Anton Krombholz sendet Leo Thun eine von ihm erstellte Übersicht über die Dauer, das Eintrittsalter sowie den Schwerpunkt des Unterrichts in verschiedenen Schultypen. Diese sind Volksschulen, Realschulen sowie Berufs- und Gewerbeschulen. Er führt einige erläuternde Bemerkungen an, welcher Schultyp für einzelne Personengruppen am besten geeignet scheint. Er erklärt auch, wie die einzelnen Schultypen aufeinander abgestimmt sind. Schließlich spricht er sich dafür aus, dass in Gebieten, die beispielsweise stark industriell geprägt sind, den Volksschulen Klassen mit gewerblichem Charakter angegliedert werden. Für Gebiete, die stark landwirtschaftlich dominiert sind, soll hingegen landwirtschaftlicher Unterricht in den Klassen vorherrschen.
Übersichtliche Darstellung der Volksschulen und der realistischen Schulen und Studien mit erläuternden Bemerkungen
Schulen und Studien | Eintrittsalter | Schulen in gerader Aufeinanderfolge. Mit festen Schulplänen | Zweig- oder Nebenschulen und überwiegend realistische Schulen oder Berufsschulen | ||||
Gebiet | Bezeichnung | Bezeichnung | Dauer | Eintritt | |||
Gebiet der Volksschule; vorherrschend das Element der Erziehung | niedere Volksschule | vom vollendeten 6. bis nach vollendeten 12. Jahre | Eintrittsklasse: 1. Klasse 2. Klasse |
gewöhnlicher Austritt zu den unteren allgemeinen Lebensbeschäftigungen. Einzelne Knaben zum Gymnasium | mit theilweise abweichenden Schulplänen. Es wäre nützlich, wenn in größeren Orten, welche keine Unterrealschule haben, auch schon an die 3. Klasse eine 4. mit gewerblichem und ökonomischem Unterrichte angereiht werden könnte (Gewerbsschulklassen, landwirthschaftliche Schulklassen). Gewerbsschulen; Ackerbau- oder landwirthschaftliche Schulen; niedere Forstschulen Lehrerbildungsanstalten. |
nach Umständen und Bedürfnissen 1 Jahr oder 2 Jahre | nach dem 2. Jahrgange |
höhere Volksschule und eigentliche Volksschule | 3. Klasse und obere Mädchenschule und 3. Mädchenschulklasse |
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Haupt- oder | |||||||
Bürgerschule | vom 11. bis 15. Jahre | IV. Klasse oder Unterstaatsschule 1. Jahrgang 2. Jahrgang höhere Mädchenschule und 4. Mädchenschulklasse |
häufiger Austritt ins städtische Bürgerleben zu den gewerblichen und industriellen Beschäftigungen und den entweder unmittelbar und durch die nebenstehenden Berufsschulen | ||||
Gebiet der mittleren Realstudien; vorherrschend das Element des Unterrichts |
höhere und eigentliche Realschule; Oberrealschule |
vom 13. bis 17. Jahre | 1. Jahrgang 2. Jahrgang 3. Jahrgang |
höhere Forstschulen; höhere Handelsschulen; nautische Schulen; Bergakademien. |
2 oder 3 Jahre | nach dem 3. Jahrgange | |
Gebiet der höheren Realstudien | vom 16., 17., 18. [Jahre] | technische Studien mit mehreren Jahrgängen |
Anmerkung 1. Der Weg von der 1. Klasse der Volksschule zu den höheren Realstudien
muß grad, sicher, in allen
Ländern derselbe, und möglichst kurz seyn. Er muß Abschnitte
darbieten, wo man zu den unteren allgemeineren Lebensbeschäftigungen entweder
unmittelbar oder auch mittelbar durch eine vorherrschend realistische Bildungsanstalt oder
eine sogenannte Berufsschule leicht und vortheilhaft abgehen kann.
Der unmittelbare Abgang erfolgt am häufigsten nach der 2.
und 3. Volksschulklasse; ferner nach dem 1. und 2. Jahrgange der IV. Klasse oder
der Unterrealschule, weil die Eltern nicht gehalten sind, ihre Kinder, wenn sie
das schulpflichtige Alter zurückgelegt haben, länger und weiter den Schulen
zuzuschicken.
2. Viele Geschäftzweige gewerblicher, industrieller und
ökonomischer Art verlangen eine weitere Ausbildung der zu ihnen übertretenden
Jugend als die drei Volksschulklassen zu geben vermögen. Auch ist sie für den
Bürger, besonders in den Städten, fast unentbehrlich. Diese Ausbildung gewähren
die überwiegend theoretischen Jahrgänge der 4.
Klasse (Unterrealschule) und in einer überwiegend
praktischen Fortsetzung die Berufsschulen,
nähmlich die Gewerbsschulen, die Ackerbau oder ökonomischen Schulen, die unteren
Forstschulen und unteren Handelsschulen, welche sich unmittelbar an die 2
Jahrgänge der Unterrealschule anschließen und für jene Jünglinge bestimmt sind,
welche den mehr theoretischen Weg verlassen und den verschiedenen Gewerbs-,
Industrie- oder ökonomischen Zweigen sich entschieden zuwenden.
Eine weitere
Ausbildung des Geistes und Herzens müssen auch diejenigen anstreben, welche dem
wichtigen Stande der Volksschullehrer sich widmen wollen; sie gehen durch die
zwei Jahrgänge der Unterrealschule den Lehrerbildungsanstalten zu.
