Anton Waldert an Leo Thun
Görkau [Jirkov], 22. September 1853
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Regest

Der Priester Anton Waldert erklärt, warum er die ihm angebotene Stelle als Lehrer für Geschichte und Deutsche Literatur ablehnt. Seine "kirchliche" Gesinnung verbiete es ihm, das Angebot anzunehmen. Er hofft, dass ihm Thun diese Entscheidung nicht übel nehme und er trotzdem auf Thuns Unterstützung zählen könne. Waldert macht Thun dann auf die historischen Forschungen eines jungen Priesters aufmerksam. Waldert betont zudem die Notwendigkeit, die Wissenschaft zu christianisieren, und freut sich über die ersten Schritte des Ministeriums in diese Richtung. Der genannte Priester könnte dabei sehr hilfreich sein.

Anmerkungen zum Dokument

Verweis auf A3 XXI D240.

Verweis auf A3 XXI D243.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-D9B0-9

Schlagworte

Edierter Text

Excellenz, Hochgeborener,
gnädigster Herr Minister!

Jeder Mensch fühlt das Bedürfnis zu einer Lebensthätigkeit, deren höchsten Forderung er gewachsen ist, zu einem Berufe, der ihn nicht erdrückt, sondern über dessen Auffassung er steht. Mit ausgezeichnetem Wohlwollen haben Eure Excellenz nach dieser Richtung mein Lebensglück begründen wollen; denn Hochdieselben haben mir in unverdienter Güte ein Lehramt der Geschichte und deutschen Literatur in sichere Aussicht gestellt. Aber es gibt Beziehungen in diesem Leben, zumal für einen Priester der Kirche Gottes, denen aller Eigenwille untergeordnet werden muß. Das ist augenblicklich auch bei mir der Fall. Mein „kirchliches“ Gewissen heischt von mir „Resignation für die Gegenwart auf die gnädigst zugesicherte Lehramtsstellung“.
Hochdieselben sind ein viel zu gediegener, hochsinniger Charakter, als daß mir deshalb für alle Zukunft Hochihre Gewogenheit entziehen sollten. Denn es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß die oben angedeuteten Bedenklichkeiten in nächster Zukunft fallen dürften, wo ich dann ohne Verzug das gewünschte Bittgesuch an das hohe Unterrichtsministerium einsenden würde. Euer Excellenz werden wohl immer einen Platz für mich aufzufinden wissen. Inzwischen werde ich durch eifriges Gebeth und Studium und treue Pflichterfüllung mehr und mehr Würdigkeit mir zu erringen bemüht seyn.
Haben hochgeborener Herr die historischen Meditationen des Pater Weber durchgelesen? Dieser würdige, eifrige und geniale Priester wird Hochdenselben wohl noch viel Freude machen, denn ich zweifle keinen Augenblick, nunmehr er Hochihnen bekannt ist, daß er an einen Posten wird gestellt werden, für den er ganz gemacht ist.
Excellenz sind gewiß auch der entschiedenen Ansicht, daß soviel die Wissenschaft zur Lebenserneuerung beitragen kann, nur die christianisirte Wissenschaft einen reell-ideellen Erfolg abwerfen wird. „Die ganze Wirksamkeit des erleuchteten hohen Ministerium Thun gibt davon Zeugnis.“ Aber nur so geistkräftige christliche Männer wie Pater Weber können ein solches Werk fördern. Und soll die faul gewordene Gesellschaft nicht zugrunde gehen, so thuts Noth, daß die begonnene herrliche Arbeit muthig und kräftig wie bisher fortgeführt werde. Gott erhalte und segne hiefür und hierin Euer Excellenz!
Indem ich zum Schluße dieser Zeilen eile, bitte ich nur noch die Versicherung meiner aufrichtigen Hochachtung und Dankbarkeit entgegenzunehmen und zeichne mich

Euer Excellenz

herzlich ergebenster
Pater Anton Waldert

Görkau, 22. September 1853