Leo Thun an Maximilian Joseph Tarnóczy
Wien, 21. November 1860
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Regest

Leo Thun bedankt sich bei Erzbischof Maximilian Tarnóczy für das Schreiben, das er ihm nach seiner Amtsenthebung geschickt hatte. Thun erklärt, dass er das Amt immer mit Liebe und nach besten Kräften ausgeübt habe. Welche Aufgabe nun auf ihn zukommen werde, kann Thun noch nicht abschätzen. Aber besonders die Ereignisse in Italien zeigen aus der Sicht von Thun, dass der Kampf gegen die Feinde der Kirche noch nicht überstanden sei. Weiter schreibt er, dass er nun endlich Zeit habe, das Buch von P. Célestin-Joseph Felix zu lesen. Er würde es sehr wünschen, wenn alle Lehrer an den Gymnasien und Realschulen dieses Buch lesen würden.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochwürdigster Herr Fürsterzbischof!

Ich danke Euerer fürstlichen Gnaden für das freundliche Schreiben, welches Sie an mich aus Anlaß meiner Enthebung von meinem Amte, das ich – wenn auch mit unzureichenden Kräften, doch mit aufrichtiger Liebe geführt habe, zu richten so gütig waren. Wenn es mir gelungen ist, mir für meine fernere Laufbahn, – wie immer Sie in der bewegten Zeit in der wir leben beschaffen sein mag – das Wohlwollen und das Vertrauen der edelsten und erlauchtesten Bischöfe zu erwerben. So sehe ich mich in einer Weise belohnt, die die geringen Dienste, die ich zu leisten vermochte, weit übertrifft. Ich werde dadurch mich angespornt fühlen, mich dieses Vertrauens immer würdig zu erweisen. An Gelegenheit dazu wird es wohl nicht fehlen. Wer den Gang der Ereignisse beobachtet, kann nicht zweifeln, daß die Triumphe welche die immer entschiedener gegen die Kirche gerichtete Revoluzion in Italien feiert, auch bei uns ihre Nachwirkungen haben werden. Da wird es Noth thun, daß vertrauensvoll alle zusammenhalten, die es erkennen, daß die Kirche die Grundlage aller Ordnung und allen Gedeihens ist! Die Muße die mir jetzt geworden, gestattet mir endlich eine längst begonnene Lecture zu vollenden, die berühmten Conférences des P. Felix "Le Progrès par le Christianisme"1. Wäre es möglich alle Gymnasial- und Realschullehrer, oder wenigstens alle Katecheten mit diesem Werke vertraut zu machen, und durch sie den Ideengang desselben in die Jugend zu übertragen, dann könnte man mit mehr Beruhigung in die Zukunft schauen!
Mit ausgezeichneter Hochachtung habe ich die Ehre zu verharren

Euerer Eminenz
ergebenster Diener
Graf Leo Thun

Wien, den 21. November 1860.