Der Entwurf eines nicht genannten Autors legt in groben Umrissen Vorschläge für die Reform der Zentralverwaltung dar. Dabei finden sich sowohl Reformvorschläge für einige Institutionen als auch grundlegende Prinzipien, nach denen diese Reform gestaltet werden soll. Zunächst finden sich Erläuterungen zu einer Reform der Kompetenzen und Aufgaben der Ministerkonferenz sowie zu Veränderungen in einzelnen Ministerien. Außerdem wird die Aufgabe des Reichsrats ausgeführt. In der Folge werden einige Grundsätze für die Regelung der Angelegenheiten der gesetzlich anerkannten (nicht-katholischen) Religionsgemeinschaften in Österreich sowie einer Neuausrichtung in der Nationalitäten- bzw. Sprachenfrage dargelegt. Diesbezüglich wird vor allem festgehalten, dass es keinen Zwang zur deutschen Sprache geben soll. Außerdem werden Prinzipien zur Regelung von Zensur- und Pressewesen sowie Zoll- und Handelsfragen dargelegt.
Programm
I. Ministerconferenz
a. Geschäftsordnung
Der Ministerpräsident leitet die
Verhandlungen der Ministerconferenz. Diese faßt mit Stimmenmehrheit für alle
ihre Mitglieder bindende Beschlüsse. Einem jeden Minister steht frei,
Seperatvoten dem Protokolle beizufügen.
b. Wirkungskreis
Vorbehaltlich der allerhöchsten Sanction beschließt die Ministerconferenz
über
a. alle in dem Programme ausdrücklich bezeichneten Fragen;
b. im
Allgemeinen über alle legislativen und principiellen Fragen;
c. über
Administrativfragen und Competenzstreitigkeiten von Belang;
d. die
wichtigsten Personalanträge der einzelnen Ministerien, nämlich betreffend die
Ernennung von Statthaltern, Oberlandesgerichtspräsidenten, Finanzdirectoren,
Erzbischöfen, Bischöfen, Superintendenten, Polizeidirectoren – werden, bevor sie
Seiner Majestät unterlegt werden, der Ministerconferenz zur Kenntnisnahme
mitgetheilt.
II. Veränderungen im Wirkungskreis einzelner Ministerien
Die Gendarmerie und Polizeimannschaft wird, erstere dem Ministerium des Innern,
letztere dem Polizeiministerium in Bezug auf die Ausübung des Dienstes
untergeordnet.
Das Handelsministerium wird aufgelöst und seine Geschäfte
werden in folgender Weise vertheilt:
Gewerbewesen und öffentliche Bauten an
das Ministerium des Innern;
Handel, Schiffahrt, Verkehrsanstalten (Post,
Telegraphen, Eisenbahnen) an das Finanzministerium, welches letztere über den
Postenverkehr mit dem Ministerium des Innern das Einvernehmen zu pflegen hat;
Consulatswesen an das Ministerium des Äußern;
Statistik an die Oberste
Controllsbehörde.
Sämmtliche Angelegenheiten der in- und ausländischen
Presse mit Einschluß der Redaction der Wiener Zeitung gehören in den
Wirkungskreis des Polizeiministers, welcher hiebei im Einvernehmen mit dem
Minister des Äußern vorgeht. Letzterem bleibt vorbehalten, unter besonderen
Verhältnissen die Leitung der Preßangelegenheiten zu übernehmen.
III. Religionsfrage
Den gesetzlich anerkannten nichtkatholischen christlichen Religionsgenossen in
Oesterreich sind Freiheit der Religionsübung und
Autonomie gesichert.
Für Tirol, wo besondere Verhältnisse
obwalten, wird die Religionsfrage mit dem Landtage dieser Provinz ausnahmsweise
verhandelt. Desgleichen bleiben die Angelegenheiten dieser Glaubensgenossen im
lombardisch-venetianischen
Königreiche besonderer Berathung vorbehalten.
In Betreff der
Juden sind nur da Beschränkungen und Ausnahmen festzuhalten, wo besondere
Lokalverhältnisse es erheischen.
IV. Presse
Censur und Verbot der Besprechung bestimmter Fragen fallen weg.
