Der Priester Alois Pavissich berichtet über den Zustand der Volks- und Hauptschulen in Dalmatien, wobei er zwischen den Schulen der Küstenstädte und jenen der Dörfer unterscheidet. Die Schulen der Küstenstädte seien zwar mit tauglichen Lehrern ausgestattet, allerdings würden die Gegenstände, die sie unterrichten vielfach nicht den Fähigkeiten der jeweiligen Lehrer entsprechen. Pavissich ist zudem überzeugt, dass durch Klüngeleien vielfach schlecht geeignete Lehrer eingestellt würden. Ein weiteres Problem ist aus seiner Sicht, dass sowohl die gelehrten Fächer als auch die Lehrbücher nicht den Anforderungen des Landes entsprächen. Außerdem glaubt Pavissich, dass die Lehre in der Landessprache vernachlässigt werde: Durch den italienischen Unterricht würden die Schüler die illyrische Sprache verlernen und damit werde letztlich auch die Kultur des Landes verloren gehen. Dann geht Pavissich auf die Schulen am Land ein: Die Lehrer dort seien meist schlecht ausgebildet und hätten ein geringes Gehalt. Pavissich bemängelt auch hier die zunehmende italienische Dominanz. Schließlich gibt Pavissich auch einige Vorschläge, wie ein Teil der Probleme gelöst werden könnte: Zunächst müsse die Ausbildung der Lehrer und des Klerus verbessert werden, außerdem plädiert er für eine gewissenhaftere Überwachung der Schulen. Diese Überwachung sollte durch einen fähigen und verlässlichen Schulrat erfolgen. Als möglichen Kandidaten für dieses Amt des Schulrates schlägt Pavissich Georg Marchich, Professor für Dogmatik in Zara, vor.
Hochwürdigster Herr Sektionsrath!
Von Euer Hochwürden aufgefordert, meine Ansicht über den gegenwärtigen Zustand
der Normalschulen in Dalmazien [Dalmatien]
schriftlich zu unterbreiten, will ich dieser ehrenvollen Aufforderung mit jener
Gewißenhaftigkeit und wahren Freimüthigkeit nachkommen, welche jeder, der von
dem Bewußtsein des dringenden Bedürfnisses heilsamer Reformen in diesem Fache
durchdrungen ist, vor allem als Grundsatz annehmen muß.
Zur klareren
Auseinandersetzung des Gegenstandes und um dadurch einen festen Grund zur
Beurtheilung der nöthigen Reformen zu legen, ist es nothwendig die Normalschulen
der Seestädte wohl zu unterscheiden von jenen der zwischen den Bergen gelegenen
Marktflecken und Dörfer in derselben Provinz. Um mit den ersten zu beginnen, muß
ich gestehen, daß es bei jeder Hauptschule tüchtige Männer gibt; allein die
Gegenstände, aus welchen sie Unterricht ertheilen, sind den individuellen
Kräften nicht angemessen und somit das Ziel verfehlt.
Die Hauptschulen von
Zara, Spalato,
Ragusa und Cattaro sind
genügend gut mit Lehrern versehen. Eben so gibt es taugliche Individuen in den
Schulen von Sebenico, Traù [Trau],
Makarska, Lesina und
Eurzola; allein jene Lehrer können allein tüchtig
genannt werden, welche in dem Fache, in welchem sie Unterricht ertheilen,
Genügendes leisten; ein ausgezeichneter Filosof kann zugleich ein erbärmlicher
Lehrer für die erste Normalklasse sein; und außerdem nützen auch die besten
Lehrer nicht viel, wo der Plan, das System und die Art und Weise des
Unterrichtes nicht den Bedürfnissen der Jugend und der Provinz im Allgemeinen
angemessen ist.
1. Für die Schulen von Dalmazien waren dieselben Gegenstände, ja selbst dieselben
Lehrbücher vorgeschrieben wie für die Schulen im lombardisch-venetianischen Königreiche.
Die Bedürfnisse des Lombarden oder Venezianers, die Natur des Volkes sind ganz
verschieden von jener der Dalmatiner. Es müssen daher bei den beiden Nationen
verschiedene Mittel zur Bildung derselben angewendet werden.
2. Bei der Wahl
der Lehrer für die oberwähnten Schulen fanden bisher arge Mißbräuche und
Unzukömmlichkeiten statt. Viele Würdige wurden übergangen, um andern Platz zu
machen, die von den Inspektoren der Distrikte und Diözesen begünstigt wurden.
