Der Jurist George Phillips tritt mit einigen Bitten an den Minister heran, um seine Stellung an der Universität Wien sowie seine allgemeine Lebenssituation verbessern zu können. Zunächst dankt er dem Ministerialrat, an den er den Brief richtet und der bei Thun vermitteln will, für seine Hilfe. Er betont, dass er von seinen neuen Kollegen an der Universität freundlich begrüßt worden sei und auch stets zuvorkommend behandelt werde. Dennoch sei er nicht vollkommen zufrieden, da er einerseits sein Werk über Kirchenrecht vollenden möchte und außerdem bei den Studenten nur wenig Erfolg habe. Daher bittet er einerseits um einen Urlaub für das kommende Semester, um besagtes Werk abschließen zu können. Andererseits möchte er – als Konsequenz seines geringen Erfolgs bei den Studenten – seine Vorlesungen in Zukunft für ein breiteres Publikum halten und bittet hierzu um einen geeigneten Saal in der Stadt. Studenten wären freilich bei diesen Vorlesungen auch willkommen. Sollte dieser Versuch ebenfalls scheitern, so würde er sich für immer von der Lehrkanzel zurückzuziehen. Abschließend bittet er um die Vergütung der Übersiedlungskosten von Innsbruck nach Wien, und um die Erhöhung seines Gehaltes sowie die Zusicherung, dass er bzw. seine Frau eine allfällige Pension auch im Ausland beziehen werden können.
Hochzuverehrender Herr Ministerialrath,
Euer Hochwohlgeboren hatten die Güte mir zu gestatten, die Wünsche, welche ich
vor einiger Zeit in Betreff meiner hiesigen Stellung zu äußern mir erlaubte,
Ihrer freundlichen Vermittlung bei Seiner Excellenz dem Herrn Minister übertragen zu dürfen.
Ich würde zwar keinen Anstand nehmen im vollen Vertrauen auf die wohlwollende
Gesinnung, welche Seine Excellenz stets gegen mich an den Tag gelegt haben,
Hochdemselben meine Sache selbst vorzutragen; dennoch ist es mir eine große
Erleichterung, eine auf so überaus gütige Weise dargebotene Vermittlung
anzunehmen. Da ich so frei war Euer Hochwohlgeboren die Ursachen zu entwickeln,
durch welche ich mich in der Erreichung meiner wissenschaftlichen Zwecke
behindert sehe, so enthebt mich die Güte, mit welcher Herr Ministerialrath mir
entgegenkommen, der zwar nicht schwierigen aber umfangreichen Aufgabe jene
Gründe zu wiederholen, da dieselben nunmehr von Ihnen unterstützt ein viel
größeres Gewicht erhalten, als ich es ihnen zu geben vermöchte.
Zuvörderst
muß ich es aber wiederholentlich erklären, daß es mich der Auszeichnung, Güte
und Freundlichkeit gegenüber, die ich hier von allen Seiten her erhalten habe,
wahrhaft schmerzt, mit meiner hiesigen Stellung nicht völlig zufrieden sein zu
können. Nur mit der Unmöglichkeit unter den obwaltenden Verhältnissen diejenigen
Zwecke, welche ich mir als Lebensaufgabe gestellt habe, zu erreichen, und mit
Euer Hochwohlgeboren gütiger Aufforderung vermag ich es zu rechtfertigen, wenn
ich meine Wünsche nicht unterdrücke, sondern, wie es im Nachfolgenden geschieht,
zur Sprache bringe. Es beziehen sich dieselben auf die Vollendung meiner Arbeit
über das Kirchenrecht, die mir trotz der Schätze der hiesigen k.k. Bibliothek
wegen deren unsystematischen Aufstellung unmöglich [ist], auf meine Stellung als
akademischer Lehrer, in welcher ich einer eigentlichen Wirksamkeit entbehre und
auf meine äußere Lage im Allgemeinen.
Was den zuerst erwähnten Punkt
anbetrifft, so müßte ich mir auf so lange, bis ich jenes Buch vollendet habe,
für das Wintersemester jeden Jahres die Bewilligung eines Urlaubes erbitten; daß
ich es nicht an Fleiß fehlen lassen werde, jene Aufgabe in möglichst kürzester
Frist zu erfüllen, bedarf wohl keiner besonderen Versicherung.
