Der Bischof von Siebenbürgen, Andreas Schaguna, bittet Kaiser Franz Joseph über das bereits im Dezember 1855 vorgelegte Bittgesuch Schagunas zur Regelung der Verhältnisse der griechisch-orthodoxen Kirche in Siebenbürgen eine Entscheidung zu treffen. Der Bischof verweist dazu auf die im Silvesterpatent jeder Kirche und Religionsgemeinschaft zugesicherte Religionsfreiheit. Diese Zusicherung motivierte das Gesuch der griechisch-orthodoxen Kirche von Siebenbürgen. Allerdings blieb es bisher bei der Absichtserklärung, ohne dass konkrete Schritte unternommen worden seien. Aus diesem Grund sah sich Schaguna veranlasst, ein Bittgesuch direkt an den Kaiser zu stellen, von dessen Entscheidung die Zukunft der Kirche in Siebenbürgen nun abhänge.
Unter derselben Signatur befinden sich:
Ein Bittgesuch von Andreas Schaguna an Kaiser Franz Joseph. Hermannstadt, 1. Dezember
1855.
Außerdem ein Begleitschreiben von Karl
Schwarzenberg an Kaiser Franz Joseph. Hermannstadt, 6. Februar
1856.
Euer k.k. apostolische Majestät,
Allergnädigster Kaiser
und Herr!
Euer Majestät haben durch eine große weltgeschichtliche That dem erhabenen
Gedanken Ausdruck gegeben, daß die Kirche Gottes nicht der Vormundschaft
weltlicher Mächte unterstehen, wohl aber ihres kräftigsten Schutzes sich
erfreuen soll.
Es war aber diese That, wenngleich sie zunächst sich blos auf
eine Kirche bezieht, nur eine Folge der feierlichen Versicherung, welche in dem
kaiserlichen Patente vom 31. December 1851 allen treuergebenen Völkern mit den
Worten gegeben wurde: Wir erklären ... ausdrücklich daß wir jede ... gesetzlich
anerkannte Kirche und Religionsgemeinschaft in dem Rechte der gemeinsamen
öffentlichen Religionsausübung, dann in der selbstständigen Verwaltung ihrer
Angelegenheiten, ferner im Besitze und Genuße der für ihre Kultus-, Unterrichts-
und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde erhalten
und schützen wollen, wobei dieselben den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen
bleiben.
Und als Euer Apostolische Majestät zuerst dieser einen Kirche ihre
volle Freiheit schenkten, hatte die Wiener Zeitung die allerhöchste kaiserliche
Gnade mit folgender, für alle anderen Religionen beruhigenden Vertröstung
begleitet: "In dieser rückhaltslosen Anerkennung der Rechte der katholischen
Kirche liegt übrigens für alle anderen religiösen Genossenschaften des
Kaiserstaates eine sichere Gewähr der ihrigen. Das Rechtsgefühl, welches hier
vorwaltete wird auch der Maßstaab bei der Regelung ihrer Verhältnisse sein und
sie, welche mit anerkannten gesetzlichen Bestande, erprobt in Treue und
Anhänglichkeit an das Allerhöchste Kaiserhaus den Schutz des Gesetzes und den
Schirm einer unpartheiischen väterlichen weisen Regierung beanspruchen, werden
in ihren Erwartungen sich nicht getäuscht finden. Gleichheit vor dem Gesetze,
das über alle sich erstreckende gleiche bürgerliche Recht, die Unpartheilichkeit
der in entscheidendem Kreise vorwaltenden Anschauungen, endlich die ungehemmte
Feststellung ihres inneren Organismus und der Schutz für dessen Bestand giebt
ihnen genügende Garantien eines ruhigen Fortbestandes und einer ungetrübten
Entwicklung".
Unter solchen Verheißungen schien auch für unsere Kirche in
Siebenbürgen ein neuer Morgen anbrechen
zu wollen und wahrlich sie bedurfte der erhebenden Hoffnung auf eine bessere
Zukunft, nachdem sie und ihre Bekenner so lange unter dem Drucke ungünstiger
Verhältnisse gelitten haben und, wir müssen es trauernd beklagen, noch
fortwährend leiden. Denn obwohl das Landesgesetz Artikel 60 vom Jahre 1791 die
Religio orientalis graeci ritus non unita staatsrechtlich anerkannt hat, scheint
man, wie viele Erlässe zeigen, in höheren Kreisen unsere Kirche in Siebenbürgen in den Willkürzustand der bloßen
Duldung zurückzudrängen und sie erst recht unter die Vormundschaft der
politischen Behörden stellen zu wollen.
