Leo Thun bittet den Gymnasialinspektor Gregor Zeithammer erneut um eine Auskunft über den Lehramtskandidaten Negedly. Er möchte wissen, ob dieser die Lehramtsprüfungen schon abgelegt habe oder nicht. Der Minister möchte ihn nämlich am Czernowitzer Gymnasium einstellen und er möchte dies auch dann tun, wenn jener die Prüfung noch nicht absolviert habe. Besonders in Galizien ist nämlich der Bedarf an Lehrern groß, so dass geeignete, bereits geprüfte Lehrer rar sind. Der Minister möchte außerdem die Gymnasialinspektoren zu einer Besprechung einberufen. Da viele der Inspektoren jedoch erst kürzlich ernannt worden sind, wird er dieses Treffen noch bis auf den Oktober verschieben. Allerdings will er Zeithammer schon vorher zu einer eigenen Besprechung ins Ministerium bitten.
Wien, den 8. August!
Lieber Herr Gymnasialinspektor!
Ich muß mir über Negedly doch nochmals
Auskunft erbitten. Hat er auch die Prüfung noch nicht bestanden, so will ich ihn
doch noch nicht aus den Augen lassen. Der Bedarf an Gymn. Lehrern schon in Folge
der nichterfolgten Anstellungen ist groß; dazu kommt der Mehrbedarf wegen der 7.
und 8. Klassen, und endlich wegen der Nothwendigkeit durch Pensionierung oder
auf andere Weise schlechte Elemente zu beseitigen. In Galizien
allein werden ca. 50 bis 60 benöthiget. Diese Umstände werden es rechtfertigen,
das nächste Jahr noch hie und da mit ungeprüften Supplenten auszuhelfen. Nahlowsky hat in Cernovic eine Reihe befähigter Leute, er kann einen in der Ausbildung
noch zurückstehenden Supplenten vertragen, wenn er ein Mensch von Strebsamkeit,
gutem Willen und verlässlichem Charakter ist. Ich bitte Sie deshalb nochmals um
Aufschluß, ob Negedly sich dieser
Eigenschaften rühmen kann, für welche Fächer er sich der Prüfung nebst Physik
und Mathematik noch unterziehen wollte, und ob er etwa so schwach ist, daß sich
von ihm auch nichts für die Zukunft hoffen läßt.
Jedenfalls will ich die
Gymnasialinspektoren einberufen. Meine Absicht war aber es erst im Oktober,
nämlich nach Beendigung der Maturitätsprüfungen zu thun, weil sie erst dann
nähere Kenntnis von den verschiedenen Anstalten erlangt haben würden, um so mehr
als die für Mähren und Schlesien, die innerösterreichischen 3
Kronländer, und die Küstenländer erst kürzlich ernannt worden sind.
Indes würde das nicht hindern, daß ich Sie auch schon früher einmal einberufe,
(nachdem Sie und nur Sie eine Bereisung schon vorgenommen haben), wenn Sie es
für zweckmäßig erachten, um die Lösung einiger unverschieblicher Fragen herbei
zu führen. Ich sehe diese Zweckmäßigkeit vollkommen ein, werde jedoch vorerst
deshalb noch an Exner schreiben,
dessen Rückkehr ich womöglich abzuwarten wünschte. Schreiben Sie mir inzwischen,
welcher Zeitpunkt Ihnen mit Rücksicht auf das was Sie vor Beginn des neuen
Studienjahres zu thun haben, der geeignetste scheint. In Betreff des
utraquistischen Unterrichts denke ich demnächst eine Weisung für Böhmen zu erlassen.
An den Gehalten wird es für das kommende Schuljahr etwas zu ändern noch kaum möglich sein.
Mit aufrichtiger Hochachtung
Ihr
ergebener
Thun
Von den approbirten Kandidaten gedenke ich diejenigen, die schon als Supplenten gute Dienste geleistet haben, wohl auch andere über deren pädagogische Befähigung in anderem Wege Bürgschaft erlangt werden kann ohne Weiteres anzustellen, und wünsche sehr, daß ihre Zahl bei der Prager Commission groß genug sei, um einige für Galizien, Ungarn und Kroazien verwenden zu können.