Schulrat Andreas Macher sendet Leo Thun einen Bericht über die Aufgaben
und die finanzielle Lage der Dydynskischen Stiftung. Die Darstellung
wurde durch eine Interpellation des Reichsrates Stanislaus
Starowiejski-Biberstein in Auftrag gegeben. Der Schulrat entschuldigt
die verspätete Abgabe des Berichts mit Schwierigkeiten bei der
Beschaffung von notwendigen Informationen.
In der Beilage stellt
Andreas Macher die Situation der Dydynskischen Stiftung dar. Dabei kommt
er zum Schluss, dass die Behauptungen des Reichsrates Starowiejski, die
Stiftung wäre entgegen dem Willen des Stifters nicht eingerichtet
worden, nicht der Wahrheit entsprechen. Macher räumt allerdings ein,
dass sich die Einrichtung der Stiftung tatsächtlich lange Zeit verzögert
hatte. Diese Verzögerung hatte ihre Ursache allerdings in den
Bedingungen des Stiftungsbriefes. Letzten Endes konnte die Stiftung
jedoch nur durch das beherzte Eingreifen der Regierung überhaupt
gerettet werden, weil die Finanzsituation der Stiftung durch die
schlechte Verwaltung des Gutes in Gefahr geraten war.
Euer Excellenz!
Die Interpellation des Herrn Reichsraths Starowiejski von Biberstein in Betreff
der Dydynskischen Stiftungsangelegenheit hat mich veranlaßt, eine gedrängte,
Akten getreue Darstellung dieser Angelegenheit zu entwerfen, welche ich Euer
Excellenz zur hochgeneigten Einsichtname und allfälliger Benützung
ehrfurchtsvoll zu unterlegen mir erlaube.
Ich war vom Jahr 1855 bis zur
Aufhebung der k.k. Landesregierung in Krakau mit der Erledigung der diese
Angelegenheit betreffenden Geschäftsstücke betraut, und besichtigte den
Stiftungsfond Godowa im Jahre 1856, daher mir der ganze Sachverhalt sehr genau
bekannt ist. Der Umstand, daß die betreffende Verhandlungs-Akten bereits nach
Lemberg abgeschickt wurden und ich mir
einige Daten erst auf anderem Wege verschaffen mußte, ist Ursache, daß diese
Darstellung Euer Excellenz so spät zukommt!
Krakau, am 22. September 1860.
Krakau, den 17. September 1860
Der Herr Reichsrat Starowiejski von Biberstein hat in der Sitzung vom 11.
September 1860 zu dem Budget für das Ministerium des Cultus und
Unterrichtes die Bemerkung gemacht, daß seines Wissens
Privatstiftungen, welche zur Ausbildung der Jugend gewidmet sind, dieser
Bestimmung nicht immer zugeführt würden, wodurch der Wille des Stifters
vereitelt werde. Er müsse zur Unterstützung dieser Behauptung auf eine
Stiftung in Galizien hinweisen, welche im Jahre 1808 von
einem gewissen Dydynski errichtet
und zur Erhaltung von 4 Jünglingen aus adeligen Geschlechtern bestimmt
wurde. Diese sei im Jahre 1860 noch nicht ins Leben getreten. Im Stiftbriefe
heiße es, daß die Stiftung durch einen Curator verwaltet werden und unter
Aufsicht der Behörden stehen solle. Gegenwärtig beträgt dieselbe 100.000 fl
wovon 50.000 fl in Barem und 50.000 fl in unbeweglichen Gütern bestehen. Sie
steht unter der Verwaltung des Ministeriums für Cultus
und Unterricht und die endliche Regelung dieser
Angelegenheit nach dem Willen des Stifters sei trotz vielfältiger
Verhandlungen noch immer nicht herbeigeführt. Darin liege einerseits eine
Rechtswidrigkeit, weil dem Willen des Stifters Eintrag geschehe, und dann
scheine ein solcher Vorgang auch unzweckmäßig, weil in ihm eine Art
Abschreckungsmittel vor Errichtung solcher Stiftungen liege.
