Der Historiker Karl Friedrich Stumpf-Brentano bedauert den Rücktritt Leo Thuns und sieht darin einen herben Schlag für die gesamte Wissenschaft in Österreich. Aus der Sicht von Stumpf-Brentano habe erst mit dem Wirken Thuns echte Wissenschaft in Österreich Einzug gefunden. Dieser große Fortschritt wurde auch in Deutschland anerkannt. Stumpf macht sich deshalb nun Sorgen um die Zukunft der Wissenschaften in Österreich. Er versichert dem Minister jedoch, dass er selbst weiterhin im Sinne von Thun wirken wird. Denn schon bisher war das Vertrauen und die Förderung des Ministers seine stärkste Antriebsfeder.
Das Schreiben befindet sich im Nachlass gemeinsam mit 39 weiteren Dankadressen unter der Signatur A3 XXI D623a.
Euer Excellenz!
Eben von meiner Reise durch Süddeutschland zurückgekehrt und im Begriffe Euer
Excellenz über Dr. Lexer, der jetzt in
Nürnberg mit einem Jahresgehalt von siebenhundert
Gulden bei der Herausgabe der deutschen Städtechroniken verwendet wird, Auskunft
zu geben, erfahre ich den nicht für mich allein, ich darf wol sagen für die
gesammte junge Wissenschaft Oesterreichs
unverhofft herben Schlag durch das Zurücktreten Euer Excellenz von der Leitung
unsres geistigen Lebens. Was die stille Freude, die Zuversicht und das Vertrauen
in Oesterreichs Zukunft bei einem großen
Theil emsig-regsamer und selbstthätiger Männer in und außerhalb Oesterreichs wesentlich genährt und lebendig
erhalten, was das frische Erwachen ernsten wissenschaftlichen Lebens, das sich
unter Ihrer aufopfernden Liebe und unausgesetzter Sorgfalt so freudig entwickeln
durfte und dem es auch Alles zu danken, von dem es auch Alles zu hoffen hatte.
Ich kann so reden, denn ich habe im Laufe meiner Reisen beweisende Äußerungen in
fast sämmtlichen Gauen Deutschlands
vernommen. Bei solcher Überzeugung, welche Zukunft steht diesem Schößling bester
Hoffnungen jetzt bevor? Zu schwach, um durch eigne Kraft völlig erstarken zu
können, läuft er nicht Gefahr bei minder frischer und liebevoller Pflege und
ungewohnt lebhaftem und ausschließlichem Antheil von oben herab trotz
eingeimpfter Beharrlichkeit allmählig zu verkümmern?
Ich gestehe es gerne,
daß diese Anschauung mit durch meine eigenste Empfindung, die mich mächtig
bewegt, bestimmt ist. Denn was bei all meinen, ich darf wol sagen, oft recht
mühsamen und unerquicklichen Arbeiten mir stets neuen Muth, Kraft und Ausdauer
verliehn, war die freudige Zuversicht einst unter Ihrem Schutze und zu Ihrer
Zufriedenheit in einem meinen Anlagen wie Neigungen entsprechend bescheidenen
Wirkungskreis für meine Heimat thätig sein zu können. Ich muß wol jetzt darauf
verzichten und damit auf meine schönsten, meine lebensfrohsten Stunden, die ich
mir geträumt habe. Nicht, daß ich je aufhören würde redlich-rastlos zu arbeiten,
Pflicht wie Natur fordern mich gebieterisch auf und ich werde gehorchen, aber
die Freude des Schaffens, die ist gebrochen, denn die Zuversicht ist dahin. Was
mich übrigens, ich fühle es, mit neuer Wärme wieder und stets zur Arbeit
aneifern wird, ist die Überzeugung, daß ich vor allem das unschätzbare Vertrauen
Euer Excellenz, das mich stets stolz gemacht und gehoben hat, nicht nur zu
rechtfertigen, sondern es mir auch immer lebendig zu erhalten haben werde und
daß ich so zugleich am besten bescheiden in dem Geiste wirke, in welchem Sie im
Großen so unausgesetzt bemüht waren, Oesterreichs Glück und Segen zu fördern.
Und nun füge ich nur noch die innige Bitte hinzu, Euer Excellenz mögen
gütigst Nachsicht mit diesen Zeilen haben, die nicht erst lange überlegt, frisch
vom Herzen kommen, das Ihnen in kindlicher Anhänglichkeit unbegränzt ergeben ist
und es vielleicht früher nie zu sagen gewagt hätte. Auch konnte ich meinem
tiefbewegten Dankgefühle diesen schwachen Ausdruck nicht versagen.
In
tiefster Ehrfurcht und aufrichtigster Hingebung zeichne ich mich
Euer Excellenz
unwandelbar treu ergebenster
K. F. Stumpf
Innsbruck, den 24. October [1]860