Die Bischöfe fordern im § 5 ihrer Anträge, dass es an allen mittleren
Schulen und Gymnasien neben dem Religionsunterricht auch Andachtsübungen
gäbe. Die jeweiligen Bischöfe müssten außerdem von der Art und Weise,
wie diese Übungen vollzogen werden, unterrichtet werden. Die Bischöfe
weisen schließlich noch einmal darauf hin, dass an allen Schulen nur
Lehrer von katholischer Gesinnung angestellt werden sollten.
Johann
Kleemann betont zunächst, dass die Forderung der Bischöfe nach
Andachtsübungen an den Gymnasien bereits gesetzlich verankert wurde.
Auch die Forderung, an katholischen Gymnasien nur katholische Lehrer
anzustellen, sei bereits durch mehrere Verordnungen geregelt.
Marian
Koller äußert sich dann zur Situation an den Realschulen. Dort seien die
Andachtsübungen ebenfalls gesetzlich verankert und fänden abgesehen von
Wien problemlos statt. In Wien gäbe es in der Winterzeit auf Grund der
Witterungsverhältnisse keine besonderen Andachten. Was die Besetzung der
Lehrerposten betrifft, so betont Koller, dass die von den Bischöfen
gewünschten Kriterien bereits jetzt erfüllt wären.
Das Gutachten ist mit weiteren 18 Gutachten unter der Signatur A3 XXI D383 abgelegt.1
V.
Um zu einer lebendigen Kenntnis der christlichen Wahrheit zu gelangen,
bedarf der Mensch der Gnade des heiligen Geistes, welcher das Gebet den Weg
bahnet und die in den heiligen Sakramenten mitgetheilt wird: daher würde der
Religionsunterricht seinen Zweck verfehlen, wenn nicht entsprechende
Andachtsübungen ihm zur Seite giengen. Die Schüler der Gymnasien und sämmtlicher
mittlerer Schulen sollen täglich an dem Opfer der heiligen Messe theilnehmen und
an den Sonn- und Festtagen überdies dem für sie bestimmten Kanzelvortrage
beiwohnen; sie sollen in der Charwoche durch geistliche Übungen sich auf die
Feier des Versöhnungstodes und der Auferstehung des Herrn vorbereiten und
wenigstens fünfmal im Jahre die heiligen Sakramente der Buße und des Altares
empfangen. Dies alles ist ohnehin durch Gesetz und Gewohnheit seit
unvordenklichen Zeiten festgesetzt und hat bloß in Folge trauriger
Erschütterungen eine vorübergehende Unterbrechung erfahren. Zwar sind in einigen
neu errichteten Oberrealschulen diese Andachtsübungen bis jetzt nur theilweise
eingeführt; doch die versammelten Bischöfe zweifeln nicht, daß die Verfügungen,
welche sie hierüber zu treffen gedenken, nöthigen Falles durch Weisungen der
Regierung werden unterstützt werden. Es ist heilsam, wenn jährlich auch einige
außerordentliche Andachtsübungen gehalten werden, doch muß dies allerdings mit
weiser Sparsamkeit geschehen und zugleich nichts unterlassen werden, um den
Eindruck auf die jugendlichen Gemüther sicher zu stellen. Das Nähere wird mit
Rücksicht auf die Bedürfnisse der einzelnen Länder festzusetzen sein. Wenn der
Bischof eine Änderung der festgesetzten Andachtsübungen für nothwendig hält, so
wird er durch den Religionslehrer oder wen er sonst damit zu beauftragen findet,
die Schuldirektion davon in Kenntnis setzen lassen, damit diese die ihrerseits
nöthigen Verfügungen treffen könne; sollte die Sache auf Schwierigkeiten stoßen,
so wird er sich darüber mit der Landesbehörde ins Einvernehmen setzen. Der
Religionslehrer ist nicht befugt, ohne Auftrag des Bischofes in den
festgesetzten Andachtsübungen etwas zu ändern oder bei der Schuldirektion eine
Änderung in Antrag zu bringen. Das Beispiel der Lehrer kann viel beitragen, um
den Erfolg der Andachtsübungen zu sichern, mehr noch um denselben zu vereiteln.
Wenn dieselben für die Geheimnisse des Glaubens Geringachtung oder
Gleichgiltigkeit an den Tage legen, so wird die Unerfahrenheit der Jugend auf
eine harte Probe gestellt. Der Gesichtspunkt der Erziehung, welcher in den
unteren Schulen vorwalten muß, tritt in den mittleren dem des Unterrichtes
gleichberechtigt zur Seite und wer in denselben ein Lehramt übernimmt, der übernimmt
zugleich die Pflicht, zu Heranbildung der Jugend für Religion und Sittlichkeit
nach Maßgabe seiner Stellung mitzuwirken; wenn er sogar hemmend entgegentritt,
so ist dies eine schwere Verletzung und eine traurige Verkennung seiner Aufgabe.