Reichsrat
von Starowiejski erklärte, auf die Finalisierung dieser Angelegenheit ein um
so größeres Gewicht legen zu müssen, als die Besetzung der Stiftungsplätze
nach dem Stiftbriefe dem Curator zustehe, gleichwol aber die Regierung mit
der Besetzung dieser Plätze vorzugehen die Absicht habe, ein Beginnen,
welches unzweifelhaft einen Eingriff in ein Privatrecht bilden
würde.
Ich war in der angenehmen Lage, diese Stiftungsangelegenheit in
ihren kleinsten Details kennen zu lernen, und muß darum tief bedauern, daß
dem genannten Herrn Reichsrate hierüber größtentheils unrichtige Daten
mitgetheilt wurden, die einen ganz ungegründeten Vorwurf gegen die
Regierungs-Behörden involvieren und durch die Tagespresse leider schon der
Öffentlichkeit übergeben wurden.
Es hat seine Richtigkeit, daß diese
Stiftung im Jahre 1808 von Anton
Dydynski gegründet wurde und bis nun noch nicht ins Leben
trat. Doch würde man sehr irren, wollte man die Ursache dieser auffallenden
Verzögerung in einer etwa ordnungswidrigen Behandlung dieser
Stiftungsangelegenheit seitens der Regierungsbehörden suchen. Der
eigentliche Grund liegt in ganz andern Umständen, wie dies aus nachfolgender
Darstellung zu entnehmen ist.
Anton von
Dydynski hat mittelst der in lateinischer Sprache verfaßten
Urkunde vom 2. Februar 1808, das ihm gehörige Gut
Godowa (Jasloer Kreis) zur Gründung einer Familienstiftung gewidmet
und in den Punkten I. II. und IV. bestimmt, daß 4 Jünglinge und zwar
Namensverwandte des Stifters (de nomine meo) und in Ermangelung derselben
Namensverwandte der Gattin des Stifters (Rosnowska) und beim Mangel auch
dieser Verwandten 4 andere adelige und eheliche Jünglinge aus den Einkünften
des Gutes Godowa so lange erhalten werden sollen, bis
sie einen sichern Lebensunterhalt oder ein öffentliches Amt erlangt haben
werden. Der Administrator dieses Institutes hat mittelst des in den
Zeitungsblättern einzuschaltenden Edicts den Concurs zur Besetzung der vier
Stiftungsplätze auszuschreiben und die sich meldenden Jünglinge vom 7. bis
11. Lebensjahr aufzunehmen. Das Gut Godowa soll nie
veräußert, sondern stets administriert werden.
Zum ersten Administrator
ernannte der Stifter seinen Freund, den gewesenen Grenzkämmerer Rafael von Niedzwiecki. In Hinkunft
soll der Administrator vom betreffenden Landrechte bestättigt werden und bei
diesem den Eid der Treue leisten. Im Punkte X. der Stiftungsurkunde wurde
festgesetzt, daß der erste Administrator Niedzwiecki von jeder Rechnungslage befreit werde; dagegen
solle jeder nachfolgende Administrator dem betreffenden Landrechte
alljährlich Rechnung legen, und zugleich über Moralität und Fortgang der
Stiftlinge Bericht erstatten.
Im Punkte XI. wurde ferner bestimmt, daß
dieses Institut nicht eher eröffnet werde, als bis der zwischen dem Stifter
und dem Rafael von Niedzwiecki
abgeschlossenen Vertrag aufgehört und Letzterer den Zeitpunkt zur Eröffnung
dieses Institutes bestimmt haben wird.
In dem zwischen Anton von Dydynski und Rafael von Niedzwiecki
abgeschlossenen Vertrage vom 4. Februar 1808, wovon mir eine beglaubigte
Abschrift vorliegt, wurde (Punkt 10) bestimmt, daß erst dann, wenn die auf
dem Gute Godowa intabulierte Forderung des Stanislaus von Dydynski pro[?]
