Andreas Schaguna an Kaiser Franz Joseph
Wien, 9. September 1857
|

Regest

Der Bischof von Siebenbürgen, Andreas Schaguna, bittet Kaiser Franz Joseph über das bereits im Dezember 1855 vorgelegte Bittgesuch Schagunas zur Regelung der Verhältnisse der griechisch-orthodoxen Kirche in Siebenbürgen eine Entscheidung zu treffen. Der Bischof verweist dazu auf die im Silvesterpatent jeder Kirche und Religionsgemeinschaft zugesicherte Religionsfreiheit. Diese Zusicherung motivierte das Gesuch der griechisch-orthodoxen Kirche von Siebenbürgen. Allerdings blieb es bisher bei der Absichtserklärung, ohne dass konkrete Schritte unternommen worden seien. Aus diesem Grund sah sich Schaguna veranlasst, ein Bittgesuch direkt an den Kaiser zu stellen, von dessen Entscheidung die Zukunft der Kirche in Siebenbürgen nun abhänge.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Euer k.k. apostolische Majestät,
Allergnädigster Kaiser
und Herr!

Euer Majestät haben durch eine große weltgeschichtliche That dem erhabenen Gedanken Ausdruck gegeben, daß die Kirche Gottes nicht der Vormundschaft weltlicher Mächte unterstehen, wohl aber ihres kräftigsten Schutzes sich erfreuen soll.
Es war aber diese That, wenngleich sie zunächst sich blos auf eine Kirche bezieht, nur eine Folge der feierlichen Versicherung, welche in dem kaiserlichen Patente vom 31. December 1851 allen treuergebenen Völkern mit den Worten gegeben wurde: Wir erklären ... ausdrücklich daß wir jede ... gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgemeinschaft in dem Rechte der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung, dann in der selbstständigen Verwaltung ihrer Angelegenheiten, ferner im Besitze und Genuße der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde erhalten und schützen wollen, wobei dieselben den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen bleiben.
Und als Euer Apostolische Majestät zuerst dieser einen Kirche ihre volle Freiheit schenkten, hatte die Wiener Zeitung die allerhöchste kaiserliche Gnade mit folgender, für alle anderen Religionen beruhigenden Vertröstung begleitet: "In dieser rückhaltslosen Anerkennung der Rechte der katholischen Kirche liegt übrigens für alle anderen religiösen Genossenschaften des Kaiserstaates eine sichere Gewähr der ihrigen. Das Rechtsgefühl, welches hier vorwaltete wird auch der Maßstaab bei der Regelung ihrer Verhältnisse sein und sie, welche mit anerkannten gesetzlichen Bestande, erprobt in Treue und Anhänglichkeit an das Allerhöchste Kaiserhaus den Schutz des Gesetzes und den Schirm einer unpartheiischen väterlichen weisen Regierung beanspruchen, werden in ihren Erwartungen sich nicht getäuscht finden. Gleichheit vor dem Gesetze, das über alle sich erstreckende gleiche bürgerliche Recht, die Unpartheilichkeit der in entscheidendem Kreise vorwaltenden Anschauungen, endlich die ungehemmte Feststellung ihres inneren Organismus und der Schutz für dessen Bestand giebt ihnen genügende Garantien eines ruhigen Fortbestandes und einer ungetrübten Entwicklung".
Unter solchen Verheißungen schien auch für unsere Kirche in Siebenbürgen ein neuer Morgen anbrechen zu wollen und wahrlich sie bedurfte der erhebenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft, nachdem sie und ihre Bekenner so lange unter dem Drucke ungünstiger Verhältnisse gelitten haben und, wir müssen es trauernd beklagen, noch fortwährend leiden. Denn obwohl das Landesgesetz Artikel 60 vom Jahre 1791 die Religio orientalis graeci ritus non unita staatsrechtlich anerkannt hat, scheint man, wie viele Erlässe zeigen, in höheren Kreisen unsere Kirche in Siebenbürgen in den Willkürzustand der bloßen Duldung zurückzudrängen und sie erst recht unter die Vormundschaft der politischen Behörden stellen zu wollen.
