Otto Hingenau, Professor des Bergrechts an der Universität Wien, regt einige Änderungen der akademischen Gesetze an. Zunächst schlägt er ein alternatives Vorgehen bei der Inskription und bei der Bezahlung der Kollegiengelder vor, was aus seiner Sicht eine Vereinfachung für die Studenten und die Verwaltung mit sich bringen würde. Zudem weist Hingenau darauf hin, dass einige Vorgaben der geltenden akademischen Gesetze nicht umgesetzt würden. Hingenau nennt dabei die nie durchgeführte feierliche Übergabe der Matrikelscheine. Dekan Franz Xaver Haimerl wollte dies bereits ändern, scheiterte jedoch mit seinem Vorhaben am Widerwillen im Konsistorium. Im Übrigen wünscht sich Hingenau, dass die korporativen Feiern der Universität mit größerer Würde begangen werden. Zuletzt beschwert sich Hingenau erbost darüber, dass die Studenten bekanntermaßen oft falsche ärztliche Zeugnisse vorlegen.
Bemerkungen über allfällig nöthig werdende Änderungen in den Akademischen Gesetzen (Studienordnung, Disciplinarordnung und Collegiengeldergesetz.)
I.
In der Studienordnung vom 29. September 18501
ad § 1
Könnte da nicht zu den zwei Kategorien
der Hörer noch eine dritte: Gäste genommen werden, für welche
eine bloße Meldung beim Professor und die Einhebung einer gegen oder ohne
Collegiengeld bei der Quästur über Anweisung des Professors und eben nicht
persönlich zu erhebenden Karte genügte? Nur müßten den Gästen reservierte Plätze
angewiesen werden, um die Controlle der Frequenz der immatrikulierten und
außerordentlichen Zuhörer nicht zu beirren[?].
ad § 14
Hier könnte auch
die Bestimmung wegen Vorausbezahlung der Collegiengelder enthalten sein, wofür
nachstehende Gründe sprechen:
1. Ist die Manipulation der Quästur
vereinfacht.
2. Ist der Student beim Anfang des Semesters in der Regel mit
Geld besser versehen als gegen Ende desselben, zumal im Wintersemester, wo sich
das Ende an den Fasching anschließt.
3. kann dadurch der so schädliche lange
Termin zur Bestätigung abgekürzt und so ermöglicht werden, dem zu frühen
Verlassen der Hörsäle und willkürlichen Ausdehnung der Ferien
vorzubeugen.
4. Endlich nöthigt es den Studierenden sich baldigst zu einer
Wahl zu entschließen und nicht auf die letzten Tage ankommen zu lassen.
Es
müssen aber um es zu ermöglichen geringe andere Änderungen eintreten.
Die
Meldung und Inscription beim Professor müßte der beim Quästor vorangehen, weil, wenn ein Professor es angemessen fände, dem
Candidaten seines Faches von dessen Hörung abzurathen oder ihm die Inscription
zu versagen, sonst doppelt Arbeit einträte. Endlich müßte der Lectionskatalog
noch vor Ablauf der Ferien sicher erscheinen und publiciert
werden, damit sich die Hörer danach richten können. – Ich denke mir die Sache
einfach in folgender Art:
Der Student meldet sich zuerst bei dem
betreffenden Dozenten mit der vollzogenen Immatrikulation oder dem sie
vertretenden Interims-Aufnahmeschein (§ 13, 14, 17) zur Inscription, und gibt
ihm sein Nationale (was zweckmäßiger ist als die Eintragung in einen
aufliegenden Bogen) und unterhält von ihm die Unterschrift des Namens im
Meldungsbuch; mit dieser geht er nun in die Quästur und wird
dort gegen Erlag des Collegiengeldes oder Vorweisung seiner Befreiung
inscribiert und gleich in einen Bogen eingetragen, der mit dem Namen des
betreffenden Dozenten bezeichnet vorbereitet da liegen muß. Dadurch ist die
Quästur in der Lage aus dem solcher Art ausgefüllten Dozentenbogen ihre Matrikel
zu controllieren und auch dem Dozenten 14 Tage nach Ablauf des
Inscriptionstermins der auf 8 Tage beschränkt werden könnte, diesen Bogen zu
übergeben, aus welchem er ersieht welche der bei ihm angemeldeten sich wirklich
bei der Quästur inscribieren ließen. Wer in diesem Bogen nicht enthalten ist –
erhält auch keine Bestätigung. Zur Verwendung von Reclamationen dient die
öffentliche Verlesung dieses Bogens am 15. Tage nach der Eröffnung des
Semesters, wobei insbesondere Jene gleich zu streichen sind, welche sich zwar beim Professor gemeldet – aber in der
Quästur weder gezahlt, noch sich zur Inscription gemeldet haben.
