Leo Thun dankt dem Slawisten und Bibliothekar Pavel Šafařik, wenn auch traurig berührt, für die Mitteilung, dass František Čelakovský gestorben ist. Thun hatte von dessen bedenklichem Zustand zwar gewusst, er war nun dennoch überrascht, von dem schnellen Tod Čelakovskýs zu erfahren. Thun wird sich darum kümmern, dass Čelakovskýs Kinder versorgt werden. Da durch den Tod von Čelakovský dessen Lehrstuhl vakant ist, bittet der Minister Šafařik, dessen Nachfolge anzutreten. Thun weiß zwar, dass Šafařik dies nur ungern tun werde, dennoch bittet er ihn inständig darum.
Wien den 26. August 1852
Geehrter Herr!
Die Nachricht von dem Tode Prof.
Celakovsky’s die ich zuerst durch Ihr werthes Schreiben erhalten
habe, hat auch mich in mehr als einer Beziehung sehr schmerzlich berührt.
Während meines Aufenthaltes in Böhmen hatte Dr.
Stanek mich von seinem bedenklichen Zustand unterrichtet, und die
Bemerkung beigefügt, daß der Grund desselben zum Theile in gedrückten pekuniären
Verhältnissen liege. Ich habe nicht unterlassen, diese Andeutung zu benützen,
und war damit beschäftigt in einer oder der anderen Weise Abhülfe zu
verschaffen. Ich mache mir nun Vorwürfe, daß ich damit nicht zu Rande kam, ehe
es leider zu spät wurde! – Ich werde mich gerne zu Gunsten der Zurückgebliebenen
verwenden – muß nur sehr bedauern, daß der Verstorbene hinsichtlich der
Vormundschaft eine Bestimmung getroffen hat, von der es sehr möglich ist, daß
sie Schwierigkeiten bereiten wird, – die in der That geeignet ist, auf die
Gesinnung des Verstorbenen noch einen Schatten zu werfen, und kein Vertrauen
einflößen kann, in die Richtung in welcher seine Kinder werden auferzogen
werden! In unseren wissenschaftlichen Instituten sind durch den Todesfall zwei
sehr fühlbare Lücken entstanden, an der Universität und in der Kommission zur Prüfung der
Gymnasiallehramtskandidaten. Ich bin mit mir vollkommen im Reinen, daß Celakovsky in beiden
Beziehungen gegenwärtig durch gar Niemanden würdig ersetzt werden kann als durch
Sie, – durch Sie allerdings in einer Weise welche statt eines Verlustes ein
Gewinn genannt werden müsste. So finde ich mich denn verpflichtet Sie zunächst
zur Übernahme der Professur zu bitten. – Ich kenne wohl die Gründe die Sie mir
entgegenhalten werden und weiß sie zu würdigen, - kann aber nur beifügen, daß
wenn Sie davon nicht abgehen und sich nicht entschließen können die Lehrkanzel
zu besteigen, ich der entschiedenen Meinung bin, daß gar nichts erübrigt, als
sie durch einige Zeit unbesetzt zu lassen, und das Feld Privatdozenten zu
überlassen, bis sich aus ihnen, und durch Schleichers Mitwirkung ein dem Charakter wie seiner
wissenschaftlichen Leistungen nach vollkommen würdiger Kompetent herausstellt.
Ich bitte Sie in dieser Beziehung mit einer Antwort nicht zu übereilen, ich
werde die Frage in offizieller Form an Sie richten lassen.
Was aber die
Prüfungskommission anbelangt, so bitte ich Sie schon heute auf das
allerdringendste sich zur Uibernahme der Wirksamkeit, die[?] in ihr Celakovsky äußerte[?],
bereitwillig zu erklären. Sie wissen so gut wie ich, wie wichtig es ist, daß sie
von jemandem übernommen werde, der so wohl in wissenschaftlicher Beziehung
vollkommen kompetent als über jeden Zweifel in der Unpartheilich[keit] seiner
Urtheile erhaben ist, – und daß außer Ihnen Niemand vorhanden ist, der beiden
Anforderungen vollkommen entspräche. Am Ende würde nichts erübrigen als auf
Schleicher zu greifen, – ich
bitte Sie inständig mich nicht in diese Nothwendigkeit zu
versetzen.
Hierüber sehe ich einer baldigen Erwiederung mit wahrer Unruhe
entgegen.
Mit der Versicherung aufrichtiger Hochachtung verharre ich
Ihr
Thun