Der Schreiber berichtet über die Veränderungen bei der Waisenkassenverwaltung in einigen Herrschaften in Niederösterreich: Bisher wurden die Vermögen und Erbschaften von Waisen in Kumulativkassen eingezahlt, die für die Waisen einen ertragreichen Zinssatz boten. Diese Kassen konnten der Landbevölkerung günstige Kredite ohne großen Aufwand vergeben. Nach der Abschaffung der Kassen fehlt es einerseits an einer guten Vermögensverwaltung für Waisen und andererseits an günstigen Krediten für die Landbevölkerung. Die meisten Bauern sind auf solche kleinen Kredite aber angewiesen und müssen nun als Ersatz häufig Land verkaufen, was zu einer Verarmung der Landbevölkerung führen wird.
Notiz
Meiner Ansichten und Erfahrungen über die frühere und gegenwärtige
Waisen-Vermögens-Verwaltung auf dem flachen Lande.
Der Eingangs angesetzten
ziffermäßigen Nachweisung, ist die Annahme, als der Thatsache nahe liegend zu
Grund gelegt "ein Pupillen-Vermögen werde durchschnittlich 10 Jahre
verwaltet."
In öffentlicher Hand | bei Sparrkassen | bei Privaten | ||
f. | f. | f. | ||
1. Von den Herrschaften Gloggnitz,
Wartenstein, Kreisberg, Stuppach, Pottschach, Schottwien, und Kranichberg wurde mit Ende Juni 1850 übergeben |
4.476 | 160 | 250.370 | |
2. Vom 1. Jänner 1851 bis Ende 1856 als neue Verwaltungsperiode beträgt der Zuwachs |
23265 | 15888 | 157085 | |
hiezu zur Gleichstellung der 10jährigen Periode 4/58[?] | 7755 | 5296 | 52362 | |
3. Gilt das jetzige Verwaltungsverhältnis | 31.020 | 21.184 | 209.447 | |
4. Von den Privatschulden haften bei Eltern für Kinder | 171.024 | ein sehr ungünstiges Verhältnis, die Eltern mißtrauen den Vormündern schulden daher lieber ihren Kindern selbst |
||
dagegen bei Fremden angelegt | 38.423 |
Nach den vor Einführung der lh. Gerichte bestandenen hohen Vorschriften, über die
Waisenamt-Geschäfteführung wurden die baar zu Gerichte erlegten Erbbeträge von
Pupillen in die gemeinschaftliche Waisenkasse genommen, und auf den Namen des
Waisenamtes gegen Realsicherheit hindangegeben. Den Pupillen wurde ein Konto auf
der Kumulativkasse eröffnet, – die 5 % Zinsen soweit selbe nicht behoben wurden,
in runden Guldensummen alljährlich zu Kapital geschlagen, und sofort das
Vermögen in der Regel in 16 Jahren verdoppelt.
Auf diese Weise genoß
einerseits das Vermögen der Pupillen eine sehr zweckmäßige Verwaltung, und
andererseits zeigte die Waisenkasse als natürliches Creditinstitut für das
flache Land (indem nur selten wie mein Ansatz 1. nachweiset, in öffentlichen
Fonds und Sparrkassen Anlagen gemacht wurden), die segensreichsten Folgen für
Agrikultur und Kontributionsfähigkeit.
Der Landmann kam zur ehemaligen
Herrschaft both Pupillarsicherheit, und erhielt, in kurzem Wege, ohne allen
Zwischenhandl, ohne allen Auslagen, durch Gänge etc. etc. gegen einen
intabulirten Schuldschein ein Darlehen, das er nach Gepflogenheit seinen Kräften
angemessen, selbst in kleinen Beträgen zurückerstattete; derselbe schaffte sich
im Augenblicke des Bedrängnisses schnell die nöthigen Mittel um sein Reale
gehörig bewirthschaften, – die Mittel auf Verbesserung etwas anwenden – endlich
die Mittel seine materiellen Verhältnisse kräftigen, somit kontributionsfähig
bleiben zu können.
