Josef Slavíček an Leo Thun
Preßburg, 25. Oktober 1860
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Regest

Der Jurist Josef Slavíček drückt sein Bedauern über den Rücktritt Thuns aus und lobt dessen unermüdlichen Einsatz für die Belange des Bildungswesens in Österreich. Er nützt die Gelegenheit auch, um über seine derzeitige Situation in Pressburg zu klagen: Aufgrund der politisch aufgeladenen Lage könne er sich nämlich einen Verbleib in Pressburg bzw. überhaupt in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen nicht mehr vorstellen. Als deutscher Professor habe er dort derzeit keine Chance, erfolgreich wirken zu können. Der Sprachenkampf in Ungarn treffe ihn zudem in finanzieller Hinsicht, da sich eine Veröffentlichung der von ihm geleiteten juristischen Zeitschrift nicht mehr lohne. Er hofft, dass Thun noch einmal seinen Einfluss für ihn geltend machen kann.

Anmerkungen zum Dokument

Das Schreiben befindet sich im Nachlass gemeinsam mit 39 weiteren Dankadressen unter der Signatur A3 XXI D623a.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DA71-0

Schlagworte

Edierter Text

Preßburg, am 25. October 1860

Euere Excellenz!

Nur der unerwartete und ungeheuchelte Schmerz, den ich und mit mir gewiß sehr viele darüber empfinden, daß Euere Excellenz nach so viel Jahren des segensreichsten Wirkens als unser hochgeachteter und wahrhaft geliebter Minister abtreten, drängt mich zu diesen Zeilen, denen nur mein stetes Vertrauen, meine Anhänglichkeit und tiefgefühlte Dankbarkeit zu Grunde liegt.
Gott lohne Euerer Excellenz im reichlichsten Maße für alles das, was mit so viel Kraft, Ausdauer und Selbstaufopferung für die gemeinsame gute Sache, für den Einzelnen und daher auch für meine Wenigkeit zu thun geruthen.
Gott gebe mir viel Gelegenheit, um Euerer Excellenz mein unbedingtes Vertrauen und meine Anhänglichkeit zu Euerer Excellenz unter allen Verhältnissen beweisen zu können; Er gebe mir Gelegenheit, um mich auch fernerhin der hohen Huld und Gnade Euerer Excellenz stets würdig zu erweisen.
Ein Prinzip fiel mit dem 20. October und mit diesem Fallen lebe ich mit so vielen anderen als Fremdling in einem Lande, wo meinem Wirken bald ein Ende sein dürfte. Ich baue auf die Gnade Euerer Excellenz und bitte sich meiner huldvollst dahin annehmen zu wollen, daß ich bald aus dieser peinlichen und lähmenden Unsicherheit herausgerissen werde und wisse, welchen Ort und welches Land für mein Wirken meiner harrt, denn in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen blüht jetzt nach meiner Ansicht für einen deutschen, weiter strebenden Professor der Rechte und namentlich für den, der wie ich praktische Fächer (streitiges und außerstreitiges Verfahren und Strafrecht) vorträgt, wenig Aussicht. Diese Aussicht nach besserem und umfangreicherem Wirken kann er nur in den deutschen Provinzen Oesterreichs finden, und ich wage es daher diese meine Aussicht Euerer Excellenz vertrauungsvoll mit der ergebensten Bitte vorzubringen, dieselbe für das Wohl meiner Wenigkeit zur hochgeneigten Kenntnis nehmen zu wollen.
Mich trifft dieser Principienwechsel auch noch aus einem anderen Grunde sehr hart, denn ich opferte für die gute Sache des Staates und für das Emporblühen der Rechtswissenschaft sehr viel Mühe als Redakteur der Zeitschrift für Gesetzkunde und Rechtspflege und erleide in Folge des Sprachenkampfes in Ungarn in dieser Beziehung einen pekuniären Schaden von mindestens 1.200 fl ÖW in einem Jahre, denn an ein Fortsetzen der Zeitschrift im nächsten Jahre kann ich nicht mehr denken. Das ist für mich ein sehr harter Verlust und um so härter, als er unverdient ist. Doch ich will Euere Excellenz nicht weiter zu belästigen wagen und indem ich nochmals meinen tiefst gefühlten Dank wiederhole und Euerer Excellenz vom Grunde des Herzens das allerbeste Wohlergehn wünsche, zeichne ich mich mit tiefster Hochachtung

Euerer Excellenz
dankbarster
Dr. Josef Slavíček
k.k. o. Prof. der Rechte