Die durch das
Preßgesetz der Regierung eingeräumte discretionäre Gewalt wird mit Vorsicht und
Mäßigung geübt und der Presse innerhalb der Gränzen dieses Gesetzes die mit den
bestehenden Staatseinrichtungen und der Politik des Cabinetes vereinbare
Freiheit gestattet.
Das Ministerium bedient sich zur Vertheidigung seiner
Politik eines gemeinsamen halbofficiellen Organs. In andere Blätter können
Artikel nur durch Vermittlung des Preßcomité eingerückt werden.
V. Reichsrath
Das Ministerium erbittet sich die allerhöchste Ermächtigung zur Vorlage eines Gesetzentwurfes betreffend das Statut vom Reichsrath. Zweck desselben wird sein: Einberufung temporärer Mitglieder, welche nicht dem Staatsdienste angehören, zur Berathung specieller Fragen; Vereinfachung des Geschäftsganges; Berechtigung der Minister in Angelegenheiten ihres Departements oder der Ministerconferenz ihre Meinung im Reichsrath zu vertreten und über die von Letzterem gestellten Anträge, bevor die allerhöchste Entschließung erfolgt ist, ihre Gegenbemerkungen Seiner Majestät zu unterlegen.
VI. Rechtspflege
Zur Vereinfachung der Rechtspflege wird die Civil- und Criminalproceßordnung einer Revision unterworfen.
VII. Gewerbeordnung
Schleuniger Erlaß einer Gewerbeordnung
VIII. Volkswirthschaftliche Einigung mit Deutschland in allen Richtungen,
als da sind: Zolleinigung, Freizügigkeit, Post, Telegraphen, Eisenbahnen, Handelsgesetz, Auswanderungsgesetz, Gesetz über Ansäßigmachung etc.
IX. Vereinfachung der Verwaltung durch Übertragung gewißer Geschäfte an nicht landesfürstliche Organe
Der Minister des Innern wird den Länderchefs die Hauptgrundsätze des
Gemeindegesetzes, welche allgemein giltig bleiben sollen, bezeichnen und
denselben den Auftrag ertheilen, unverzüglich eine Comission von Männern aus
allen Classen, welche das allgemeine Vertrauen genießen, für diesen Zweck nach
ihrer Wahl zu berufen, mit ihnen dieses Gemeindegesetz nach den örtlichen
Gewohnheiten und Sitten zu entwerfen und ihre Anträge noch im Laufe dieses
Jahres einzusenden.
Das Ministerium wird es sich zur Aufgabe machen, in den
einzelnen Kronländern diejenigen Einrichtungen hervorzurufen, welche sich als
geeignet darstellen dürften, alles, was in Betreff der Steuereinhebung, des
adeligen Richteramtes, der correctionellen Polizei, der Ahndung minder wichtiger
Übertretungen, endlich des Friedensrichteramtes und der Entscheidungen von
Bagatellestreitigkeiten bisher in den Wirkungskreis der Bezirksämter gehörten,
anderen Organen anzuvertrauen.
Die Gesetze betreffend die Zusammensetzung
und den Wirkungskreis der landständischen Vertretungen bleiben weiteren
Verhandlungen der Ministerconferenz vorbehalten.
X. Finanzen
In Anbetracht des dringenden Bedürfnisses einer geregelten Finanzlage wird das
Gesammtbudget Gegenstand der Ministerberathung.
Eine Commission wird sofort
eingesetzt, um in allen Ministerien, dem Armeeoberkommando und der obersten
Controllsbehörde die möglichsten Ersparungen zu erzielen. Überschreitungen der
ordentlichen Budgets dieser Centralstellen können nur im Wege der
Ministerconferenz bei Seiner Majestät beantragt werden.
XI. Nationalitäten
Die deutsche Sprache soll den nichtdeutschen Bevölkerungen nirgends aufgedrängt, sondern in allen darauf bezüglichen Fragen gewißenhaft an dem Grundsatze gehalten werden, daß soviel es möglich überall die Sprache angewendet werde, welche dem praktischen Zwecke, um den es sich handelt, am besten entspricht.