Scheint
dieser Vorgang zu compliciert, so könnte die Inscription in Verbindung mit deren
Collegiengeldentrichtung bei der Quästur vorangehen und die Quästurquittung
gleich statt eines Nationales dem Professor übergeben werden, der dann seinen
Namen hinzusetzt und die Inscription dadurch vollendet. Nur müßte dann auch den
Befreiten eine Art Quittung über die ausgewiesene
Befreiung eingehändigt werden und der Professor käme zugleich in Kenntnis
derjenigen welche Befreiung genießen. Nur würde falls ein Professor wegen
unzweckmäßiger Wahl des Gegenstandes sich veranlaßt fühle eine Inscription nicht
zu vollziehen, oder von ihr abzurathen, dann der Student, neuerlich zur Quästur
gehen, dort sich löschen, eine neue Quittung vorlegen müssen, die auf das nun
gewählte Collegium lautet oder wenn er gar keines wählt oder seine Stundenzahl
schon hat – das Collegiengeld zurückverlangen können!
ad § 17
Die
Übergabe der Matrikelscheine, wie sie in diesem § angedeutet ist, wird durchaus
nicht im Sinne des Gesetzes gehandhabt, indem dabei jede Feierlichkeit unterlassen wird. Dekan Dr. Haimerl der auf Herstellung einer feierlichen Vornahme dieses Aktes drang, wird im
Universitätsconsistorium von den votis majoribus im Stiche gelassen. Hier dürfte
eine Einschärfung der Feierlichmachung dieser Funktion dringend nothwendig sein
und dürfte über den bisherigen Usus respective abusus, Decan Haimerl die Auskunft zu geben
wissen!
ad § 32
Die Herabsetzung des Inscriptionstermins auf 8 Tage und
möglichst Erschwerung nachträglicher Aufnahme scheint sehr nothwendig, soll es
nicht in die Hand der jungen Leute gegeben sein die Ferien [?] zu
verlängern.
ad § 42
Wurde von der bisherigen Quästur nie wohl befolgt. Ich sehe nicht ein, warum dieser Katalog nicht schon
14 Tage nach Schluß der Inscription in den Händen jedes Dozenten sein
könnte!
ad § 52
Die Relegation wegen beharrlichen Unfleißes sollte etwas
strikter normiert sein, und z.B. als solche angesehen werden, wenn jemandem zwei
Semester hindurch von einem und demselben Professor oder von 3 verschiedenen
Professoren die Frequenzbestätigung verweigert wurde.
II. Zur Disciplinarordnung
Im Allgemeinen würden häufige Gelegenheiten zur
Entfaltung corporativer Universitäts-Feierlichkeiten mit obligater und
zweckmäßig eingerichteter Anwesung[?] der Studierenden sehr heilsam sein; doch muß
Raum
dafür da sein, damit sie sich nicht wie jetzt im Consistorialsaal drängen und
stoßen müssen, was gerade die Solidesten abhält dabei feste mitzumachen.
ad
§ 4
Wünschenswerth wäre es, daß der Rektor so wie die akademischen Behörden
und alle einzelnen Professoren den Studierenden persönlich bekannter wären als
jetzt, wo man oft nur von seinen eigenen Zuhörern gekannt ist und insbesondere
junge Professoren kaum fordern können, daß sie mit der gebührend äußeren Achtung
im Akademiegebäude behandelt werden, da sie ja von den Wenigsten gekannt
sind.
ad § 7
Wäre vielleicht zu derlei gestalteten Versammlungen die
Anwesenheit eines Mitglieds des Lehrkörpers in gewissen Fällen gut.
Endlich mache ich noch auf den Übelstand der ärztlichen Zeugnisse aufmerksam, welche gar so oft die deutlichsten Inzichten der oberflächlichsten Unwahrheit an sich tragen. Ob die Aufstellung bestimmter verläßlicher Ärzte für die Ausstellung akademisch-gültiger Zeugnisse oder ein anderes Mittel angewandt werden sollte ist gleichgültig. Daß aber innerhalb der Universität selbst jene leider in Österreich nur zu häufige schmachvolle Venalität solcher Zeugnisse auch noch respektiert werden sollte, ist doch kaum mit Anstand zu ertragen!
III. Collegiengelder
Wenn darauf eingegangen wird die Collegiengelder bei der
Inscription im Vorhinein entrichten zu lassen, so wäre
ad § 22
der
Einreichtermin um Befreiung in die letzten 4–6 Wochen vor Schluß des Semesters
zu stellen und der
§ 17
bezüglich der übertretenden Gymnasiasten und des
I. Semesters fiele dadurch ganz weg, weil jeder Aufzunehmende für das erste Semester jedenfalls das Collegiengeld zu zahlen hätte;
außer man wollte ihm noch während seiner Gymnasialzeit das Einschreiten
bewilligen, wobei aber meistens die Maturitätsprüfung fehlen dürfte!
Sonst
habe ich keine wesentlichen Bemerkungen zu machen.
Otto Freiherr von Hingenau