Ministerialrat Ignaz Nádherny weist auf eine Problematik hin, die sich mit dem Erlass des Gesetzes zur Heeresergänzung für zahlreiche Studenten ergeben hat. In diesem Gesetz ist nämlich vorgesehen, dass sich Studenten nach den ersten beiden Jahren für ein weiteres Jahr von ihrer Militärpflicht befreien lassen können. Damit wäre aber das Medizinstudium, das in der Regel fünf Jahre dauert, unterbrochen. Ähnliches gilt für andere Studenten. Der Ministerialrat empfiehlt daher, dass die Studenten, sofern der Dekan ihren Fleiß bestätigt, von der Militärpflicht bis zum Abschluss des Studiums befreit sein sollten. Nádherny rät von der Einführung von Kolloquien zur Überprüfung des Fleißes ab, da dies eine zusätzliche Belastung für Lehrende und Studierende bedeuten würde.
Beilage: Aufstellung der 19- und 20jährigen Studenten an der medizinischen und juridischen Fakultät der Wiener Universität.
Nach dem § 3 des Gesetzes über die Heeresergänzung vom 29. September 18581 beginnt die Verpflichtung zum
Eintritt in das Heer mit dem vollendeten 20. Lebensjahr und dauert volle 7
Jahre.
Dagegen ist zu Aufnahme in das Gymnasium gemäß des § 59 des
Gymnasialorganisationsentwurfes vom Jahre 1849 das vollendete 9. Jahr
erforderlich. Vor dem vollendeten 18. Jahr kann somit Niemand als ordentlicher
Universitätshörer zur Inskribtion gelangen.
Jene, welche in dieser
Altersperiode in das medizinische Studium eintreten, werden somit erst mit dem
fünften Semester militärpflichtig werden. Bis dahin sollen aber auch dieselben
nach dem medizinischen Rigorosenentwurfe die Prüfung aus den
naturwissenschaftlichen Fächern bestanden haben; erhalten sie hiebei den Kalkül
der Befähigung, so sind dieselben nach dem § 20 jenes Gesetzes wenigstens für
das fünfte und sechste Semester von der Pflicht zum Eintritt in das Heer
befreit.
Diese Befreiung sollte auch für die ferneren 4 Semester ihre
Geltung haben, wenn auf Grundlage der Erklärungen der betreffenden Fachlehrer der
Professorendekan die Befähigung abgibt, daß der Student wöchentlich durch die
vorgeschriebene Stundenzahl jenen eigentlichen Berufsstudien und den damit
verbundenen praktischen Übungen mit ausgezeichnetem Fleiße oblag und Beweise
eines ebenso ausgezeichneten wissenschaftlichen Strebens ablegte.
Jene
Studierenden, welche in einem spätern Lebensjahr inscribiert werden, haben für
das erste Universitätsjahr das Maturitätszeugnis für sich. Dieses sollte auch
für das zweite Jahr Gültigkeit haben, wenn nebstbei die oberwähnte Bestätigung
des Professorendekans beigebracht werden würde.
Für die ferneren Semester
hätten auch bei diesen Hörern die obenbeantragten Bestimmungen ihre Anwendung zu
finden.
Behufs der Ertheilung jener Dekanatsbestätigung könnten die durch
den § 55 der Studienordnung angedeuteten Modalitäten eingehalten
werden.
Sollte aber dennoch auf den Kolloquien behufs der Militairbefreiung
bestanden werden, so ist nicht abzusehen, warum der Ausweis, daß der Student den
Unterricht mit ausgezeichnetem Fortgang genossen habe, gefordert werden sollte,
da sich bei Staatsprüfungen blos mit dem Ergebnisse der Befähigung zufrieden
gestellt werden will.
Auch wäre dann jenen Hörern, welche schon im zweiten
Universitätsjahr im militärpflichtigen Alter stehen sollten, bloß die Ablegung
eines Kolloquiums aus der Anatomie und Physiologie zur Pflicht zu machen, da
diese zwei medizinischen Disziplinen für die ersten vier Semester die
eigentlichen Hauptfächer bilden.
Für das fünfte und sechste Semester würde
das Ergebnis des naturwissenschaftlichen Rigorosums, als der ersten
medizinischen Staatsprüfung, den Medizinern den vorgeschriebenen Nachweis
bieten; für die ferneren vier Semester aber außerdem nichts erübrigen, als die
Hörer derselben anzuweisen, sich einem Kolloquium aus der praktischen Medizin
und Chirurgie zu unterziehen, da dies die Hauptfächer für diese Semester
sind.
Zu diesem Kolloqium wären übrigens nur jene Hörer zuzulassen, denen
das obenbemerkte Zeugnis eines ausgezeichneten wissenschaftlichen Eifers gegeben
werden würde, und deren Ablegung müßte jedenfalls stets vor dem Monate Februar
erfolgen, da mit diesem Monate jedes Jahr die Heeresergänzung durch die Stellung
erfolgen soll.
Wünschenswerth, ja selbst dringend nothwendig erscheint es
jedoch jedenfalls, daß alles aufgeboten werde, damit von diesen Kolloquien,
behufs der Militairbefreiung zur Gänze Umgang genommen werde, da durch dieselben
Lehrer, wie Lernende in eine schiefe und unangenehme Stellung gebracht, und zu
mancherlei Konflikten unvermeidlich Anlaß gegeben werden würde, nebstbei aber
auch in mehrfach demoralisierender Einfluß zu besorgen stünde.
Durch die
beantragten Modifikationen würde den Anordnungen der neuen
Rekrutierungsvorschrift wenigstens der größte Stachel benommen, so wie für den
Fall als auf der Ablegung von Kolloquien und der Nachweisung eines
ausgezeichneten Fortganges in diesem Wege bestanden werden sollte, der Andrang
zu denselben thunlichst vermindert, und durch die projektierten, bloß von
ordentlichen Professoren vertretenen Hauptfächern doch theilsweise den gegen die
Kolloquien sich mit vollem Rechte aufdrängenden Bedenken möglichst begegnet
werden. Nicht zu übersehen ist es endlich, daß durch die oberwähnte Bezeichnung
die Kolloquienanforderung auf das geringste Maaß zurückgesetzt werden könnte,
wenn dieselbe durchaus nicht aufgegeben werden wollte.
m/p Nadherny
Ausweis
über die Zahl der im 19. und 20. Lebensjahre befindlichen Studierenden der medizinischen und juridischen Fakultät im Wintersemester 1859
Juristen 1080, darunter:
19 Jahre – 182 Köpfe
20 Jahre – 205
Köpfe
zusammen 387
Mediziner 540, darunter:
19 Jahre – 70 Köpfe
20 Jahre – 68
Köpfe
zusammen 138
Wien, am 11. Dezember 1858
Karl S. Wall
Quästor