Zahlreiche Bitten, die wir an das
hohe k.k. Ministerium für
Kultus und Unterricht gestellt haben, haben theils gar keine,
theils sehr spät eine meist ungünstige Erledigung gefunden und während andere
Glaubensgenossen Beweise von Wohlwollen erhielten, sind wir allein nicht in der
glücklichen Lage auch nur ein, aus dem Wirkungskreise des hohen Ministeriums
erflossenes Dekret aufweisen zu können, an dessen Inhalt unsere Kirche sich zu
erfreuen hätte.
Was unsere Kirche Gutes empfangen hat, hatte sie meist nur
der eigensten Gnadenfülle der erlauchten Monarchen und in letzter Zeit Euer
kaiserlichen königlichen Majestät zu verdanken. Allerhöchstwelche das Bisthum
mit einem Gnadengeschenk zum Wiederaufbau der zerstörten Kirchen zu betheiligen,
in dem kaiserlichen Grundentlastungspatent für Siebenbürgen auf unsere Seelsorger und Schullehrer väterlichen
Bedacht zu nehmen und durch Allergnädigste Ernennung eines Schulrathes gr. orientalischer Religion unser
verkümmertes Schulwesen zu fördern geruhten.
Darum hat denn auch, als von
den höheren Regierungsorganen keine Hilfe zu erwarten war, der
allerunterthänigst gefertigte Bischof zu Allerhöchst Euer Majestät seine
Zuflucht genommen und in einem treugehorsamsten Bittgesuch vom 1. Dezember
18551 an den Stufen des geheiligten Thrones alle jene Bitten
und Wünsche niedergelegt, von deren allergnädigster Erhörung das Heil und Glück
unserer Kirche mit dem Seelenfrieden von mehr als einer halben Million treuer
Unterthanen abhängig ist.
Es berührt dieses Bittgesuch die wichtigsten
Fragen, welche die Stellung und Rechtslage unserer Kirchen betreffen und
zwar:
I. die Stellung unserer Kirche in Siebenbürgen zum Staate und zu den
anderen Kirchen im Lande;
II. die Benennung der Kirche und ihrer
Bekenner;
III. Die Angelegenheit der gemischten Ehen;
IV. Den Uibertritt
von einer Kirche zu der anderen;
V. Das Diözesan-Konsistorium;
VI. Die
bischöfliche Diözesan-Lehr-Anstalt;
VII. Die Regulierung der
Pfarreien;
VIII. Die Verwaltung und Verwendung der Diözesanfonde;
IX.
Die Angelegenheit der Metropole.
Nachdem wir somit die grundsätzliche
Entscheidung über diese Lebensfragen der Kirche voll kindlichen Vertrauens in
die Gerechtigkeit und Gnade unseres nächst Gott höchsten Beschützers gelegt
haben, sehen wir uns in peinliche Verlegenheit versetzt, wenn von den hohen
Regierungsbehörden noch fortwährend Anordnungen erfließen, welche auf
Grundsätzen und Anschauungen beruhen, gegen deren fernere Anwendbarkeit wir eben
zu Allerhöchst Euer apostolischen Majestät unsere allerunterthänigste Zuflucht
genommen haben.
Im unerschütterlichen Vertrauen auf den erhabenen
Gerechtigkeitssinn, welcher alle Handlungen Euerer Majestät bezeichnet und
ermuthigt durch so manche Beweise der Allerhöchsten Gnade, waget es daher der
unterthänigst gefertigte Bischof nach Allerhöchst erhaltener Erlaubnis
persönlich vor Allerhöchst Euer k.k. apostolischen Majestät zu erscheinen und an
den Stufen des geheiligten Thrones in tiefster Ehrfurcht die Bitte
niederzulegen.
Geruhen Allerhöchst Euer Majestät in allergnädigster
Würdigung des unterm 1. Dezember 1855 unterbreiteten Bittgesuchs unserer Kirche
in Siebenbürgen jene Rechte und Lage
theilhaftig zu machen, welche die anderen christlichen Kirchen im Lande genießen
und ihre tiefbekümmerten Bekenner mit dem belebenden Sonnenstrahle der
kaiserlichen Huld und Gnade zu beglücken.
Der ich in tiefster Ehrfurcht und
allerunterthänigstem Gehorsam verharre
Euer kaiserlich-königlichen Apostolischen Majestät
bis in den Tod
treugehorsamster Unterthan
Andreas Freiherr Schaguna mp
Bischof in
Siebenbürgen, k.k. geheimer Rath
Wien, den 9. September 1857