Die Sicherheit von diesen so schönen Institute wurde
durch die auf den Dominikalgütern gesetzlich haftende Octava und die Kontrolle
theilweise durch Vorlage der Waisenamts-Abschlüße an die k.k. Kreisbehörde und
theilweise durch die Scontrirungen bewerkstelliget.
Durch Aufhebung der
Patrimonial-Gerichtsbarkeit wurde die Auflösung der cumulativ Waisenkosten und
Umwandlung in Singularmaßen, wie selbe in der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien
früher bestanden, herbeigeführt und dekredirt, was mit schmerzlichen Widerhall
bei dem Landvolk umso mehr empfunden wurde, als es dieses schöne Institut fallen
sah, dem es mit Recht gewohntes, unbedingtes Vertrauen schenkte, es sah sich
seines natürlichen Helfens in der Noth beraubt, und erkannte im richtigen
Vorgefühle, daß in Hinkunft die disponiblen Gelder, wie mein ad 3–1
dargestelltes Verhältnis zeigt, in öffentliche Fonds und Sparrkassen flüßen
werde.
Nach dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche Gerichts- und
Depositeninstruktion, haben die Vormünder, als Vertreter der
Pupillarvermögenschaften, dem Bezirksgerichte Rechnung zu legen, bei
Kapitalanlagen, Fruktificierungs-Vorschläge zu machen (was bei cumulativer
Waisenverwaltung entfällt) bei Erfolglassungen schriftlich hierum
einzuschreiten, zu dessen Bewerkstelligung dieselben, da beinahe keiner im
Stande ist, eine einfache Bitte oder Quittung zu schreiben, Advokaten oder
Notare in Anspruch nehmen müssen, wodurch von der größeren Anzahl kleiner
Kapitalien, die Zinsen auf mehrere Jahre in Anspruch genommen sind, und zur
Folge hat, daß Zinsen von diesen Vermögenschaften 7–8 Jahre nicht behoben,
unfruktificirt, ja oft uneinbringlich werden. Auch tritt häufig der Fall ein,
daß Vormünde die Urkunden in Händen behalten, nicht deponieren, und daß selbst
Schuldurkunden Jahre lange nicht ausgestellt werden.
Die Gerichte welchem
Zeit und Arbeitskräfte mangeln, kann die Vormünde nicht überwachen, und ich
glaube behaupten zu können, daß über die Hälfte der Pupillarmaßen in der Provinz
Niederösterreich kein Vormundschaftsrechnungen gelegt sind, für diese Annahme,
und den vorangeführten Thatsache spricht der Abschluß der Waisenämter resp. der
summarische Scontro, nach welchem die rückständigen Zinsen mindestens die Höhe
von 1/3 der Kapitalforderungen betragen, und einen namhaften Überschuß im
Aktivstand nachweisen, so ist der Stand der cumulativ Kapitalien in
Gloggnitz mit Ende 1856 8802 fl. Dagegen betragen die
fälligen unbehobenen Zinsen 3009 fl.
Nicht allein in Gloggnitz dürfte sich
dieses Ergebnis zeigen, sondern auch bei einer Zusammenstellung sämtlicher
Waisenamt Scontros, würde sich wahrscheinlich dasselbe ungünstige Resultat für
die Vermögens-Verwaltung der Pupillen herausstellen.
Somit glaube ich nach
meiner Erfahrung und Anschaungsweise, dargethan zu haben, daß die frühere
Pupillar-Vermögens-Verwaltung ungleich vortheilhafter gegen die jetzige
war.
Diese dargestellten Nachtheile sind jedoch geringfügig gegenüber den
Nachtheilen, welche die oft besprochene Auflösung der kumulativen Waisenkassen
auf die Landwirtschaft, dieses in der österreichischen Monarchie so wichtigen
Zweig der Nationalökonomie übt. Daher ich mir einiges in dieser Richtung zu
erwähnen erlaube.