3. Im
besten Falle, welcher immer der seltenste bleiben wird, kommen die Schüler mit
dem 11. Jahre bei der Unterrealschule, mit dem 13. Jahre bei der Oberrealschule
oder bei den Berufsschulen an; die meisten werden um 1 Jahr oder auch oft um 2
Jahre später, also erst mit dem 12. [und] 13. Jahre bei der Unterrealschule, mit
dem 14. und 15. Jahre bei der Oberrealschule oder bei den Berufsschulen
ankommen; wahrlich nicht zu früh, um noch zur geeigneten Zeit auf dem
praktischen Felde der Gewerbe, der Industrie, des Handels, des Ackerbaues usw.
einzutreten. Der Weg ins praktische Leben der genannten Berufszweige muß möglichst abgekürzt werden. Auch haben die wenigsten
Eltern soviel Vermögen, um ihre Söhne, die für die Gewerbe usw. bestimmt sind,
viele Schulen durchmachen zu lassen.
4. Jene Jünglinge, welche den höheren
technischen Studien oder auch einer höheren praktischen Berufsausbildung zugehen, haben
noch drei überwiegend theoretische Jahre, nähmlich
jene der Oberrealschule zurückzulegen; sie langen daher im allerglücklichsten
Falle, welcher nicht allzu häufig vorkommen wird, nach 9 Schuljahren am Eingangsthore der Technik oder der höheren
Berufsschulen, nähmlich der höheren Forstschule, der höheren Handelsschule, der
nautischen Schule und der Bergakademie an. Sie werden sich im 16. Lebensjahre
befinden. Dieß dürfte eben nicht zu früh seyn, umso weniger, als man annehmen
muß, daß die meisten um 1 Jahr oder 2 Jahre später, also erst im 17. und 18.
Lebensjahre bei der bezeichneten Studienstufe anlagen werden.
Noch 1 Jahr
einschieben, und den Jüngling noch 1 Jahr länger in der Unterrealschule (wie der
Entwurf es vorzeichnet) aufhalten wollen, ist nicht nur überflüssig, sondern
scheint mir fast eine Versündigung an der Menschheit und eine Verschleuderung
der Landeseinkünfte zu seyn.
5. Die zwei Jahrgänge der Unterrealschule
müssen wie bisher die zwei Jahrgänge der IV. Hauptschulklasse an allen Orten, wo
sie bestehen oder errichtet werden, denselben
Unterrichtsplan befolgen; sie müssen denselben Unterrichts- und
Bildungsstoff mit einer gewissen praktischen Richtung behandeln, sie müssen
dieselben Lehrbücher benützen und zu demselben Zwecke führen; sie müssen
dieselbe innere und äußere Einrichtung haben. Sie verschieden einrichten wollen
heißt, eine heillose Verwirrung ins Schulwesen bringen und würde allenthalben
Unzufriedenheit hervorrufen.
Die IV. Hauptschulklassen, obwohl die meisten
erst in der Neuzeit entstanden sind, haben Treffliches geleistet, und würden
noch mehr geleistet haben wenn man sie besser unterstützt hätte, wenn man sie
nicht durch ein unzureichendes Lehrpersonal und durch den Abgang der nöthigen
Lehrmittel hätte verkümmern lassen. Die nach dem Entwurfe eingerichteten
Unterrealschulen mit 2 Jahrgängen ersetzen sie nicht, sie machen einen
offenbaren Rückschritt und bringen jenen Orten, wo bisher IV. Hauptschulklassen
mit 2 Jahrgängen bestanden, einen empfindlichen Nachtheil, wie es auch schon von
mehreren Seiten bemerkt worden ist.
6. Die Berufsschulen, das ist die
Gewerbs- und Landwirthschaftschulen, die niederen Forst- und Handelsschulen,
welche als realistische Zweigschulen an den 2. Jahrgang der Unterrealschule sich
anschließen (nähmlich da, wo ein offenbares Bedürfnis sich zeigt) können nach
der Art, Beschaffenheit und Ausdehnung der Gewerbs- und Industriezweige und der
Landwirthschaft verschieden eingerichtet werden und
nach Erfordernis der Umstände 1 Jahrgang oder 2 Jahrgänge haben. Sie befördern
bei aller praktischen Richtung noch immer die intellektuelle Ausbildung der
jungen Menschen; wer jedoch noch eine weitere theoretische Ausbildung sucht, dem
stehen die Oberrealschulen offen, welche jedoch in keiner genügenden Anzahl
vorhanden sind. In industriellen Ländern, z.B. in Böhmen,
Mähren, Niederösterreich, werden einige
neu zu errichten seyn.
7. Es wäre ferner sehr vortheilhaft, wenn auch schon
an die 3. Volksschulklasse sich eine Gewerbsschulklasse anschließen möchte, nähmlich in jenen Ortschaften,
die eine starke industrielle Bevölkerung haben. Dergleichen Bevölkerungen, als:
Glasarbeiter, Weber, niedere Fabriks- und Manufakturarbeiter u. a. sind nicht in
der Lage, ihre Söhne in die Unterrealschulen entfernter Orte zu schicken; es
fehlt ihnen hiezu theils an den nöthigen Geldmitteln, theils werden die Kinder
sehr bald zu den Geschäften verwendet. Die Schüler, welche in diese unteren
Gewerbsschulklassen mit dem 11., 12. oder 13. Jahre eintreten könnten, würden
nebst einer besseren sittlichen Bildung eine technische Vorbereitung für ihre
künftigen Berufsgeschäfte erhalten und für sie geeigneter, ja selbst für die
Ausführung neuer Ideen tauglicher werden.
In Gegenden, wo die
Landwirthschaft vorherrschend ist, könnte in einzelnen größeren Ortschaften
wieder eine landwirthschaftliche Klasse auf gleiche Art angefügt werden.
Wien, den 20. Jänner 1850
Krombholz