Josef Stlaukal, Feldwebel des 57. Infanterieregiments, informiert Leo Thun über das tadelnswerte Verhalten des griechisch-katholischen Klerus im Komitat Semplin. Der Klerus nütze die dort lebende Bevölkerung aus, obschon das Land karg und die Bewohner daher besonders arm seien. Als besonders negatives Beispiel nennt er den Pfarrer von Vydrany im Komitat Semplin: Dieser wohne mit einer Konkubine in einem Haus, mische sich in politische Angelegenheiten ein und beute die Bevölkerung aus, indem er überhöhte Gebühren für seine Dienste einhebe. Stlaukal hofft, dass Thun diesem Treiben ein Ende setze.
Euere Excellenz!
Seit meiner Beurlaubung durch neun Monate habe ich genug Gelegenheit gehabt, mich
von dem Treiben der hiesigen griechisch-katholischen Geistlichkeit die
Überzeugung zu verschaffen und darf nicht unterlassen, diese Unbilden, welche
hiergegends dem treuen Unterthan geschehen, gestützt auf den mir von Seite der
hohen Regierung eingeflößten Muth auch zu diesem Fache berufen zu sein, zur
Kenntnis Euer Excellenz zu bringen und beschreibe im Vorhinein die Lage und
Beschaffenheit der hiesigen Gegend und der Bewohner:
Liegt diese Gegend
nördlicher Seits an ein hohes Waldgebirge und gränzt gegen
Galizien an den sogenannten Bezkied [Bezkid], der Boden
selbst ist zu den unfruchtbaren als üppigen zu rechnen, würde bei Weitem mehr
eintragen, wenn der Fleiß in Anspruch genommen und das Volk ihr Vertrauen nicht
so viel in die Natur setzen würde, was zu Folge hat, daß bei dem geringen
Feldertrage der Landmann oft Tage lang hungern, ja auch scheiden muß, weil er
keine Nahrung hat und dennoch wird er von der eigenen Geistlichkeit sehr
unterdrückt, die ihren Vortheil durch verschiedene fast abergläubische
Vorstellungen zu benützen weiß.
Ich erkühne mich, in dieser Beziehung ein
Beispiel eines in dem Dorfe Vidrany [Vydrany], Zempliner Comitats in
Ungarn wohnenden Geistlichen Andreas Petraßovits
anzuführen.
Dieser schon beinahe 60 Jahre alte Mann, Witwer, dessen erster
Sohn Andreas bei einer k.k.
Regierungsbehörde in Kaschau [Košice] als Praktikant, der
zweite unter dem Namen Anton in
dem Seminarium zu Wien unterbracht ist, unterhält in
seinem Hause eine Concubine, die er Wirthin nennt, welcher er freien Lauf in
Ausübung ihrer liederlichen Stückeln zukommen läßt, ja sogar geschehen solche
Fälle in seinem Hause, die er selbst als redlicher Mann zu verantworten außer
Stande ist. Der Hochwürdige gibt
unterdessen den Deckmantel ab und sich durch ihre verbreitenden Reden – als wenn
er mit ihr keinen Beischlaf hätte – vor eigenen Pfarrkindern zu entschuldigen
sucht, da er bei jedem zu ihm eintretenden Gast die Wirthin nöthiget zu sagen,
von wem sie in andern Umständen sei, was dann ohne die geringste Rücksicht auf
die anwesende Jugend geschieht, daß man sich als Mann mit Charakter schämen muß,
den ganzen optischen Gang zuzuhören. Der
Geistliche selbst wohnt in einem an das Gesindezimmer anstoßenden
zu einem Zimmer gebildeten Gemache, wohingegen seine Vorderzimmer leer stehen.
Die fernere Beschreibung dieser Lokalien muß der Gefertigte unterlassen, denn da
wo im Vorderzimmer Dienstbothen, Hornvieh, allerhand Hausthüre unterbracht sind,
kann unmöglich ein ordentlicher Mann, ja vielmehr ein Geistlicher als Spiegel
seiner Pfarrkinder existiren.
Dies ist das Bildungshaus der hiesigen Jugend,
weil der Pfarrer selbst mit ihrem Unterrichte beschäftigt sein soll.
Erlaubt
sich der Herr Pfarrer für eine
vollzogene Trauung, die Taxe von acht Gulden Wiener Währung ohne Unterschied der
Klasse einzuheben, und wenn dies nicht in den Händen der Brautleute ist und
nicht im Vorhinein gezahlt wird, geschieht keine Einsegnung und auf diese Art
die Heiratslustigen von der Laune ihres Herrn Paters abhängen.
