Der Schulinspektor Gregor Zeithammer äußert sich zur Situation der Gymnasien in Prag und zur Umsetzung der Gymnasialreform dort. Zunächst teilt er dem Minister mit, welche Lehrer vom Altstädter Gymnasium in Prag versetzt, entlassen und pensioniert werden sollen. Anschließend äußert sich Zeithammer zum Gerücht, er sei für die Nachfolge eines pensionierten Lehrers an diesem Gymnasium vorgesehen, und betont, für dieses Amt nicht zur Verfügung zu stehen. Er hofft vielmehr, in seiner gegenwärtigen Stellung bleiben zu können, zumal noch einige wichtige Aufgaben zu erledigen seien. Zeithammer nützt außerdem die Gelegenheit, um Thun auf andere Probleme der Gymnasialreform hinzuweisen, so etwa auf die Frage der Lehrerausbildung und die Neugestaltung der Besoldung der Lehrer. Zeithammer weist Thun auch auf den Lehrermangel in Prag hin. Er drängt außerdem darauf, die Frage der Unterrichtssprache möglichst rasch zu entscheiden, damit nicht noch ein weiteres Schuljahr ohne eine genaue Regelung verstreiche. Abschließend äußert sich Zeithammer zum bisherigen Verlauf der Maturitätsprüfungen.
Euere Excellenz!
Endlich wird die Altstädter
Angelegenheit auf präsidialem Wege nach Wien gelangen,
worin die gravirten Stulc und Cupr, ersterer als noch nicht angestellt
entlassen und letzterer auf die Kleinseite übersetzt werden soll. Pečirka soll als für die Hauptstadt weniger
geeignet auf dem Lande angestellt werden. Noch auf die Übersetzung zweier in
andere Kronländer will – wie mir Klingler sagt – der Herr
Statthalter antragen. Doch das werden Eure Excellenz in dem
Augenblicke schon wissen, auch daß Klicpera selbst um seine Pensionirung ansuchte, nachdem er durch
mich über Auftrag dazu einen Wink erhalten. Dieser so erledigte Posten ist nach
einem Gerüchte von Wien her mir zugedacht. Eine solche
Degradirung habe ich wissentlich nicht verschuldet. Auf der Altstadt, die ohnehin seit lange mein
Kreuzweg ist, würde ich als Degradirter ohne Ansehen nichts wirken; auch tauge
ich meines empfindlichen Halses wegen nicht mehr zum Vortragen, was ich
wenigstens in Erkrankungsfällen der Lehrer müßte. In dem Falle und, wofern ich
anderweitig nicht verwendbar bin, müßte ich um meine Pensionirung bitten, wenn
ich gleich erst etwas über 25 Jahre diene, wodurch mein Einkommen freilich sehr
geschmälert würde. Ich möchte dann besonders aus Rücksicht für meine Familie nur
um die Gnade bitten, mich nicht mit ihr darben zu lassen. Den Herrn Statthalter, der mir – wie ich
glaube – wohlwill’, würde ich auch in dieser Beziehung angehen. Seit jenem
verhängnisvollen Decrete über die Visitation der Prager Gymnasien bin ich in einer oft sehr gedrückten Stimmung,
sodaß ich Gott anflehe, er möge bald eine Entscheidung herbeiführen. Ich würde,
nun die Sache in Bezug auf Unterrichtssprache geregelt wird, wenn ich dessen für
würdig gehalten werde, gern noch in meiner gegenwärtigen Stellung dienen; doch
bin ich, da mich das Gewissen von einer Schuld und Vernachlässigung in meiner
Amtsführung freispricht, auf alles gefaßt.
