignoranz oder Charlatanerie gegründeten Anmaßung ihrer Behauptung der Universalheilkräfte des Wassers gegenwärtig bedingen und hervorrufen. Ich würde also nach dem Gesagten als Lehrer, als Allopathe auftreten, der die Erfahrungen keiner andern Lehre positiv mißachtet, sondern geleitet von dem Grundsatze: „Prüfet alles und das Beste behaltet“ auch das Gute, was in der Homöopathie und der Hydropathie enthalten ist, betrachtet und seiner Beachtung und Anwendung unterzieht.
Was mich nun insbesondere bestimmt mir Wien zu wünschen, um daselbst wirksam zu sein, ist, weil mir Wien, weil mir Oesterreich werth und lieb geworden; weil ich weiß, wie Eine hohe Oesterreichische Regierung jeder Wahrheit, von der sie überzeugt ist, daß sie wirklich zum Besten der Menschheit gereicht, von jeher bereitwilligst ihre hohe Unterstützung zu ihrer Geltendmachung zu gewähren geruthe, was tausende von Thatsachen beweisen, will man unpartheiisch die Geschichte befragen und sieht man nicht die Wahrheit in der nur alles Familien- und Staatenleben erschütternden, alles innere Glück des Menschen vernichtenden, alle Harmonie der Seele zerstörenden social-demokratischen Richtung, wohin leider unklare Begriffsverwirrungen der Neuzeit führen müssen, und in welchen ich als lutherisch Geborner zunächst auf religiösem Gebiete im Protestantismus die unbedingte freie Forschung des Einzelnen als Hauptursache erkenne, welche, setzt man ihr keinen Damm, noch größeres Unglück über die Menschheit verhängen wird, weil, wie wir sahen, sie zum Atheismus und Naturalismus führte, woselbst der Mensch in seiner Verblendung leider nur seinen eigenen Egoismus als seinen Gott verehrt, und weil er an keine Fortdauer seiner Seele glaubt, auch keine Strafe, keine Belohnung seiner Thaten erwartet.
Zur Darlegung meines vergangenen Lebens theile ich Einem hohen Ministerium folgendes mit: Ich bin 1811 im August zu Frankfurt am Main als Sohn eines Tischlermeisters geboren. Meinen Vater seelig verlor ich im Alter von fünf Jahren und meine seelige Mutter im Alter von 24 Jahren. Der Umgang mit naturhistorischen Lehrern am Senkenbergischen Institute zu Frankfurt veranlaßte in mir rege Wünsche, mich dem naturwissenschaftlichen Studium zu widmen; da mir jedoch die Mittel zu Gymnasialstudien nicht beschafft werden konnten, ergriff ich die botanische Gärtnerei, um durch meine täglichen Beschäftigungen in Berührung mit der Wissenschaft zu bleiben und abzuwarten, bis es mir möglich wäre, meinem wissenschaftlichen Triebe ein weiteres, höheres Feld zu gewinnen. Durch Privatstunden, welche mir Professor Becker im botanischen Garten zu Frankfurt und später der geistliche Gymnasialinspektor Müller zu Homburg vor der Höhe während meiner dortigen Lehrzeit von 1826–29 in der lateinischen Sprache gaben, wurde mir eine Grundlage in dieser Sprache gegeben; und in der Hoffnung, in der deutschen Kaiserstadt nicht bloß Mittel zur Bildung, sondern auch edle Menschen zu finden, welche sich meiner annahmen würden, kam ich Ende März 1829 nach Wien, versehen mit einer Empfehlung an Seine Durchlaucht, den verstorbenen souverainen Landgrafen Philipp von Hessen-Homburg, Herrn Buchhändler C[arl] Gerold und an den verstorbenen k.k. Kriegsprotokolldirektor Hahn. Es gelang mir in Schönbrunn, 17 Jahr alt, eine Stellung zu erhalten, woselbst die Güte des Herrn Gartendirektor Schott mich bald bevorzugte und mir Unterricht in Abendstunden in Organographie der Pflanzen gab. Ich hatte