Hinsichtlich
meiner Wirksamkeit als Lehrer habe ich die Erfahrung machen müssen, daß ich bei
dem Bestande der gegenwärtigen Ordnung der juridischen Studien nach Inhalt und
Methode meiner Vorlesungen bei der studirenden Jugend im Allgemeinen nichts zu
leisten, sondern höchstens einigen wenigen ein vorübergehendes Interesse
einzuflößen vermag. Es käme also auf den Versuch an, ob es mir vielleicht
gelänge, durch rechtshistorische Kirchen- und staatsrechtliche Vorträge ein
anderes Publicum zu gewinnen. Dazu wäre aber vor allem die Anweisung eines
Locales in der Stadt nothwendig, und ich würde dann meine Vorlesungen zu einer
Stunde zu halten haben, zu welcher sich möglicherweise auch Studirende der
Universität einfinden könnten. Ob
Seine Excellenz mich dann noch bei der juristischen Facultät belassen oder mir
nach dem Gebrauche anderer Universitäten als Professor honorarius oder quovis
alio titulo das Recht derartige Vorlesungen zu halten verleihen will, stelle ich
ganz Hochderselben gnädiger Bestimmung anheim. Sollte auch dieser Versuch
mißglücken, so müßte ich darin freilich einen Fingerzeig erkennen, mich wegen
Unzulänglichkeit meiner Kräfte für immer von der Lehrkanzel
zurückzuziehen.
Endlich darf ich aber auch meine pecuniären Verhältnisse
nicht mit Stillschweigen übergehen. Von der Theuerung in
Wien, ja von der beinahe völligen Unmöglichkeit, eine
geeignete Wohnung zu finden, kann sich auswärts niemand eine Vorstellung machen.
So habe ich mich denn in diesem Punkte sowie auch darin getäuscht, daß ich
glaubte, einen Anspruch auf Übersiedlungskosten zu haben; infolgedessen befinde
ich mich hier bei einem an sich nicht unbedeutenden Gehalte doch in einer Lage,
in welcher ich auf alle bisherige Annehmlichkeit und Behaglichkeit des Lebens
verzichten muß. Ich bin gewiß weit davon entfernt, irgendeine unbescheidene
Forderung machen zu wollen; ich glaube bei allen mit mir gepflogenen
Unterhandlungen der k.k. Regierung die mindesten Anstände gemacht zu haben, und
so geht auch jetzt mein Wunsch nicht weiter, als daß mir, nächst Ersatz der
Umzugskosten, meine Besoldung doch so aufgebessert werde, daß ich in Wien so zu stehen komme, wie ich verhältnißmäßig in
Innsbruck stand; hierbei muß ich
allerdings bemerken, daß bei den nicht obligaten Fächern an der Wiener Universität noch weniger auf
Collegiengelder zu rechnen ist als dort.
Hieran erlaube ich mir noch eine
andere Bitte zu knüpfen: ich werde gewiß, wie ich es bereits durch eine fast
sechsundzwanzigjährige akademische Laufbahn bewiesen zu haben glaube, meine
Pflichten als Lehrer der mir übertragenen Gegenstände auch in Diensten Seiner Majestät des Kaisers getreulich
nachkommen; sollten Allerhöchstdieselben seinerzeit meine Thätigkeit nicht mehr
gebrauchen wollen, oder sollte ich genöthigt sein, mich in den Ruhestand
zurückzuziehen, so wäre es für mich sehr wichtig, wenn mir die Pension oder
meiner Frau, falls sie mich überleben sollte, ihren Wittwengehalt auch im
Auslande zu genießen gestattet würde.
Indem ich Euer Hochwohlgeboren
nochmals meinen verbindlichsten Dank für die gütige Übernahme der Vermittlung
meiner Wünsche bei Seiner Excellenz auszudrücken mich beehre, verharre ich mit
ausgezeichnetster Hochachtung als
Euer Hochwohlgeboren
ganz ergebenster Diener
Dr. G. Phillips
k.k. Professor
Wien, den 10. Januar 1852
<Wünsche:
1. Urlaub für jedes Wintersemester bis zur Vollendung des Werkes
über Kirchenrecht.
2. Anweisung eines Vorlesesaales in der inneren
Stadt.
3. Vergütung der Übersiedlungskosten von Insbruck [Innsbruck] nach Wien
4.
Erhöhung des Gehaltes.
5. Zusicherung, daß seine oder seiner Witwe Pension
auch im Auslande verzehrt werden kann.>1