Der Priester Anton Waldert erklärt, warum er die ihm angebotene Stelle als Lehrer für Geschichte und Deutsche Literatur ablehnt. Seine "kirchliche" Gesinnung verbiete es ihm, das Angebot anzunehmen. Er hofft, dass ihm Thun diese Entscheidung nicht übel nehme und er trotzdem auf Thuns Unterstützung zählen könne. Waldert macht Thun dann auf die historischen Forschungen eines jungen Priesters aufmerksam. Waldert betont zudem die Notwendigkeit, die Wissenschaft zu christianisieren, und freut sich über die ersten Schritte des Ministeriums in diese Richtung. Der genannte Priester könnte dabei sehr hilfreich sein.
Excellenz, Hochgeborener,
gnädigster Herr Minister!
Jeder Mensch fühlt das Bedürfnis zu einer Lebensthätigkeit, deren höchsten
Forderung er gewachsen ist, zu einem Berufe, der ihn nicht erdrückt, sondern
über dessen Auffassung er steht. Mit ausgezeichnetem
Wohlwollen haben Eure Excellenz nach dieser Richtung mein Lebensglück begründen
wollen; denn Hochdieselben haben mir in unverdienter Güte ein Lehramt der
Geschichte und deutschen Literatur in sichere Aussicht gestellt. Aber es gibt
Beziehungen in diesem Leben, zumal für einen Priester der Kirche Gottes, denen
aller Eigenwille untergeordnet werden muß. Das ist augenblicklich auch bei mir
der Fall. Mein „kirchliches“ Gewissen heischt von mir
„Resignation für die Gegenwart auf die gnädigst zugesicherte
Lehramtsstellung“.
Hochdieselben sind ein viel zu gediegener, hochsinniger
Charakter, als daß mir deshalb für alle Zukunft Hochihre
Gewogenheit entziehen sollten. Denn es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß die
oben angedeuteten Bedenklichkeiten in nächster Zukunft fallen dürften, wo ich
dann ohne Verzug das gewünschte Bittgesuch an das hohe
Unterrichtsministerium einsenden würde. Euer Excellenz werden wohl
immer einen Platz für mich aufzufinden wissen. Inzwischen werde ich durch
eifriges Gebeth und Studium und treue Pflichterfüllung mehr und mehr Würdigkeit
mir zu erringen bemüht seyn.
Haben hochgeborener Herr die historischen
Meditationen des Pater Weber durchgelesen?
Dieser würdige, eifrige und geniale Priester wird Hochdenselben wohl noch viel
Freude machen, denn ich zweifle keinen Augenblick, nunmehr er Hochihnen bekannt
ist, daß er an einen Posten wird gestellt werden, für den er ganz gemacht
ist.
Excellenz sind gewiß auch der entschiedenen Ansicht, daß soviel die Wissenschaft zur Lebenserneuerung beitragen kann, nur die christianisirte Wissenschaft einen reell-ideellen
Erfolg abwerfen wird. „Die ganze Wirksamkeit des erleuchteten hohen Ministerium
Thun gibt davon Zeugnis.“ Aber nur so geistkräftige christliche Männer wie Pater
Weber können ein solches Werk fördern. Und
soll die faul gewordene Gesellschaft nicht zugrunde gehen, so thuts Noth, daß
die begonnene herrliche Arbeit muthig und kräftig wie bisher fortgeführt werde.
Gott erhalte und segne hiefür und hierin Euer Excellenz!
Indem ich zum
Schluße dieser Zeilen eile, bitte ich nur noch die Versicherung meiner
aufrichtigen Hochachtung und Dankbarkeit entgegenzunehmen und zeichne mich
Euer Excellenz
herzlich ergebenster
Pater Anton Waldert
Görkau, 22. September 1853