Leo Thun bedankt sich bei Erzbischof Maximilian Tarnóczy für das Schreiben, das er ihm nach seiner Amtsenthebung geschickt hatte. Thun erklärt, dass er das Amt immer mit Liebe und nach besten Kräften ausgeübt habe. Welche Aufgabe nun auf ihn zukommen werde, kann Thun noch nicht abschätzen. Aber besonders die Ereignisse in Italien zeigen aus der Sicht von Thun, dass der Kampf gegen die Feinde der Kirche noch nicht überstanden sei. Weiter schreibt er, dass er nun endlich Zeit habe, das Buch von P. Célestin-Joseph Felix zu lesen. Er würde es sehr wünschen, wenn alle Lehrer an den Gymnasien und Realschulen dieses Buch lesen würden.
Hochwürdigster Herr Fürsterzbischof!
Ich danke Euerer fürstlichen Gnaden für das freundliche Schreiben, welches Sie an mich aus Anlaß meiner Enthebung
von meinem Amte, das ich – wenn auch mit unzureichenden Kräften, doch mit
aufrichtiger Liebe geführt habe, zu richten so gütig waren. Wenn es mir gelungen
ist, mir für meine fernere Laufbahn, – wie immer Sie in der bewegten Zeit in der
wir leben beschaffen sein mag – das Wohlwollen und das Vertrauen der edelsten
und erlauchtesten Bischöfe zu erwerben. So sehe ich mich in einer Weise belohnt,
die die geringen Dienste, die ich zu leisten vermochte, weit übertrifft. Ich
werde dadurch mich angespornt fühlen, mich dieses Vertrauens immer würdig zu
erweisen. An Gelegenheit dazu wird es wohl nicht fehlen. Wer den Gang der
Ereignisse beobachtet, kann nicht zweifeln, daß die Triumphe welche die immer
entschiedener gegen die Kirche gerichtete Revoluzion in
Italien feiert, auch bei uns ihre Nachwirkungen haben
werden. Da wird es Noth thun, daß vertrauensvoll alle zusammenhalten, die es
erkennen, daß die Kirche die Grundlage aller Ordnung und allen Gedeihens ist!
Die Muße die mir jetzt geworden, gestattet mir endlich eine längst begonnene
Lecture zu vollenden, die berühmten Conférences des P. Felix "Le Progrès par le
Christianisme"1. Wäre es möglich alle Gymnasial-
und Realschullehrer, oder wenigstens alle Katecheten mit diesem Werke vertraut
zu machen, und durch sie den Ideengang desselben in die Jugend zu übertragen,
dann könnte man mit mehr Beruhigung in die Zukunft schauen!
Mit
ausgezeichneter Hochachtung habe ich die Ehre zu verharren
Euerer Eminenz
ergebenster Diener
Graf Leo Thun
Wien, den 21. November 1860.