Der Historiker Johann Baptist Weiß äußert sich neuerlich zu der Affäre um Cornelius Bock. Weiß betont, dass ihn sehr schmerze, dass Thun über sein Verhalten verärgert sei, zumal er nichts lieber getan hätte, als einen Skandal zu vermeiden. Daher habe er sich auch im Vertrauen an den Minister gewandt. Weiß ist sich jedoch sicher, dass Bock derjenige sei, dessen Handeln und dessen Verrat an der katholischen Sache zu verurteilen sei. Als Zeugen, der seine Aussagen bestätigen könne, nennt Weiß Leopold Johann Sacher-Masoch. Dieser hatte sich in Bock ebenfalls arg getäuscht und wünscht nun, dass Bock demaskiert werde. Weiß hofft, dass sich durch die Auskunft bei Sacher-Masoch die ganze Sache aufklären wird.
Der Brief ist im Nachlass von Thun gemeinsam mit weiteren Briefen, die
diese Thematik betreffen, abgelegt:
Franz Gustav Schreiner an Joseph Alexander Helfert. Graz, 29./30.
Juli 1855.
Johann Baptist Weiß an Leo Thun. Graz, 6. August
1855.
Leo Thun an Johann Baptist Weiß. Wien, 8. August
1855.
Johann Baptist Weiß an Leo Thun. Graz, 8. August
1855.
Ottokar Maria von Attems an Leo Thun. Graz, 10. August
1855.
Excellenz Herr Minister!
Hochgebietender gnädiger Herr Graf!
Ihro Excellenz geehrtes Schreiben vom 8.1
habe ich heute erhalten und beeile mich es zu beantworten.
Es schmerzt mich,
daß Excellenz mein Betragen unverantwortlich und unbegreiflich finden und
glauben können, ich hätte einen Scandal nicht gerne vermieden. Viel schwerer als
es Ihro Excellenz, ward es mir zu glauben, daß Bock an mir und an der Sache des
Katholicismus ein Verräther sey. Und doch ist die Sache gewiß. Wenn ich einen,
der am Versinken war, rette und dieser kaum auf Trockenem greift mich mit dem
Dolch an, so werde ich nicht lange Kriegserklärungen machen, sondern ihn packen
und ihm die Waffen entwinden. Nicht blos Bocks, sondern auch meine Ehre steht auf dem Spiel. Ich habe in
meinem Schreiben nicht gesagt, daß ich ihn moralisch ruinirt habe, das hat er
selbst gethan. Wie er mit mir verfahren, erklärte ich vier Männern, jedem unter
vier Augen, jedem im Vertrauen, zur Erklärung, warum ich in der nächsten Sitzung
Bocks Sache nicht weiter
verfechten werde. Von diesen hat Keiner Etwas unter das Publikum gebracht. Da
sind ganz andere Kräfte thätig gewesen und ganz andere Ursachen wirkten mit, die
mich Nichts angehen. Ich wollte Nichts, als daß Bock wieder in der Stille gehe, woher
er gekommen. Ein Scandal war mir unlieb, Jeder der dabei besprochen wird,
verliert.
Es freut mich, daß Bock „die Thatsachen, auf deren Grundlage hin
ich gehandelt habe“, wie Ihro Excellenz Schreiben besagt, „in Abrede stellt“.
Hier ist die Handhabe, ihn packen zu können. Er hat also vor Ihro Excellenz
gesagt, daß er mich nicht in meinem Charakter angegriffen habe, nicht geäußert
habe:
„Weiß ist ein Ultramontaner. Ich bin kein Ultramontaner, obschon ich
mit katholischen Blättern in Verbindung stehe. Weiß hält sich nur durch die
ultramontane Partei; und doch glaubt er an gar Nichts. Die Professoren Zell und Bähr sind Schuld, daß Weiß nach Gratz kam, sind aber nicht mehr
mit ihm zufrieden. Weiß ist
nicht mehr für mich, weil ich Kost und Logis nicht bei ihm genommen
habe.“
Wohlan, er hat diese Dinge gesagt, und der Beweis kann dafür geführt
werden. Wenn Ihro Excellenz sich in dieser Sache an Herrn Hofrath Sacher-Masoch
Polizeidirektor dahier wenden wollen, so wird dieß bestätigt werden können. Ich
habe den Herrn Hofrath durch seinen talentvollen Sohn kennen gelernt, der im letzten
Spätjahr mit Empfehlungen von Höfler und Mischler zu
mir kam und unter meiner Leitung seine historischen Studien fortsetzte. Durch
mich kam Bock in das Haus dieses
auch für die Wissenschaft regen Mannes, fand die beste Aufnahme, die Loge im
Theater stand immer zu seiner Verfügung; Herr Sacher interessierte sich
sehr für Bock, hob
Schwierigkeiten, die sich ihm entgegen stellten. Und dennoch erklärte 2 Monate
später Herr Sacher, „es
ist gut, daß Bock vor der Zeit
sich demaskirt hat“. Hofrath
Sacher weiß mehr als ich, und kann mehr sagen als ich, der ich
Manches weiß, aber nicht Alles sagen kann.
Wenn Herr Hofrath Sacher den
amtlichen Beweis geführt hat, werden Ihro Excellenz einen sichern Maaßstab haben
zur Beurtheilung eines Mannes, der selbst dem Minister eine Unwahrheit zu sagen die
Stirne hat.
Genehmigen Ihro Excellenz den Ausdruck der Verehrung, in der ich
verharre
Dero ergebenster
Dr. Weiß
Professor
Gratz 9. August 1855