ferner das Glück dem verstorbenen Herrn Baron von Jacquin vorgestellt zu werden, dessen Aufmunte[rung] ich den festen Willen verdanke, mich auf dem betretenen Wege fortzuarbeiten und die Gärtnerei nur als Mittel zum höheren Zweck zu betrachten. Von Schönbrunn wurde ich im Frühjahr 1830 versetzt zu Herrn Hofgärtner Antoine in den k.k. Lustgarten am Rennwege (vordem Zuckerraffinerie), woselbst ich die Oberaufsicht über einen Theil der brasilianischen Gewächshäuser hatte. Im Jahr 1832 verließ ich Wien, um in eine Stellung am botanischen Garten am Johanneum zu Gratz einzugehen und die Gelegenheit mich daselbst wissenschaftlich weiter ausbilden zu können, zu benützen. Nicht ganz ein halbes Jahr verblieb ich in dieser Stellung, indem Professoren vom Johanneum mich aufmunterten, meine ganze Zeit zu meiner wissenschaftlichen Ausbildung zu benützen und nur soviel davon zum Lektionen Geben zu nehmen, als mir zur Beschaffung meiner Subsistenzmittel nöthig werde. Trotzdem, daß ich keine Unterstützung als fl 100 im fl 24 Fuße von zu Hause ein für allemal erhalten konnte, wagte ich diesen Schritt, beschäftigte mich anfangs einige Stunden täglich als Schreiber bei einem Advokaten, dann als französischer Schreiber bei Ihrer Durchlaucht, Fürstin Salm, und später gab ich einige Stunden täglich Unterricht im deutschen Styl und Deklamation wie in den Regeln der französischen Sprache. Ich betrieb nun des größten Theils des Tages wie eines Theils der Nacht hindurch Studien in den Gymnasial- und philosophischen Gegenständen und benützte dazu die öffentlichen Schulen, wie beiliegende Zeugnisse (Beilagen I-V) beweisen.1Im Januar 1836 ging ich nach Frankfurt zurück in Folge des Todes meiner trefflichen Mutter und hatte nun das Glück, daselbst ein Stipendium von fl 2000, fl 24 Fuß, zu erhalten, welche mit einer Summe von fl 400, welche ich bei der Sparkasse zu Gratz als Ersparnis meiner dortigen Verdienste [hatte], mehr als hinreichten, zu Heidelberg und Berlin zu studiren und 1839 zu Heidelberg als Doctor med., chir. et artis obstetr. zu promoviren. Bald darauf bestand ich das Staatsexamen zu Frankfurt und wirkte seit 1839 daselbst als praktischer Arzt (Beilagen VI bis X) mit großem Erfolg, als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer. Infolge der Ehre, Seiner Durchlaucht dem verstorbenen souverainen Landgrafen Philipp von Hessen-Homburg öfters ärztlichen Rath ertheilen zu dürfen, sowie auch wegen meines literarischen Wirkens (Homburg vor der Höhe und seine Heilquellen, 1. Auflage 1842, 3. Auflage 1850, welches Werkchen von mehreren deutschen Professoren aufs ehrenvollste wegen der angestrebten unpartheiischen Haltung recensirt wurde)2, ertheilten mir Seine Durchlaucht im Jahre 1845 den Titel als Hofrath (Beilage XI.).
Vergangenes Jahr wurde mir (Beilage XIIII) ein Ruf nach Boppard am Rhein als Direktor der dortigen großen Wasserheilanstalt unter sehr vortheilhaften äußeren Bedingungen. Das k. Preußische Ministerium Ladenberg hatte bereits seine Zustimmung gegeben, daß ich diese Stellung, cum licentia practicandi in den preußischen Staaten, annehmen könne; jedoch fand ich mich veranlaßt die Unterhandlungen abzubrechen, indem ich ebenso wenig mich dazu verstehen konnte, andere Kranke anzunehmen, als welche sich durchaus zur vorzugsweisen Behandlung mit Wasser eigneten, und bei denselben wo es nöthig auch andere Heilmittel, welche unterstützend die Kurzeit verkürzen könnten, nicht ausschließen wollte.