Dies waren seit jeher große Übelstände und es kann denselben nur dadurch
abgeholfen werden, daß zu Distrikts- und Diözesaninspektoren Männer von strenger
Gewißenhaftigkeit und den diesem wichtigen Posten entsprechenden Fähigkeiten
gewählt werden.
3. Die Gehalte der Lehrer von jenen Schulen sind nicht
verhältnismäßig vertheilt gewesen; die Lehrer der dritten Classe mit 350, 400
und 450 fl (je nach den verschiedenen Städten) konnten allerdings anständig
leben. Dennoch nahmen mehrere, nicht zufrieden mit jener Besoldung, zu
Repetizionsstunden ihre Zuflucht und nicht geringe Mißbräuche und
Ungerechtigkeiten entstanden durch derartige Spekulationen. Unmöglich aber
können die Lehrer der zwei untersten Classen mit 250 und 200 fl sich anständig
durchbringen, ohne die Gerechtigkeit, die sie bei Ausübung ihres Amtes immer vor
Augen haben sollten, zu verletzen? Daher entsteht der Verfall des guten Namens
und des Ansehens bei dem Landvolke und das fortwährende Bestreben, sich durch
andere Mittel eine angenehme Existenz zu verschaffen.
4. Daß die
Normalschulen der Provinz von den bischöflichen Ordinariaten der Diözesen
abhängig sind, daß die Volksschulen von den Bischöfen geleitet werden, halte ich
für eine höchst ehrwürdige Einrichtung und bin innerlich überzeugt, daß man die
Erziehung des christlichen Volkes keinen würdigeren Händen anvertrauen könne.
Aber Ihnen gegenüber, hochwürdiger Herr Sectionsrath, erlaube ich mir mit aller
Freimüthigkeit zu sprechen, wie sie ein erleuchteter Christ gleich dem Ihrigen
voraussetzt. Es waltet keine Zweifel darüber, daß unsere Bischöfe Männer von
vortrefflichem Herzen und von wahrer musterhafter Tugend sind; allein
intellektuelle Fähigkeiten sind nicht immer mit moralischen Vorzügen
gepaart.
Denn ich habe oft gesehen, von welch nachtheiligem Einfluß auf die
Schulenangelegenheiten [sic!] oft die schlimmen Rathgeber und unwürdigen Räthe
sind, denen so mancher Bischof sich unbedingt überläßt, entweder aus eigener
Unfähigkeit, aus Unkenntnis oder in blindem Vertrauen, welches leider oft
Unwürdigen geschenkt wird und das Ansehen der Bischöfe beim Volke zerstört. Auch
jene Räthe sind wieder von ehrgeitzigen und falschen Freunden umgeben, so daß
Angelegenheiten, die mit Ruhe und Gerechtigkeit betrieben werden sollten, ein
Kampfboden für Neid, Eifersucht und Privatrache werden. Nach dieser meiner
kurzen Andeutung mögen Euer Hochwürden Herr Sectionsrath das dringende Bedürfnis
erkennen bei der Bestimmung der Diöcesanschulenauktoritäten für unsere Provinz
sehr vorsichtig zu Werke zu gehen, nicht etwa, als ob über den guten Willen der
erlauchtesten Bischöfe ein Verdacht obwaltete, sondern weil die Schulen sehr oft
von deren Rathgebern geleitet werden, welche ihr Vertrauen mißbrauchend oft die
Gerechtigkeit verletzen.
5. In den Schulen Dalmaziens würden viel reißendere Fortschritte gemacht werden,
wenn man nicht die Landessprache vernachlässigen würde. Nicht alle, welche die
Normalschulen besuchen, sind bestimmt, ihre Studien auf den Gymnasien oder
Universitäten fortzusetzen. Das Land bedarf Leute, welche in den Normalschulen
Lesen, Schreiben, Religion, Rechnen etc. gelernt haben und nach Beendigung
dieses Lehrkurses zu ihren Familien zurückkehren und vom Ackerbau, von dem
Handel und der Schifffahrt leben und ihre in den Schulen erworbenen Kenntnisse
zur Vervollkommnung dieser Zweige zum Besten der Provinz anwenden. Was wird
gegenwärtig meistens aus den Knaben unserer Normalschulen? Sie vergessen die
illyrische Sprache, weil der Unterricht durchgehends italiänisch ist, sie
gewöhnen sich an die Stadtsitten und schämen sich nach beendeten vier
Normalschulen zu den Gewerben ihrer Eltern zurückzukehren oder sie kehren
verderbt dahin zurück, zum Skandal und Verderben für andere. Und wenn sie auch
zu ihrer Familie zurückkehren, haben sie nicht hinreichende Kenntnisse, zum
Besten derselben zu wirken, ihre eigenen Fähigkeiten zu erweitern und alles dies
kömmt daher, weil das Studium der Ackerwirthschaft, des Handels, des Seewesens
vernachläßigt wurden; Zweige, welche mit großem Eifer und von tüchtigen Lehrern
betrieben werden müssen, woran man bis jetzt sehr wenig dachte.