Im größten Theile des Kaiserthumes hat die Kirche an die Mehrzahl der mittleren
Schulen ein ganz besonderes Recht, denn sie werden durch den Studienfond
erhalten, welcher in dem Konkordate seinem Urspunge gemäß als Kirchengut
anerkannt ist. Doch es bedarf dieser Rücksicht nicht, um die kaiserliche
Regierung zu bestimmen, mit allen für sie verfügbaren Mitteln auf die Besetzung
der Lehrerstellen mit wahrhaft katholischen Männern hinzuwirken. Darauf
vertrauen die versammelten Bischöfe.
d. ad V. Die Seelsorge an Mittelschulen betreffend:
"ist die Äußerung im Einvernehmen mit Herrn Ministerialrath Koller zu erstatten".
Votum:
in Betreff der
Gymnasien:
Den Wünschen der Bischöfe ist dadurch entsprochen, daß seit
der Durchführung des neuen Gymnasialsystems die in der vorliegenden Eingabe
bezeichneten Andachtsübungen, die in den Jahren 1848 und 1849 allerdings an
mehreren Gymnasien unterbrochen wurden, wieder eingeführt und daß auf deren
Wiedereinführung vom Ministerium gedrungen wurde (Akt 2729 52), daß endlich dieselben
auch eine gesetzlich giltige Erwähnung in der Verordnung über die katholischen
Religionslehrer (Akt 10509 56) gefunden haben. Diese Verpflichtungen erstrecken
sich auf alle Schüler, auch jene der 7. und 8. Klasse, während solche Schüler
früher als der Kategorie der Hörer der Philosophie angehörig hievon exemt waren.
Eine Unterbrechung des täglichen Gottesdienstes findet in der strengen
Winterszeit statt, jedoch jedesmal nach eingeholter Zustimmung des bischöflichen
Ordinariates.
Der weitere Antrag, daß jährlich auch andere außerordentliche
Andachtsübungen unter Einhaltung der gehörigen Vorsichten abgehalten werden, ist
in einer der hier angetragenen Modalitäten, unter welchen dies zu geschehen
habe, entsprechender Weise seit der eben citierten Verordnung, RGBl 1856 Nr. 146
§ 9, erledigt worden.
Der Forderung endlich, daß an den katholischen Gymnasien
nicht nur katholische Lehrer angestellt, sondern auch dafür gesorgt werde, daß
die Lehrer zur Heranbildung der Jugend für Religion und Sittlichkeit nach
Maßgabe ihrer Stellung mitwirken, ist vom Ministerium durch die
Verordnungen: Akt 5512 53 (Christianisierung des Unterrichtes), Akt 2756 53
(Verrichtung der österlichen Andacht von Seite der Lehrer in Gemeinschaft der
Schüler), Akt 11851 53 (Aufsichtsrecht der Bischöfe über den Unterricht an
Gymnasien), Akt 7752 54 (für Siebenbürgen.
Ausdehnung dieses Aufsichtsrechtes auch auf die Lehrer und Direktoren), dann
regelmäßig in den Erledigungen der Jahresberichte Genüge gethan und wird in
diesem Sinne bei jedem Anlaße und insbesondere bei jeder Visitation eines
Gymnasiums von Seite des gefertigten Referenten eingewirkt.
Diese Thatsachen
und Andeutungen genügen darzuthun, daß, was die Bischöfe laut des eigenen
Ausdruckes wünschen, das Ministerium mit allen für dasselbe verfügbaren Mitteln sich nicht
nur die Besetzung der Lehrerstellen mit wahrhaft katholischen Männern, sondern
auch die dem Zwecke entsprechende Verwendung und Haltung der Lehrer angelegen
sein lasse.
Kleemann
In Betreff der Realschulen:
Dieselben Verhältnisse
bestehen auch an den selbständigen Realschulen. Die Realschüler haben die
tägliche Schulmesse. Nur in Wien findet während der
Winterzeit eine Unterbrechung statt, welche durch die Lokalverhältnisse bedingt
ist. Schüler müssen aus großer Entfernung zur Schule kommen und oft bei sehr
rauher und stürmischer Witterung einen stundenlangen Weg machen. Der Besuch der
Kirche würde in diesem Falle die damit beabsichtigten Zwecke nicht fördern. An
allen Realschulen ohne Ausnahme besteht Messe und Predigt an Sonn- und
Feiertagen und der Empfang der heiligen Sakramente der Buße und des Altars
fünfmal während des Schuljahres so wie die geistlichen Exercitien in den 3
ersten Tagen der Charwoche.
Über die außerordentlichen Übungen müssen die
Anordnungen der Bischöfe erwartet werden, sie werden gewiß heilsam zur Hebung
des religiösen Sinnes der Schüler mitwirken, wenn sie den Bedürfnissen derselben
in dieser Richtung entsprechend eingeführt und geleitet werden. Was die
Bestellung der Lehrer an den Realschulen betrifft, so wurde ohnedies, wie es
auch schon in der Natur der Sache liegt, immer nach denselben Grundsätzen
verfahren, welche die Bischöfe in ihrer Eingabe aussprechen.
M[arian] Koller