34.000 fl [?] und die Forderung des Ignaz
von Dydynski pro 100.000 fl in Banknoten bezahlt, ferner die
im Punkte 5 und 6 angeführten Gebäude (Bräuhaus, Speicher und Kapelle des St.
Michael auf dem Friedhofe in Strzyzów) hergestellt
sein werden, der Administrator Niedzwiecki diese Stiftung zu eröffnen haben wird.
Durch
diese Stipulation hat schon der Stifter selbst den Zeitpunkt zur Aktivierung
der Stiftung in eine sehr weite Ferne hinausgeschoben. Niedzwiecki administrierte
Godowa bis zum Jahre 1822. Kurz vor seinem Tode
überließ er das Stiftungsgut dem Josef
Romer auf 6 Jahre in Pacht. Bis zum Jahre 1828 – also durch
20 Jahre wurden keine der obigen Bedingungen von denen das Inslebentreten
der Stiftung abhängig gemacht wurde, erfüllt. Der Zustand der
Stiftungsgebäude war ein erbärmlicher. Im Jahre 1828 wurde die
Administration des Stiftungsgutes Godowa dem
Anton von Dydynski
einem Verwandten des Stifters übertragen. Gleich nach Übername der
Administration wurde wegen der Forderung pro 34.000 fl das
Executionsverfahren auf Godowa eingeleitet und bis zur gerichtlichen
Abschätzung fortgeführt. Dem Administrator Anton Dydynski gelang es
jedoch, dieses Kapital theils aus den Stiftungsrenten theils aus Eigenem
aufzutreiben und diese Forderung zu befriedigen. Er wollte dem Willen des
Stifters wenigstens theilweise entsprechen und verabreichte durch 8 Jahre
aus den Stiftungsrenten Handstipendien a 100 fl Cmze an 6 adelige Jünglinge
und zwar Ludwig, Marcell, Leopold, Zygmunt, Leo und Nicodem Dydynski – letzterer ist der
gegenwärtige Stiftungsadministrator. Die Fondsmittel waren jedoch durch die
dringend gewesenen Bauten derart in Anspruch genommen, daß Anton Dydynski mit der
weiteren Verleihung dieser Handstipendien aufhören musste.
Im Jahre
1845 war das bestandene Lemberger
Landesgubernium nahe daran, diese Stiftung, welcher damals jede
Lebensfähigkeit zu fehlen schien, ihrem Schicksale zu überlassen. Doch hat
die kk. Studienhof-Commission diese Angelegenheit einer sorgfältigen Prüfung
unterzogen und dem Landesgubernium die Richtung vorgezeichnet, in welcher
dieselbe mit Aussicht auf ein erfreuliches Resultat weiter zu behandeln
wäre. Zur Erzielung derselben fand man es für nothwendig die Administration
des Anton von Dydynski
aufzuheben, was im Jahre 1850 stattfand. Wie traurig es bis zu diesem Jahre
um die Dydynskische Familienstiftung stand, möge aus dem Umstand entnommen
werden, daß bis dahin sämmtliche Stiftungsrenten durch die Bauten erschöpft
wurden, und der Administrator Anton von
Dydynski, welcher dabei auch sein eigenes Gut
Sieklówka einbüßte, eine Forderung von ungefährt
20.000 fl Cmz gegenüber dem Stiftungsfond liquidierte. Hierüber wurde der
Rechnungsprozess anhängig gemacht, welcher schon aus dem Grund verzögert
werden mußte, weil die vom Administrator bis zum Jahre 1848 gelegten und der
Staatsbuchhaltung übergebenen Rechnungen bei Gelegenheit des Bombardement von
Lemberg ein Raub der Flammen wurden und auf
langem Wege durch Dupplicate ergänzt werden mußten.