Zahlreiche Bitten, die wir an das hohe k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht gestellt haben, haben theils gar keine, theils sehr spät eine meist ungünstige Erledigung gefunden und während andere Glaubensgenossen Beweise von Wohlwollen erhielten, sind wir allein nicht in der glücklichen Lage auch nur ein, aus dem Wirkungskreise des hohen Ministeriums erflossenes Dekret aufweisen zu können, an dessen Inhalt unsere Kirche sich zu erfreuen hätte.
Was unsere Kirche Gutes empfangen hat, hatte sie meist nur der eigensten Gnadenfülle der erlauchten Monarchen und in letzter Zeit Euer kaiserlichen königlichen Majestät zu verdanken. Allerhöchstwelche das Bisthum mit einem Gnadengeschenk zum Wiederaufbau der zerstörten Kirchen zu betheiligen, in dem kaiserlichen Grundentlastungspatent für Siebenbürgen auf unsere Seelsorger und Schullehrer väterlichen Bedacht zu nehmen und durch Allergnädigste Ernennung eines Schulrathes gr. orientalischer Religion unser verkümmertes Schulwesen zu fördern geruhten.
Darum hat denn auch, als von den höheren Regierungsorganen keine Hilfe zu erwarten war, der allerunterthänigst gefertigte Bischof zu Allerhöchst Euer Majestät seine Zuflucht genommen und in einem treugehorsamsten Bittgesuch vom 1. Dezember 18551 an den Stufen des geheiligten Thrones alle jene Bitten und Wünsche niedergelegt, von deren allergnädigster Erhörung das Heil und Glück unserer Kirche mit dem Seelenfrieden von mehr als einer halben Million treuer Unterthanen abhängig ist.
Es berührt dieses Bittgesuch die wichtigsten Fragen, welche die Stellung und Rechtslage unserer Kirchen betreffen und zwar:
I. die Stellung unserer Kirche in Siebenbürgen zum Staate und zu den anderen Kirchen im Lande;
II. die Benennung der Kirche und ihrer Bekenner;
III. Die Angelegenheit der gemischten Ehen;
IV. Den Uibertritt von einer Kirche zu der anderen;
V. Das Diözesan-Konsistorium;
VI. Die bischöfliche Diözesan-Lehr-Anstalt;
VII. Die Regulierung der Pfarreien;
VIII. Die Verwaltung und Verwendung der Diözesanfonde;
IX. Die Angelegenheit der Metropole.
Nachdem wir somit die grundsätzliche Entscheidung über diese Lebensfragen der Kirche voll kindlichen Vertrauens in die Gerechtigkeit und Gnade unseres nächst Gott höchsten Beschützers gelegt haben, sehen wir uns in peinliche Verlegenheit versetzt, wenn von den hohen Regierungsbehörden noch fortwährend Anordnungen erfließen, welche auf Grundsätzen und Anschauungen beruhen, gegen deren fernere Anwendbarkeit wir eben zu Allerhöchst Euer apostolischen Majestät unsere allerunterthänigste Zuflucht genommen haben.
Im unerschütterlichen Vertrauen auf den erhabenen Gerechtigkeitssinn, welcher alle Handlungen Euerer Majestät bezeichnet und ermuthigt durch so manche Beweise der Allerhöchsten Gnade, waget es daher der unterthänigst gefertigte Bischof nach Allerhöchst erhaltener Erlaubnis persönlich vor Allerhöchst Euer k.k. apostolischen Majestät zu erscheinen und an den Stufen des geheiligten Thrones in tiefster Ehrfurcht die Bitte niederzulegen.
Geruhen Allerhöchst Euer Majestät in allergnädigster Würdigung des unterm 1. Dezember 1855 unterbreiteten Bittgesuchs unserer Kirche in Siebenbürgen jene Rechte und Lage theilhaftig zu machen, welche die anderen christlichen Kirchen im Lande genießen und ihre tiefbekümmerten Bekenner mit dem belebenden Sonnenstrahle der kaiserlichen Huld und Gnade zu beglücken.
Der ich in tiefster Ehrfurcht und allerunterthänigstem Gehorsam verharre

Euer kaiserlich-königlichen Apostolischen Majestät
bis in den Tod treugehorsamster Unterthan
Andreas Freiherr Schaguna mp
Bischof in Siebenbürgen, k.k. geheimer Rath

Wien, den 9. September 1857