Gutachten von Johann Kleemann und Marian Koller zu § 5 der Anträge der Erzbischöfe und Bischöfe des Kaiserreichs zur Umsetzung des Konkordats
o. O. [Wien], o. D. [1856]
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Regest

Die Bischöfe fordern im § 5 ihrer Anträge, dass es an allen mittleren Schulen und Gymnasien neben dem Religionsunterricht auch Andachtsübungen gäbe. Die jeweiligen Bischöfe müssten außerdem von der Art und Weise, wie diese Übungen vollzogen werden, unterrichtet werden. Die Bischöfe weisen schließlich noch einmal darauf hin, dass an allen Schulen nur Lehrer von katholischer Gesinnung angestellt werden sollten.
Johann Kleemann betont zunächst, dass die Forderung der Bischöfe nach Andachtsübungen an den Gymnasien bereits gesetzlich verankert wurde. Auch die Forderung, an katholischen Gymnasien nur katholische Lehrer anzustellen, sei bereits durch mehrere Verordnungen geregelt.
Marian Koller äußert sich dann zur Situation an den Realschulen. Dort seien die Andachtsübungen ebenfalls gesetzlich verankert und fänden abgesehen von Wien problemlos statt. In Wien gäbe es in der Winterzeit auf Grund der Witterungsverhältnisse keine besonderen Andachten. Was die Besetzung der Lehrerposten betrifft, so betont Koller, dass die von den Bischöfen gewünschten Kriterien bereits jetzt erfüllt wären.

Anmerkungen zum Dokument

Das Gutachten ist mit weiteren 18 Gutachten unter der Signatur A3 XXI D383 abgelegt.1

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DBE1-0

Schlagworte

Edierter Text

V.
Um zu einer lebendigen Kenntnis der christlichen Wahrheit zu gelangen, bedarf der Mensch der Gnade des heiligen Geistes, welcher das Gebet den Weg bahnet und die in den heiligen Sakramenten mitgetheilt wird: daher würde der Religionsunterricht seinen Zweck verfehlen, wenn nicht entsprechende Andachtsübungen ihm zur Seite giengen. Die Schüler der Gymnasien und sämmtlicher mittlerer Schulen sollen täglich an dem Opfer der heiligen Messe theilnehmen und an den Sonn- und Festtagen überdies dem für sie bestimmten Kanzelvortrage beiwohnen; sie sollen in der Charwoche durch geistliche Übungen sich auf die Feier des Versöhnungstodes und der Auferstehung des Herrn vorbereiten und wenigstens fünfmal im Jahre die heiligen Sakramente der Buße und des Altares empfangen. Dies alles ist ohnehin durch Gesetz und Gewohnheit seit unvordenklichen Zeiten festgesetzt und hat bloß in Folge trauriger Erschütterungen eine vorübergehende Unterbrechung erfahren. Zwar sind in einigen neu errichteten Oberrealschulen diese Andachtsübungen bis jetzt nur theilweise eingeführt; doch die versammelten Bischöfe zweifeln nicht, daß die Verfügungen, welche sie hierüber zu treffen gedenken, nöthigen Falles durch Weisungen der Regierung werden unterstützt werden. Es ist heilsam, wenn jährlich auch einige außerordentliche Andachtsübungen gehalten werden, doch muß dies allerdings mit weiser Sparsamkeit geschehen und zugleich nichts unterlassen werden, um den Eindruck auf die jugendlichen Gemüther sicher zu stellen. Das Nähere wird mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der einzelnen Länder festzusetzen sein. Wenn der Bischof eine Änderung der festgesetzten Andachtsübungen für nothwendig hält, so wird er durch den Religionslehrer oder wen er sonst damit zu beauftragen findet, die Schuldirektion davon in Kenntnis setzen lassen, damit diese die ihrerseits nöthigen Verfügungen treffen könne; sollte die Sache auf Schwierigkeiten stoßen, so wird er sich darüber mit der Landesbehörde ins Einvernehmen setzen. Der Religionslehrer ist nicht befugt, ohne Auftrag des Bischofes in den festgesetzten Andachtsübungen etwas zu ändern oder bei der Schuldirektion eine Änderung in Antrag zu bringen. Das Beispiel der Lehrer kann viel beitragen, um den Erfolg der Andachtsübungen zu sichern, mehr noch um denselben zu vereiteln. Wenn dieselben für die Geheimnisse des Glaubens Geringachtung oder Gleichgiltigkeit an den Tage legen, so wird die Unerfahrenheit der Jugend auf eine harte Probe gestellt. Der Gesichtspunkt der Erziehung, welcher in den unteren Schulen vorwalten muß, tritt in den mittleren dem des Unterrichtes gleichberechtigt zur Seite und wer in denselben ein Lehramt übernimmt, der übernimmt zugleich die Pflicht, zu Heranbildung der Jugend für Religion und Sittlichkeit nach Maßgabe seiner Stellung mitzuwirken; wenn er sogar hemmend entgegentritt, so ist dies eine schwere Verletzung und eine traurige Verkennung seiner Aufgabe. Im größten Theile des Kaiserthumes hat die Kirche an die Mehrzahl der mittleren Schulen ein ganz besonderes Recht, denn sie werden durch den Studienfond erhalten, welcher in dem Konkordate seinem Urspunge gemäß als Kirchengut anerkannt ist. Doch es bedarf dieser Rücksicht nicht, um die kaiserliche Regierung zu bestimmen, mit allen für sie verfügbaren Mitteln auf die Besetzung der Lehrerstellen mit wahrhaft katholischen Männern hinzuwirken. Darauf vertrauen die versammelten Bischöfe.