Einiges liegt mir noch am Herzen,
worauf ich Eurer Excellenz Aufmerksamkeit zu lenken mir erlaube. Möge an dem
neuen Baue, der im Ganzen gut ist, nicht viel gerüttelt werden, weil sonst für
seinen Bestand zu fürchten wäre. Die neuerliche Einführung des
Classenlehrersystems wenigstens im Untergymnasium macht eine Abänderung des
Candidatenprüfungsgesetzes nothwendig. Mache Examinatoren treffen noch nicht das
gehörige Maß für die Forderungen an die Candidaten, sie kennen nicht die
Bedürfnisse der Gymnasien. Für das Pädagogisch-didaktische, das von solcher
Wichtigkeit ist, geschieht in der Heranbildung der Candidaten noch zu wenig. Die
Regelung der Gymnasien ist höchst wünschenswerth, an den meisten Staatsgymnasien
gibt es noch viel Supplenten, die überdies häufig gewechselt werden, wodurch der
Unterricht ungemein leidet. Ebenso nöthig ist die Regulirung der Lehrergehalte,
immer sind die 200 fl nur Zulage, und selbst wenn sie zum Gehalte geschlagen
wird, stehen die Realschullehrer hier noch besser als die hiesigen
Gymnasiallehrer, da jene höhere Decennalzulagen haben. Freilich wird dadurch das
Budget des Unterrichtsministeriums erhöht, doch so wie zu meiner großen
Freude das vorjährige bedeutend höher war als das im vorangehenden Jahre, so
möge Gott Eure Excellenz für jeden Gulden segnen, der in diesem und dem
künftigen noch mehr ausgegeben wird. Wir haben seither nur in der Hauptstadt zu
13 Lehrern, sollen ihrer auch auf dem Lande und unter welchen Bedingungen so
viele werden? Jetzt macht es der Mangel an Lehrern fast unmöglich, zumal uns bei
den vielen Concursausschreibungen noch Verluste bevorstehen. Da sich nach andern
Kronländern mehrere gemeldet und Veränderungen auf der Altstadt in Aussicht gestellt sind, so
würden wir – falls alle abberufen werden sollten – in die bitterste Verlegenheit
kommen, da uns nicht so viele Candidaten zu Gebote stehen. Ich könnte auf meiner
Abtheilung höchstens für drei abgehende Supplenten stellen, es haben aber nebst
diesen noch vier wegverlangt. Darunter ist nicht Bayer von Königgrätz, der sich dort wie Herbek in Neuhaus fast unmöglich gemacht
hat. Ich würde sehr bitten, diese in andere Kronländer zu versetzen. Die
Resolutionen wollen Eure Excellenz auch in Bezug auf die Unterrichtssprache
beschleunigen lassen, damit die nöthigen Vorkehrungen noch vor Beginn des neuen
Schuljahres getroffen werden könnten. Ich muß deshalb, obwohl mir eine kleine
Erholung nach beinahe vierthalbjähriger ununterbrochener Anstrengung noth thäte,
umso mehr hier bleiben, als College Effenberger Urlaub genommen und vor dem 14. September nicht
zurückkehrt. Bei dem großen Mangel an Lehrkräften kann an Parallel- und
Vorbereitungsclassen nicht gedacht werden, weshalb wir den Antrag stellten, die
früher bewilligte Ziffer 60 für die Aufnahme in die einzelnen Classen noch
weiter zu belassen. Wir erwarten die versprochenen Schulbücherverzeichnisse,
damit sie den Lehrkörpern vor Beginn des Schuljahres hinaus gegeben werden
könnten. Wegen Ausmittelung der Localitäten für die zwei obersten Classen des
Altstädter Gymnasiums dränge ich
Herrn Klingler fortwährend, sie sind
unumgänglich nothwendig. Die Maturitätsprüfungen sind bisher sehr günstig
ausgefallen; ich bin mit meinen Landgymnasien fertig geworden, und von 67
Examinanten wurden nur 6 geworfen, 23 bestanden mit Auszeichnung. Auch Effenberger war sehr zufrieden,
nur kenne ich die Daten nicht genauer. Die Maturitätsprüfungen nach dem 1.
Semester scheinen sich nicht als zweckmäßig zu bewähren, da z. B. heuer von den
Geprüften beinahe die Hälfte reprobirt wurde. Die minder Fleißigen verschieben
aus Bequemlichkeit die Prüfung, lassen sich als außerordentliche Hörer bei einer
Facultät inscribiren, machen da und für das bevorstehende Examina nicht viel
oder nichts, und fallen zu ihrem und der Eltern Unglück durch. Haben sie aber
bloß die Prüfung am Schluße des Jahres, so werden sie dadurch zu größerem Fleiße
angespornt, und sind sie noch zu schwach, so wird es heilsamer für sie sein,
wenn sie das ganze Jahr wiederholen. So würde auch für diese Schwächeren die
Universitätszeit nicht verkürzt, da gerade sie der vollen Zeit mehr als alle
andern bedürfen. Nur für den nächsten 1. Curs würde ich eine Änderung nicht
vorschlagen, weil viele schon auf den alten Usus rechnen. Diese Andeutungen habe
ich mir erlaubt, da es nicht den Anschein hat, daß Euere Excellenz in den Ferien
mehr – wie es früher hieß – nach Prag kommen: Um eine
Beruhigung rücksichtlich meiner Zukunft wage ich nicht zu bitten.
Wie es
auch ausfallen möge, ich werde nicht wankend in meinem Vertrauen an Eurer
Excellenz Huld und Edelmuth, sowie ich mit unbegränzter Verehrung und innigster
Dankbarkeit geharre
Euerer Excellenz
unterthänigster
Gregor Zeithammer
Prag, am 22. August 1853