Die
Volksschulen sollen den moralischen, intellektuellen und ökonomischen Zustand
des Landes verbessern. Zu diesem Zwecke erheischen sie Anordnungen, welche den
Bedürfnissen der einzelnen Provinzen angemessen seien, ein Fehler, der erst dann
verbessert wird, wenn man für jede Provinz einen Mann von strenger
Gewißenhaftigkeit und der das volle Vertrauen des Ministeriums genießt, gefunden
hat und seine Vorschläge von der Regierung sorgfältig thätig unterstützt
werden.
Nach Betrachtung dieser Umstände, welche den langsamen Fortschritt
der Normalschulen in den Städten Dalmaziens
begründen, will ich Ihnen, hochwürdiger Herr Sectionsrath, den Zustand der
Schulen in den Gebirgen der Provinz schildern.
1. Das eigentliche
dalmatische Volk darf man nicht in den Seestädten suchen. Mit Ausnahme der
Inseln gibt es wenige Seeorte in Dalmazien, wo
sich das reine illyrische Idiom unter dem Volke erhalten hat, und auch die
einfache, freie, offenherzige Natur des dalmatinischen Städtebewohners ist durch
die italiänischen Sitten verdorben worden, welche während der venetianischen
Republik sich im Übermaße unter den dalmatinischen Seeleuten eingeschlichen,
durch die Vermischung unzähliger italiänischer Familien mit dalmatinischen,
durch die italiänische Einrichtung, die man den Schulen gab, und durch die
ausländische Erziehung, welche Jünglinge unseres Landes außerhalb ihrer Heimath
erhielten. Daher kam es, daß der am Meer gelegene Theil Dalmaziens ganz zu einer italiänischen Provinz ward, eine
Umgestaltung, von welcher die Regierung beurtheilen möge, ob sie vortheilhaft
oder nachtheilig für die Einheit und Festigkeit der Monarchie sei. Ich
meinestheils halte sie für nachtheilig und glaube, da man alles mögliche thuen
sollte, um zu verhindern, daß dieses fremdartige Element tiefere Wurzel fasse
unter einem Volk, welches die Gesetze achtet und bereit zu jedem Opfer ist,
wodurch das Wachsen und Gedeihen der Monarchie erzweckt wird. Welche sind nun
die Mittel, die man bisher vorzüglich angewendet hat zur Erziehung eines Volkes,
welches rein dalmatisch erhalten werden sollte, indem ich unter dem Namen
Dalmatier einen Inbegriff aller jener Tugenden verstehe, die jeder treue
Unterthan und wahre Vaterlandsfreund im Herzen tragen soll?
2. Es wurden
unfähige, armselige, fahrlässige Lehrer gewählt. Die Lehrer, welche man für
Landschulen hielt, hatten kaum erst die dritte Normalklasse absolvirt. Sie
wußten nicht, welche die Bestimmung eines guten Bürgers seien, welche Tugenden
ihn auszeichnen, welche Mittel zum Gedeihen des Landes, der Familien, der
Städte, des Volkes gewählt werden müßten; und doch wurden sie zum Unterrichte
des Landvolkes gesendet. Sie waren unwißend in der Religion und sollten dieselbe
den Kindern des Landvolkes lehren. Sie selbst konnten nicht gut lesen und
schreiben und sollten andere darin unterrichten. Von solchen Lehrern wurde die
Jugend eher verdorben als geleitet und erbaut. Aber diese Lehrer waren nicht nur
unfähig, sondern auch arm. Der Lehrer soll so anständig leben, daß er andern als
Muster dienen könne. Er muß mit allen Subsistenzmitteln versehen sein, um nicht
zu Privatunterstützungen, der Quelle unzähliger Ungerechtigkeiten und
Unzukömmlichkeiten, seine Zuflucht nehmen zu müssen. Was sind hundert Gulden für
einen armen Landschullehrer? Und diese karge Besoldung war die Ursache, daß man
nur unfähige, zu nichts besserem taugliche Lehrer fand, indem niemand, der zu
Besserem befähigt ist, sich einige Jahre in eine entlegene Landschule, entfernt
von seiner Familie, begeben wird um einen so spärlichen Lohn. Noch mehr; die Art
und Weise, Lehrer des Landvolkes zu bilden, war falsch und lächerlich. Sie
mußten durch sechs Monathe einen Lehrkurs der Methodik und Erziehungskunde
frequentiren. Nach dessen Beendigung wurden sie angestellt. Ist vielleicht eine
vernünftigere und reifere Vorbereitung minder nothwendig, um ein verdummtes
unwißendes Volk, als um Kinder der Städter zu erziehen, welche vielleicht schon
einen vollständigeren Unterricht genossen haben, nämlich den ihrer Familie,
ihrer eigenen Eltern? Die Unfähigkeit und Armuth der Lehrer hat auch zur
natürlichen Folge ihre Fahrläßigkeit im Unterricht. Unglücklicherweise kam zu
dieser Fahrläßigkeit der Lehrer noch der Ehrgeitz und die Auszeichnungssucht
einiger Schulinspektoren und Direktoren, denen nichts an den Fortschritten der
Schulen zum Besten des Volkes, sondern alles nur daran lag in ihren jährlichen
Berichten an die Regierung herauszustreichen, wie sie in wenigen Monathen
fünfzehn, zwanzig Schulen gegründet hatten, ohne sich bei der Wahl der Mittel
zur Befriedigung ihres Ehrgeitzes lange zu bedenken.