Meine politische Stellung bisher (siehe Beilagen VI, VII und XV) war eine derartige, daß ich dieselbe einem hohen Ministerium offen vorlegen darf. Vor dem Februar 1848 war ich niemals Mitglied einer politischen Gesellschaft, und als ich anfangs März 1848 Mitglied des bekannten Montagskränzchens zu Frankfurt werden wollte, um beizutragen, mit Klugheit dem Verderben drohenden Strom der damals geträumten Volkshoheit und allgemeinen Freiheit in eine den gesellschaftlichen Bestand sichernde Richtung zu bringen, wurde ich, weil man mir nicht traute, zurückgewiesen. Ich folgte nun einem Aufrufe, einem patriotischen Vereine beizutreten, um die unteren Klassen durch Vorträge über Begriffe einer wahren gesetzlichen Freiheit aufzuklären und sie zu belehren, daß die Freiheit nur gesichert sei, wenn jedes einzelne Individuum sich durch strengste Achtung vor dem Gesetze auszeichne; wurde jedoch auch hier, als ich in der zweiten Zusammenkunft mich energisch gegen eine republikanische Bewegung aussprach, ausgepfiffen und sollte nicht ausreden, was mich aber nicht verhinderte, meine Rede für den nothwendigen Fortbestand der Monarchien durch kräftiges Imponiren zu vollenden. Nach mir verkündete ein Redner lügnerische Triumphe des Struve und Hecker; und bei der dritten Versammlung (meiner letzten), der ich noch beiwohnte, wurde die berüchtigte Eingabe an die Fünfziger verlesen und alle Anwesenden zur Unterzeichnung categorisch aufgefordert, wogegen ich aber protestirte und nur dadurch aus dem Lokale kommen konnte, daß ich einen die Thüre versperrenden Handwerksburschen mit Gewalt wegräumte. Gleichzeitig in dieser Versammlung wurde die Mittheilung gemacht, daß in einigen Tagen eine Bewegung in Frankfurt ausbrechen solle, welche zum Zwecke haben werde, Waffen unter sämmtliche Mitglieder auszutheilen.
Ich schrieb den Morgen darauf einen Brief an den Vorstand dieses Vereins, in welchem ich sein Benehmen als ein durchaus statutenwidriges und ihn, Hecker und Struve als Hochverräther am Vaterlande erklärte sowie meinen Austritt anzeigte, meinen Brief der Versammlung mitgetheilt zu sehen verlangte (was nicht geschah) und den damaligen regierenden jüngeren Herrn Bürgermeister, Herrn von Schweitzer, die Mittheilung machte, daß hoher Senat Maßregeln treffen wolle, das drohende Unglück von der Stadt abzuwenden. Herr von Schweitzer wird über diese wenig bekannt gewordene Thatsache mit Vergnügen Einer k.k. Gesandtschaft zu Frankfurt Mittheilung machen, und ein hohes Ministerium wird die Überzeugung gewinnen, daß ich, wäre die anarchische Parthei in Frankfurt ans Ruder gelangt, dann mein Leben und Vermögen verloren hätte. Ich hatte nun das Unglück, mein einziges 4 ½ Jahr altes Kind zu verlieren, hatte darauf eine einjährige schwere Krankheit und mußte 1849 das Seebad in Boulogne sur mer gebrauchen. So sah ich England (woselbst ich die Cholera hatte) und einen Theil von Frankreich und kam im Herbste 1849 zurück nach Frankfurt, um daselbst meine praktische ärztliche Thätigkeit nach langer Unterbrechung wieder zu beginnen.