d. ad V. Die Seelsorge an Mittelschulen betreffend:
"ist die Äußerung im Einvernehmen mit Herrn Ministerialrath Koller zu erstatten".

Votum:
in Betreff der Gymnasien:
Den Wünschen der Bischöfe ist dadurch entsprochen, daß seit der Durchführung des neuen Gymnasialsystems die in der vorliegenden Eingabe bezeichneten Andachtsübungen, die in den Jahren 1848 und 1849 allerdings an mehreren Gymnasien unterbrochen wurden, wieder eingeführt und daß auf deren Wiedereinführung vom Ministerium gedrungen wurde (Akt 2729 52), daß endlich dieselben auch eine gesetzlich giltige Erwähnung in der Verordnung über die katholischen Religionslehrer (Akt 10509 56) gefunden haben. Diese Verpflichtungen erstrecken sich auf alle Schüler, auch jene der 7. und 8. Klasse, während solche Schüler früher als der Kategorie der Hörer der Philosophie angehörig hievon exemt waren.
Eine Unterbrechung des täglichen Gottesdienstes findet in der strengen Winterszeit statt, jedoch jedesmal nach eingeholter Zustimmung des bischöflichen Ordinariates.
Der weitere Antrag, daß jährlich auch andere außerordentliche Andachtsübungen unter Einhaltung der gehörigen Vorsichten abgehalten werden, ist in einer der hier angetragenen Modalitäten, unter welchen dies zu geschehen habe, entsprechender Weise seit der eben citierten Verordnung, RGBl 1856 Nr. 146 § 9, erledigt worden.
Der Forderung endlich, daß an den katholischen Gymnasien nicht nur katholische Lehrer angestellt, sondern auch dafür gesorgt werde, daß die Lehrer zur Heranbildung der Jugend für Religion und Sittlichkeit nach Maßgabe ihrer Stellung mitwirken, ist vom Ministerium durch die Verordnungen: Akt 5512 53 (Christianisierung des Unterrichtes), Akt 2756 53 (Verrichtung der österlichen Andacht von Seite der Lehrer in Gemeinschaft der Schüler), Akt 11851 53 (Aufsichtsrecht der Bischöfe über den Unterricht an Gymnasien), Akt 7752 54 (für Siebenbürgen. Ausdehnung dieses Aufsichtsrechtes auch auf die Lehrer und Direktoren), dann regelmäßig in den Erledigungen der Jahresberichte Genüge gethan und wird in diesem Sinne bei jedem Anlaße und insbesondere bei jeder Visitation eines Gymnasiums von Seite des gefertigten Referenten eingewirkt.
Diese Thatsachen und Andeutungen genügen darzuthun, daß, was die Bischöfe laut des eigenen Ausdruckes wünschen, das Ministerium mit allen für dasselbe verfügbaren Mitteln sich nicht nur die Besetzung der Lehrerstellen mit wahrhaft katholischen Männern, sondern auch die dem Zwecke entsprechende Verwendung und Haltung der Lehrer angelegen sein lasse.

Kleemann

In Betreff der Realschulen:
Dieselben Verhältnisse bestehen auch an den selbständigen Realschulen. Die Realschüler haben die tägliche Schulmesse. Nur in Wien findet während der Winterzeit eine Unterbrechung statt, welche durch die Lokalverhältnisse bedingt ist. Schüler müssen aus großer Entfernung zur Schule kommen und oft bei sehr rauher und stürmischer Witterung einen stundenlangen Weg machen. Der Besuch der Kirche würde in diesem Falle die damit beabsichtigten Zwecke nicht fördern. An allen Realschulen ohne Ausnahme besteht Messe und Predigt an Sonn- und Feiertagen und der Empfang der heiligen Sakramente der Buße und des Altars fünfmal während des Schuljahres so wie die geistlichen Exercitien in den 3 ersten Tagen der Charwoche.
Über die außerordentlichen Übungen müssen die Anordnungen der Bischöfe erwartet werden, sie werden gewiß heilsam zur Hebung des religiösen Sinnes der Schüler mitwirken, wenn sie den Bedürfnissen derselben in dieser Richtung entsprechend eingeführt und geleitet werden. Was die Bestellung der Lehrer an den Realschulen betrifft, so wurde ohnedies, wie es auch schon in der Natur der Sache liegt, immer nach denselben Grundsätzen verfahren, welche die Bischöfe in ihrer Eingabe aussprechen.

M[arian] Koller