3. Diesen unermeßlichen
Übelständen könnte meiner Ansicht nach nicht besser abgeholfen werden,
als
I. durch eine sorgfältigere Heranbildung der zu den Lehranstalten
bestimmten und indem man besser für sie sorgt.1
II. durch eine angemessenere
Erziehung des Clerus in Dalmazien.
III.
durch eine gewißenhaftere Überwachung des Fortgangs der Schulangelegenheiten von
Seite der Districtsinspektoren und Direktoren.
In Betreff der zwei ersteren
Bedürfnisse erachte ich es überflüßig Ihnen hochwürdiger Herr Sectionsrath den
Weg zur Abhülfe für dieselben anzugeben, indem Ihre Kenntnisse und Erfahrungen
dazu gewiß die passendsten Mittel finden werden; mein Vortrag beschränkt sich
nur auf eine Darstellung des gegenwärtigen Standes der Dinge und der
vorzüglichsten Ursachen der Übelstände. Aber in Betreff des dritten Punktes,
„der gewißenhafteren Überwachung des Fortgangs der Schulangelegenheiten“, wage
ich als den einzigen Weg dazu die Wahl eines ausgezeichneten Schulrathes und
obersten Leiters vorzuschlagen für die Normal-, Volks- und Landschulen der
Provinz. Es ist mir bekannt, daß die Absicht des Ministeriums dahin geht, aber
ich glaube freimüthig meine Ansicht über die Wahl dieses Individuums aussprechen
zu dürfen. Ich kenne gegenwärtig wenige zu einem solchen Posten befähigte
Dalmatiner; aber einer ist mir bekannt, der alle Vorzüge in sich vereint, diesen
Posten würdig zu vertreten. Es ist der Professor der Dogmatik im Seminar zu
Zara, der hochwürdige Herr Georg Marchich, Diözesan von
Spalato; ein Mann von 35 Jahren, ausgezeichneter
Moralität und guter politischer Gesinnung, tiefer Gelehrsamkeit, strenger
Gewißenhaftigkeit, Kenner der illyrischen, italiänischen, deutschen,
lateinischen, französischen und griechischen Sprache, gründlich vertraut mit den
Zuständen der Provinz und ihren Bedürfnissen, ein Name, der allen Dalmatinern
theuer ist. Diesen Mann empfehle ich Ihrem Herzen und Geiste, hochwürdigster
Herr Sectionsrath, und ich bin überzeugt, daß durch seine Wirksamkeit die
Volksschulen in Dalmazien in wenigen Jahren
eine vortheilhafte Gestaltung annehmen, daß das hohe Ministerium
einen Mann werth des vollsten Vertrauens und von mehr als genügender moralischer
Kraft in ihm finden würde, die vielen Wunden zu heilen, aus denen das
unglückliche Dalmatien auch in Betreff des Schulwesens blutet.
Indem ich diese wenigen Andeutungen über den gegenwärtigen Zustand und die
vorzüglichsten und dringendsten Bedürfnisse meines Vaterlandes niederschreibe,
habe ich die Ehre mich zu zeichnen
Ihren unterthänigsten, ehrfurchtsvollst ergebenen Diener
Alois Caesar Doctor
Pavissich
den 22. December 1850 in Wien