Frühere Zeiten als
Ungarn frei war, sagten mir mehrere Leute, haben wir nur
3 fr WW für die Trauung dem hochwürdigen Herrn Pfarrer gezahlt, nun seit der
Einführung der Konventionsmünze bei uns müssen wir auch diese Gebühren in
Konventionsmünze entrichten. Ob daher ein Stollapatent die Vergüttung für die
Trauung 8 fl WW vorschreibt, kann ich nicht ausführlich zu berichten mich
erlauben, überlasse es jedoch dem hohen Wissen Euer Excellenz und erkühne mich,
die Bemerkung zu machen, daß diese Zahlung in einem so hohen Betrage eine sehr
drückende ist, da der hiesige Ansaße fast ein Jahr arbeiten oder ein Nutzvieh
verkaufen muß, um zu der Summe zu gelangen, wohingegen für den Herrn Pfarrer zu gut gesorgt, sein
Solair aus dem Religionsfonde zu erheben oder von seinen Früchten den Gewinn zu
ziehen.
Bei der hier gewesenen Katastralvermessung, wie mir die Leute sagen,
hat sich der Herr Pfarrer mit
dem Ingenieur alle besten Felder nach seinem Gutdünken zuschreiben lassen und
abgesehen davon, daß der Pfarrgrund bedeutend größer ist als jener der
Gemeindeglieder, sollen auch noch die Ansaßen verbunden sein, die auf den
Pfarrgrund entfallende Grundsteuer zu zahlen. Die Grundsteuer ist daher für das
Jahr 1851/2 noch nicht gezahlt, obwohl der Herr Pfarrer den Nutzen bezogen – und so geschieht auch hier die
Verkürzung des allerhöchsten Staates.
Leistet annoch jeder Ansaße zur
Bearbeitung des Pfarrgrundes in Vidrany [Vydrany] und
auch in Palota jährlich drei Täge entweder Zug oder
Handrobot, je nachdem der Landmann Arbeitskräfte hat – und dennoch erlaubt sich
der Herr Pfarrer vor Weihnachten
eine sogenannte Colenda von jeden Insaßen in einem gewißen Maße Hafer ohne
Wiederrede abzufordern, was auch pünktlich geschehen muß, abgesehen davon, wenn
der letzte Bissen dem armen Landmann entrissen wird.
Erlaubt sich der
Herr Pfarrer für die ihm
schuldigen Stolla- und sonstigen Gelder, Felder dem bedrückten Landmann
abzunehmen und auf diese Art manchen seiner Pfarrkinder in den größten Umsturz,
ja sogar auf den Bettelstab bringt, weil er sein Unwesen seit seines Hierseins,
beiläufig durch 25 Jahre ungestört forttreibt, ohne gehindert zu sein. Die dann
und wann auf Visitation kommenden Dekanatsvorsteher sind seine Schwager, die nur
die Kirchenrechnungen vidiren, ohne sich um das Übrige zu kümmern. Auch hier
sind manche Steine des Anstoßes, die erst in ihrer Gegenwart weggeräumt werden
müssen.
Jetzt besteht die österliche Beicht – die Formalien, die hiebei
angewendet werden, kann man nur den Bewohnern und der Geistlichkeit der Wildnis
zumuthen und es wäre zu wünschen, daß eine unverhoffte Visitirung in aller
Beziehung bei diesem Herrn
Pfarrer vorgenommen und hiezu der wohlverhaltene und brave
Ortsrichter Johann Bober aus
Palota zugezogen würde, da der hochwürdige Herr
Bischof Gaganetz [Gaganecz] in
Eperies [Prešov], bloß auf dem Bilde steht, seinen
Bezirk aber kaum kennt, ja vielmehr visitirt, um sich doch einmal von der
Fortpflanzung der wahren christkatholischen Religion zu überzeugen und hie und
da manche Übergriffe zu beseitigen.
Endlich mengt sich der besagte Herr Pfarrer in alle politische
Angelegenheiten hinein, der Ortsrichter
muß nur von ihm den Rath einholen, er sagt zum Beispiele, wem er will, der muß
Soldat werden und wem er nicht will, der mag in der Hölle sein – den wird er
herausreißen und retten – was einen großen Eindruck auf den hiesigen
unerfahrenen Landmann macht.
Diese ungegründeten Eigenmächtigen, Forderungen
und annoch andere Unbilden wären zu schreiben weitläufig, wienach der hiesige
Landmann in den Klauen der Geistlichkeit gehalten wird, ich habe hiebei weder
einen Gewinnst noch Schaden, bin weder dem noch jenem Feind, ja vielmehr lebe
ich auf einem vertrauten Fuße mit dem Herrn
Pfarrer und beruhige mein Gewissen dadurch, wenn ich dies zur
Kenntnis Euer Excellenz bringe, mich der Hoffnung hingebend, daß blos mein Namen
und Charakter für diese Eingabe gezeichnet und im Geheimen bleibt.
Mit tiefster Hochachtung
Euer Excellenz unterthäniger
Josef Stlaukal Feldwbl des 57. Inft. Rgts. beurlaubt!
Vidrany, Zempliner Comitat in Ungarn
am 16. April 1853