Der Jurist Johann Friedrich Schulte teilt Leo Thun mit, dass sowohl Georg Sandhaas den Lehrstuhl als auch Heinrich Siegel das Extraordinariat, welche Thun ihnen angeboten hatte, annehmen wollen. Georg Sandhaas soll den Lehrstuhl für deutsches Recht in Graz erhalten. Sandhaas bitte allerdings – ohne es zu einer Bedingung zu machen – um eine Erhöhung des Gehalts. Er sorge sich nämlich, dass er mit dem ihm angebotenen Lohn seinen Unterhalt nicht bestreiten könne. Außerdem habe er gehört, dass die Einnahmen durch die Kollegiengelder sehr gering seien. Heinrich Siegel nimmt die ihm angebotene außerordentliche Professur in Wien ohne weitere Bedingungen an. Schulte bedauert zwar, dass Siegel nicht sein Kollege in Prag werde, dennoch gratuliert er Thun, diesen talentierten Mann für den Dienst in Österreich gewonnen zu haben. Zuletzt versichert Schulte dem Minister, für weitere Vermittlungsdienste jederzeit zur Verfügung zu stehen.
Hochgeborner Herr Graf!
Hochzuverehrender Herr Minister!
Euerer Excellenz
gnädigen Auftrag vom 23. vorigen Monats habe ich sofort ausgeführt und teile
nachstehend Hochdenselben die Erklärungen der beiden Dozenten mit.
1. Prof.
Dr. Sandhaas (Georg) hat erklärt:
er acceptire eine ordentliche Professur des deutschen Rechts in Gratz mit definitiver Anstellung, Erlaß
der Taxen, 300 fl. Übersiedlungsentschädigung. In Betreff des Gehaltes trägt
derselbe Bedenken, ob dies hinreiche, um in einer so großen Stadt auszureichen,
zumal da in Oesterreich die Collegiengelder
nach ihm gemachten Mittheilungen unbeträchtlich, in Gießen trotz der kleinen Stadt die
Gehälter der am niedrigsten gestellten juridischen Ordinarien höher seien. Ich
habe über Collegiengelder nichts schreiben können, da ich weder die Anzahl der
Zuhörer in Gratz kenne, noch bei der
nach dem jetzigen Stande der Gesetzgebung vorhandenen leichten Möglichkeit, das
Collegiengeld zu verlieren (z.B. wenn Jemand das Unglück hat, 2 Monate krank zu
sein, obwohl er sich 4 Monate plagte; wenn sich alle oder die Meisten
Pauperitätszeugnisse verschaffen, was auch einem Millionair nicht schwer fällt,
in welchem Falle die Hälfte stets schwinden wird u.s.f.), auch nur annähernd
hätte eine Summe als fest angeben können. Unter den Umständen bittet Sandhaas, Euer Excellenz möchten den Gehalt
„schon jetzt um einige 100 fl. zu erhöhen geruhen“, macht jedoch hiervon seine
Acceptation ausdrücklich nicht abhängig, sondern acceptirt, diese Sache dem
hohen Ermessen Eurer Excellenz anheimstellend.
Seinem Eintritte im October
dieses Jahres kann nicht leicht ein Hindernis in den Weg treten, da zwar die
hessische Regierung erst nach 6 Monaten zu entlassen braucht, dies indeß stets
sofort thut. Übrigens wäre ja auch eine Bitte im diplomatischen Wege ein
sicheres, jedoch schwerlich nothwendiges Mittel.
2. Dr. Siegel (Heinrich) habe ich, wie Euer
Excellenz befohlen, ein Extraordinariat mit 900 fl. Gehalt, sofortiger
Definitive, Nachlaß der Taxen und Aussicht der Übersiedlungsentschädigung bis zu
300 fl in Wien für die
Rechtsgeschichte und das Privatrecht, da ich denselben für letzteres
gleichergestalt befähigt halte, in Aussicht gestellt. Derselbe hat, wie Euer
Excellenz aus der Anlage1 ersehen, diese Bedingungen
einfach acceptirt. Indem ich nochmals bedauere, Dr. Siegel nicht, einen Eurer Excellenz bereits im verflossenen
September geäußerten Wunsch aussprechend, als meinen Collegen begrüßen zu
können, empfehle ich denselben dem hohen Wohlwollen Euer Excellenz um so mehr,
als gerade Dr. Siegel, da er nicht
unbemittelt ist, in der Lage wäre, andere Anforderungen zu stellen, somit seine
Liebe zur Sache und Österreich über das
Geldinteresse – was bisher nur sehr Wenige thaten – siegen läßt.
Ferneren
gnädigen Aufträgen gehorsam entgegensehend zeichnet in tiefster Hochachtung und
Verehrung
Euerer Excellenz
gehorsamster Diener
J. Friedr. Schulte
Prag, den 4 Juli 1857