Ich gesellte mich damals dem unter Schöff Souchay gebildeten patriotischen Verein bei, um zusammen dem Staate zu verleihen zur Unterdrückung der damals projektirten rothen Verfassung diejenige Kräftigung, welcher er zum Sturze der demokratischen Vertreter, zur Einführung eines früheren Wahlmodus bedurfte; später gehörte ich auch, wie noch jetzt, dem jetzigen Reformverein an, dessen Verdienst es war, die preußische Parthei, wo Souchay an der Spitze, und ihren proponirten theils mit den Conservativen, theils mit den Rothen liebäugelnden Verfassungsentwurf gestürzt zu haben, weil wir einsahen, daß nur eine Richtung, die der kräftigsten Stützung der legitimen Regierungen, Hülfe bringen konnte. Im Herbste 1849 sprach ich gegen die rothe Verfassung agirend, mich gleichfalls öffentlich (mit meinem Namen gezeichnet) im Intelligenzblatte in einem längeren Aufsatze von physiologisch-psychologischer Auffassung ausgehend dahin aus, daß eine republikanische Verfassung eine der menschlichen Natur mit ihren Unvollkommenheiten und Leidenschaften positiv entgegen strebende, also unmögliche sei, daß niemals eine eigentliche Republik bestanden habe, nicht bestehe und niemals bestehen könne, auch zu Frankfurt keine solche sei, sondern daß eine feste monarchische Gewalt mit Freiheiten für das Volk, wie sie dasselbe zu fassen vermöge, allein seiner Natur angepaßt sei, und daß man die Regierungen stützen müsse, wolle man nicht alles gesellschaftliche Wohl untergraben sehen.
Im Frühjahr 1850 schrieb ich gegen die preußischen Anmaßungen, wovon jedoch nur ein Artikel, welchen ich beizulegen mir erlaube (Beilage Frankfurter Oberpostamts-Zeitung vom 4. April 1850, Post Frankfurt vom 30. März 1850), gedruckt wurde, der andere sich im Archive Seiner Excellenz des Herrn Grafen von Thun, k.k. Präsidialgesandter beim Bundestage zu Frankfurt, befindet, weil die Redaktion die Aufnahme verweigerte. Ich konnte es nicht länger ansehen, daß mein liebes Oesterreich so entstellt und verunglimpft wurde in preußischen Leitartikeln, und glaubte daher in dem letzteren namentlich, einen Vergleich in wissenschaftlicher und ökonomischer Beziehung zwischen beiden Staaten nach mir bekannten Thatsachen aufführen zu müssen, um in lebendiger, glühender Begeisterung diejenigen Lügen zu strafen, welche über Oesterreich sprachen, ohne es zu kennen, um die alte Anhänglichkeit der Süddeutschen zu Gunsten Preußens zu untergraben. Ich hatte das hohe Glück mir durch mein wahrhaftes Auftreten das Wohlwollen Seiner Excellenz des Herrn Baron von Kübek sowie der k.k. Oesterreichischen Gesandtschaft zu Frankfurt zu erringen, und indem ich mich noch auf deren hohes Zeugnis zu berufen wage, bemerke ich Einem k.k. hohen Ministerium, daß ich es nun zunächst für meine Aufgabe halte, wissenschaftlich wirksam zu sein und die Jugend zu ihrem Berufe und zur Achtung vor dem Gesetze in einer Weise anzuregen, damit sie nicht glaube, zum Gesetzgeber berufen zu sein, ohne die bestehenden Gesetze zu kennen. Für die Wahrhaftigkeit dieser meiner Gesinnungen stehe ich mit meinem Leben ein.
Ich habe noch die Ehre zu bemerken, daß ich laut Beilage XIII Eigenthümer zweier Häuser ersten Rangs in Frankfurt bin und im Stande sein würde aus eignem Vermögen zu leben. Was mich nach Wien zieht, ist daher nicht mein Fortkommen, um bestehen zu können, daselbst zu finden, sondern meine leicht begreifliche Vorliebe für Oesterreich, dem ich, ohne Kinder nur in einer glücklichen, aber fast für Nachfolge hoffnungslosen Ehe lebend, gern ganz mein übriges Leben widmen möchte, um dadurch meinen Dank dem Lande thatsächlich auszusprechen, das mir in seinen trefflichen Anstalten und biederen Menschen so großen Impuls zu einer wissenschaftlichen Entwicklung verliehen hat.
In tiefster Ehrerbietung
Eines k.k. hohen Ministeriums

unterthänigster
Dr. med. Pauli,
L. hessischer Hofrath