Wie bereits gesagt war die cumulative Waisenkasse das
natürliche alleinige Credits-Institut der Landbewohner, wo sie ohne alle
Schwierigkeit Darlehen bis zu dem Betrage von 20 fl. erhielten – nun aber legen
die Vormünde wie mein ziffermäßiger Ansatz 3–4 beweiset die disponiblen Gelder
größtentheils in Staatspapieren und Sparrkassen an, und nur sehr wenig
Kapitalien und diese größtentheils durch Einlösung von cumulativ Schuldscheinen,
werden bei Privaten elocirt. Größere Creditanstalten geben auf das flache Land
keinen Kredit, Private angezogen durch die hohen Prozentengenuß spekuliren in
öffentlichen Fonds- und Industriepapieren, selbst die Sparrkassen üben dasselbe,
somit ist es für den Landmann der kleine Kapitalien benöthiget gegenwärtig eine
Unmöglichkeit sich selbe zu schaffen.
Wie groß das Bedürfnis nach kleinen
Kapitalien unter 300 fl ist, zeigt daß von den 600 Aktivschuldscheinen des
Waisendepositenamtes Gloggnitz 450 auf die Beträge bis 300 fl. und kaum 50 über
600 fl. lauten, auch dürften hierüber die Procentual-Eintragungsgebühren
Aufschluß geben. Diese vorbesprochenen ungünstigen Geldverhältnisse haben die
nachtheiligen Folgen, daß der Landmann zum Verkaufe von Grundstücken schreitet,
seine Oekonomie vernachlässiget, sofort den durch die
Landwirtschaftsgesellschaft und rationelle Landwirtschaft gezeigten Fortschritt,
bei sich nicht in Anwendung bringen kann, somit an ein Vorwärtsschreiten der
Landwirtschaft unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht zu denken, und eine
theilweise Kontributions-Unfähigkeit zu besorgen ist.
Um den Einwurf zu
begegnen, daß die Geldverhältnisse auf dem Lande nicht drückend sind, weil die
l.h. Steuern regelmäßig eingehen, muß ich die unbestreitbare Thatsache
entgegenstellen, daß die Grund- und Häusersteuer, gegenüber dem Werthe der
Naturprodukte zu geringe ist, daher leicht bestritten werden kann.
Wie sehr
auf dem Lande Geld gesucht wird, mögen die mir nach neuerlichen, in der
kürzesten Zeit vorgekommenen Nachfragen nach Geld, beweisen, wo bei einigen
wegen Mangel, Realitäten verkauft wurden als:
Ignaz Rabensteiner von
Gloggnitz
Franz Huber von
Gloggnitz
Wittwe Waseni[?] von
Gloggnitz
Johann Höttel von
Gloggnitz
Franz Vogt von
Enzenreith
Joseph Ritter[?] von
Otterthal
Simon Feiertag von
Stuppachgraben
Johann Först von
Schlögelmühl
Ignaz Sika von
Gloggnitz
Josef Gebhart von
Beierbach
Karl Geisel von
Stuppachgraben
Leopold Rottensteiner von
Göttschach
Johann Gruber von
Grünsting
Karl Fröhlich von ..[?]
Mathias
Nider..[?] von Schlögelmühl
endlich Johann Kostenwein
von Gloggnitz.
Letzterer erhielt von einem Vormund
das Versprechen eines Darlehens, Kostenwein ließ sein Reale[?] schätzen, stellte
einen Schuldschein aus, ließ selben intabulieren, zahlte die Prozentualgebühr,
und nach allen diesen verweigerte der Vormund die Gelderfolgung; so hatte der
Mann eine Satzpost auf dem Hause, ohne Geld erhalten zu haben und bei 30 fl.
Auslagen.
Schließlich erlaube ich mir zu bemerken, daß die Einrichtung von
cumulativ Waisenkassen entweder in den Händen der allerhöchsten Staatsverwaltung
oder in den Händen von Comunen unter gehöriger Controlle, eine unberechenbare
Segnung für das flache Land wäre, welche mit allgemeinem Dankgefühle begrüßt
werden würde.
Gloggnitz am 22. August 1857
Walter