Eugen Czernin, Herr der Herrschaft Neuhaus, bittet Leo Thun um Unterstützung für das Obergymnasium in Neuhaus. In der Stadt befürchtet man nämlich, dass das Gymnasium aufgelassen werde. Die Gemeinde will dies unbedingt verhindern. Da sie jedoch nicht in der Lage ist, ausreichend finanzielle Mittel zur Erhaltung des Gymnasiums aufzubringen, bittet Czernin den Minister um eine staatliche Unterstützung. Zur Bekräftigung seines Antrages betont er, dass sich die Stadt Neuhaus und ihre Bürger während er Unruhen in den Jahren zuvor stets ruhig verhalten hatten.
Hochgeborner Graf!
Nicht ohne Besorgnis eine Unbescheidenheit zu begehen, wage ich es, Euer
Excellenz mit diesen Zeilen zu belästigen. Eine Stimme sagt mir, daß ich es
vermeiden sollte, einem Manne auch nur einige Momente zu rauben, der unermüdlich
seine Tage dem Wohl des States zum Opfer bringt und dessen Zeit unausgesetzt den
wichtigsten Gegenständen gewidmet ist. Allein andererseits ist es doch hart,
wohlbegründete Anliegen gänzlich unberücksichtigt zu lassen und hierdurch
Bittende in tiefen Kummer zu versetzen. Ich zähle daher auf Euer Excellenz mir
bekannte und bewährte Güte und erlaube mir, Ihnen insbesondere von dem Gesuche
der Stadt Neuhaus zu sprechen, welche mich bei der
Constituirung der Gemeinde zu ihrem Ausschußmann erwählte. Diese Stadt, unter
deren 7 bis 8.000 Einwohnern sich sehr viele Nothleidende und Arme befinden, und
welche während der Zeit allgemeiner Aufregung im Ganzen gute Gesinnungen hegte,
die Stadt Neuhaus befürchtet ihr Obergymnasium zu
verlieren. Dieser Verlust wäre für die Bewohner des Ortes in jeder Hinsicht von
den nachtheiligsten Folgen. Die Gemeinde ist zwar allerdings nicht in der Lage,
bedeutende Kapitalien zur Dotirung ausweisen zu können, allein sie bringt gern
alle Opfer, die mit ihren Vermögensumständen vereinbar sind, und eingezogener
Erkundigungen zufolge sind auch mehrere andere von den ansehnlichern Städten des
böhmischen Vaterlandes nicht im Stande
hinreichende Fonds auszuweisen. Eine Unterstützung von Seite des Staates dürfte
daher wohl kaum zu vermeiden seyn. Was höhere Rücksichten gebiethen, ist mir
nicht möglich zu beurtheilen, sollten aber diese nicht das Gegentheil verlangen,
so würden Euer Excellenz durch Beachtung meiner Fürsprache Leute beglücken, die
der empfangenen Wohlthat gewiß nicht unwürdig sind.
Als ich vor wenig Tagen
von einer Reise nach nordischen Seebädern heimkehrte, fand ich zwischen
verschiedenen Papieren auf meinem Schreibtische eine Zuschrift, welche Ihren
verehrten Namen enthielt. Ich wurde benachrichtigt, daß ein sicherer Herr
Victor Rochleder, dessen
sehnlichster Wunsch es ist, unter dem Befehle von Euer Excellenz zu stehen, von
Ihnen freundlich aufgenommen wurde, und daß, als derselbe sich auf meine
Anempfehlung bezog, er zur Antwort erhielt, ich möchte nur ferner Euer Excellenz
auf den Bittsteller erinnern. Indem ich bloß diese Worte des erhaltenen Briefes
wiederhole, füge ich nur noch die dringende Bitte bei, mir den belästigenden
Inhalt meines Schreibens gütigst zu verzeihen, und verbleibe mit ausgezeichneter
Hochachtung
Euer Excellenz
ergebenster Diener
E. G. Czernin