Im Jahre 1850
übernahm die Regierung resp. das Jasloer kk. Kreisamt die Verwaltung des
Stiftungsgutes Godowa, welches in 2 Sectionen verpachtet wurde und erst mit
diesem Zeitpunkte begann die Stiftung ein reines Einkommen abzuwerfen und
allmählich lebensfähig zu werden. Leider mußte inzwischen in der Person des
Pächters wegen Kontraktbrüchigkeit schon ein dreimaliger Wechsel eintreten.
Statt des früheren Pachtschillings für die 1. Section pro 2024 f. CM wurde
bei der auf Kosten und Gefahr des früheren Pächters vorgenommenen Licitation
nur ein Pachtschilling von 1250 fl CM erzielt.
Bemüht, die Stiftung ganz
im Sinne des Stifters sobald als möglich zu eröffnen, hat das hohe kk.
Unterrichts-Ministerium im November 1857 einen
Stiftungs-Administrator in der Person des Nicodem Ritter von Dydynski provisorisch bestellt, welcher
sein neues wichtiges Amt am 1. Jänner 1858 übernam. Bei den redlichsten
Bestrebungen der Regierungsbehörden und den eifrigsten Bemühungen des
genannten Administrators war es bis nun durchaus unthunlich diese Stiftung
ihrem ganzen Umfange schon zu aktivieren. Die oben erwähnten zwei
Forderungen pro 34.000 fl und 100.000 fl in Banknoten sind zwar bereits
getilgt, doch sind auch beide Sekzionen des Stiftungsgutes
Godowa sehr viele kostspielige Bauten, dringend
nothwendig, ferner ist die Kapelle des h. Michael noch immer nicht
hergestellt, der Rechnungsprozess des gewesenen Administrators Anton Dydynski noch lange
nicht beendet, endlich daß für aufgehobene Urbarialleistungen dem
Stiftungsfonde gebührende Entschädigungcapital pro 35.000 fl CM ungeachtet
wiederholter Betreibungen dem Fonde gerichtlich noch nicht zugewiesen. Bei
so bewandten Umständen ist man heute noch nicht in der Lage zu beurtheilen,
wie hoch sich die Renten der Stiftung belaufen und ob dieselbe zur Eröffnung
der Stiftung auslangen dürften. Nach einer bei der hiesigen kk.
Landeshauptkasse bei mir eingeholten Auskunft beträgt der Kassarest im
Dydynskischen Stiftungsfond bis 20. September 1860 in Barem 104 fl 17 kr.
und in Obligationen 20.270 fl.
Die bestandene Krakauer kk. Landes-Regierung beabsichtigte schon jetzt ein
Lebenszeichen dieser Stiftung zu geben und stellte in den letzten Tagen
August laufenden Jahres ans Hohe
Unterrichtsministerium den Antrag, daß vorläufig 2
Handstipendien à 300 fl Ö.W. aus den Stiftungsrenten provisorisch errichtet
und nur auf so lange verliehen werden, bis die Eröffnung der Stiftung ganz
im Geiste des Stifters mit Rücksichtname auf die vorhandenen Fondsmittel
möglich sein wird. Die Regierungsbehörden haben nie beabsichtigt dieser
Stiftung eine dem Willen des Stifters zuwiderlaufende Richtung zu geben und
absehend von diesem Willen mit der Besetzung der Stiftungsplätze ganz
eigenmächtig vorzugehen, wie dies der Regierung zum Vorwurfe gemacht
wird.
Jeder Unbefangene muß in gerechter Würdigung aller dieser der
Wahrheit getreu geschilderten Umstände gestehen, daß die Regierungsbehörden
nicht nur keinen Vorwurf wegen allfälliger ordnungswidriger Behandlung
dieser Stiftungsangelegenheit verdienen, sondern denselben vielmehr das
große Verdienst gebührt, diese dem Untergange schon so nahe gewesene
Stiftung gerettet und auf einen nicht unerfreulichen Stand empor gehoben zu
haben.