Der Jurist Johann Friedrich Schulte drückt sein Bedauern über den Rücktritt Thuns von seinem Amt als Unterrichtsminister aus. Schulte ist der Ansicht, dass es Thun gelungen sei, das österreichische Unterrichtswesen auf eine solide Basis zu stellen und ihm neues Leben einzuhauchen. Schulte zeigt sich daher besorgt, welche Folgen Thuns Demission für die weitere Entwicklung des Unterrichtswesens haben könnte. Er hofft, dass sich Thun auch zukünftig für das Unterrichtswesen einsetzen wird. Er selbst will weiterhin im Sinne von Thun wirken und äußert den Wunsch, ihm weiterhin – als Zeichen seiner Verehrung – literarische Arbeiten übermitteln zu dürfen. Ferner gratuliert er Thun zur Verleihung des Großkreuzes des Leopold-Ordens.
Euere Excellenz!
Da es mir leider nicht vergönnt ist, im Vereine mit Vielen meinen Gefühlen
Ausdruck zu leihen, so ergreife ich diesen Weg.
Mit welchem Gefühle des
Schmerzes ich den Mann von hoher Stelle scheiden sehe, der gerade dem
wichtigsten Zweige des staatlichen Lebens, dem Unterrichte, auf welchem die
Zukunft ruhet, neues, ja erst eigentlich Leben in Österreich einhauchte; den Mann, der für das Gebäude der Kirche,
auf welcher einzig und allein das Wohl der Völker des Kaiserstaates als auf
festem Grunde ruhet, das Fundament mitschaffen half, gegen welches vergebens
Religionshaß, Indifferentismus und Materialismus ankämpfen, solange der Staat an
seiner Spitze solche Männer hat; des Vorgesetzten, der mir stets als
liebevoller, ich möchte sagen, väterlicher Rathgeber mehr denn als kalter Oberer
begegnete, – das vermag ich kaum mit Worten auszusprechen. Mein Schmerz ist
weniger persönlicher Natur als mit Rücksicht auf die Sache und Zukunft. Ich
werde mit Gottes Gnade stets meine Pflicht erfüllen und deshalb fest stehen, mag
dieser oder jener politische Zustand herrschen, der oder jener am Ruder sein;
ich trachte nicht nach äußeren Ehren, die ich leicht in Fülle erndten könnte,
wenn ich, ohne selbst meiner Überzeugung zu schaden, einzeln schwiege, einzeln
nur das Allernöthigste in der von den meisten gewählten Form vorbrächte. Mußte
ich trotz des Wohlwollens Euerer Excellenz und des unablässigsten Wirkens im
Lehramte, in der Praxis und in der Wissenschaft darauf verzichten, auch nur das
Geringste zu erreichen, was ich zu fordern nicht geradezu ein Recht habe, habe
ich keine andere Stellung als der unbedeutendste Ordinarius, so wird es mir
nicht schwer werden, falls ich noch Hoffnungen hegte, diesen für die Zukunft zu
entsagen. Persönlich liegt mein Schmerz gerade in dem Rücktritte Euerer
Excellenz, die mir erlauben mögen, daß ich wiederhole, daß ich an Hoch Ihnen mit
einer Liebe und Verehrung hänge wie an wenigen Sterblichen. Das ist’s, was mich
schmerzt; einen Vorgesetzten zu verlieren, den ich liebe. Nur das wird mir einen
kleinen Erfolg geben, wenn Euere Excellenz mir gestatten, auch fernerhin meinen
Gefühlen von Zeit zu Zeit mindestens dadurch Ausdruck zu leihen, daß ich Ihnen
meine literarischen Arbeiten überreichen darf. Durch Euere Excellenz ward mir
die Gelegenheit, das von Gott mir verliehene Talent zu Seinem Dienste und zum
Wohle des Staates zu verwenden. Hierauf ruhet der innerste Grund meiner
Dankbarkeit, welche nur die Grabesschaufel zudecken wird.
Was aber ist mein
Schmerz, wenn ich an die Zukunft denke. Ich kann mich ja keinen Täuschungen
hingeben, da ich die Verhältnisse kenne. Ich sehe manche der Thaten
zusammenbrechen, die Euere Excellenz in der Geschichte des Unterrichtswesens
einen dauernden Platz sichern. Ich sehe den Unterricht einer unmittelbaren
Vertretung beraubt, zu einem an die Seite geschobenen Hülfsmittel werden.
Möchten sich meine Herzensbefürchtungen nicht bewähren! Gewiß wird dazu am
Meisten beitragen, wenn Euere Excellenz, dessen Rath Seine Majestät niemals gering achten kann,
auch fernerhin das Unterrichtswesen verfolgen und gegen allenfalsige Mißgriffe
Ihre Stimme erheben. O möchte hierzu meine ergebenste Bitte auch beitragen!
Euere Excellenz treten von Ihrem hohen Amte ab mit dem Bewußtsein: das
österreichische Unterrichtswesen auf die Stufe der Gleichheit mit dem der am
meisten hierin vorgeschrittenen Staaten gehoben, namentlich an den Universitäten
eine Anzahl von Männern hingestellt zu haben, die sämmtlich durchdrungen von
ihrer Aufgabe die Keime in treuer dankbarer Erinnerung an Hochdieselben sorgsam
legen und pflegen werden, aus denen der Baum erwachsen möge, welcher über die
Zukunft Österreichs ein segnendes Dach
ausbreiten kann. Nie gab deshalb Seine
Majestät eine hohe Auszeichnung für mehrere Verdienste, für
edleres Streben. Geruhen Eeuere Excellenz hinzunehmen meinen herzlichsten
Glückwunsch zu dem Großkreuz, das so schön den Thaten das Siegel aufdrückt,
welche nur ein dornenvolles, mit manchem Kreuze bezeichnetes Streben, nur ein
hoher Sinn, ein großer ritterlicher Muth zu vollbringen vermochte.
Möchte
ich mich in den sechs Jahren meines Wirkens würdig gezeigt haben des gnädigen
und freundlichen Andenkens Euerer Excellenz. Das ist der innigste Wunsch, die
ergebenste Bitte, mit der unter dem Ausdrucke unbegrenzter Hochachtung, Liebe
und Verehrung stets bleibt
Euerer Excellenz
gehorsamster Diener
Dr. Schulte
Prag, den 20. October 1860