Der ehemalige österreichische Gesandte Friedrich Christian Ludwig Senfft von Pilsach beglückwünscht Caroline Thun zu der verdienstvollen Tätigkeit ihres Mannes und spricht seine Freude über die angebahnte Neuregelung des Verhältnisses der katholischen Kirche zum österreichischen Staat aus. Diese Neuordnung ist aus seiner Sicht das Verdienst von Leo Thun. Senfft von Pilsach betont, dass damit seine langgehegte Hoffnung auf eine Verständigung zwischen Staat und Kirche in Erfüllung gehe. Er ist auch davon überzeugt, dass Österreich nur dann eine erfolgreiche Zukunft gesichert sei, wenn es die angestammten Rechte der Kirche vollkommen anerkenne. Senfft von Pilsach bittet Caroline Thun schließlich auch, Glückwünsche an ihren Schwiegervater, ihre Mutter, Friedrich Thun-Hohenstein und dessen Frau auszurichten.
Innsbruck, 26. April 1850
Gnädigste Gräfin,
Unmöglich kann ich mir es versagen, Ihnen teuerste Gräfin, meine lebhafte
begeisterte Freude auszudrücken über das ruhmvolle segensreiche Werk, welches
Ihr edler Gemahl mit Muth und
Kraft und Glauben unternommen und in seinen wesentlichen Grundlagen mit Gottes
Hülfe schon vollbracht hat. Meine innigsten Wünsche und Gebete waren seit Jahren
auf diesen Gegenstand gerichtet, die Anerkennung und Gewährung der freien
Wirksamkeit der Kirche zum Heil der Völker Oesterreichs. Davon hing nach meiner tiefen Überzeugung der volle
Erguß des göttlichen Segens über die Monarchie und den geliebten Regenten ab. Durch den
unvergleichlichen Vortrag vom [7. April 1850]1 und dessen Genehmigung2 ist das Ziel im Hauptwerke erreicht, im
Ganzen auf befriedigende Weise vorbereitet. Das unverkennbare staatsmännische
Verdienst jener trefflichen Arbeit bildet nur den minderen Theil des Anspruchs,
welchen dieselbe ihren Urheber auf [sic!] den Dank und die Bewunderung des
Landes und eines jeden katholischen Gemüths verleiht. Offenbar hat der Geist des
Herrn dabei mitgewirkt; und Er wird das Werk vollführen und die Stellung segnen,
welche Oesterreich damit in der
katholischen Welt des In- und Auslandes eingenommen hat und durch welche
dasselbe die ihr gebührende feste und würdige Haltung, das lange vernachläßigte
Hauptelement seiner moralischen Macht wieder gewinnt. Seit mehr als siebenzig
Jahren hatte unsere Regierung gegen die Kirche einen unerfreulichen Krieg
geführt, une guerre de Chicane; zum ersten Mahle führt sie jetzt gegen dieselbe
eine ehrliche Sprache und geht auf eine offene Verständigung mit ihr
ein.
Habe ich nöthig Ihnen zu sagen, theuerste Gräfin, wie wohl es mir thut,
meine Gefühle bei einer solchen That auf einen geliebten Freund, auf den
Sohn der unvergeßlichen
Gräfin Therese beziehen
zu können, die wir als Heilige verehren und deren Segen so sichtbar über ihm
waltet. Seit 45 Jahren besteht das Band, das mich an Ihr Haus knüpft und welches
alle damals noch ungeborne Glieder desselben umschließt: Darin liegt mein
Anrecht, Ihnen diesmal meinen herzlichen Glückwunsch darzubringen und denselben
durch Sie, theuerste Gräfin, an den vielbeschäftigten Gemahl, an Ihre verehrte Frau Mutter, an Ihren lieben Schwiegervater, an alle
die Ihrigen, meinen vortrefflichen Fritz und seine Leopoldina, welche wohl noch in Wien
verweilen, nicht davon ausgeschlossen, zu richten.
Der Empfang der Wiener
Zeitung vom 21. war für mich ein wahrer Festtag; auch meine Hausgenossen nahmen
daran Theil und der Vortrag wurde zur Freude und Erbauung
aller im Refectorium verlesen.
Also nochmals Gottes Segen sey über Ihnen
allen!
Verzeihen Sie mir meine Zudringlichkeit Ihnen zu schreiben; der Drang
des Herzens gebot es mir.
Erhalten Sie mir Ihr gnädiges Wohlwollen und
genehmigen Sie den Ausdruck meiner treuen Verehrung.
Senfft