Der evangelische Pastor Christian Molnár bittet Kaiserin Elisabeth um eine Unterstützung für seine notleidende Familie. Das Einkommen aus seiner Gemeinde ist aufgrund der Armut der Bevölkerung gering und auch die Mitgift seiner Frau ist bereits aufgebraucht. Er hofft auf die Gnade und Barmherzigkeit der Kaiserin und gelobt, für das Kaiserpaar zu beten.
Das Schreiben befindet sich im Nachlass gemeinsam mit zehn weiteren Majestätsgesuchen unter der Signatur A3 XXI D320.
Euer Majestät!
Von allzu großer Noth getrieben, wagt es ein sehr hart geprüfter Vater vor die
Stufen des geheiligten Thrones Euer Majestät niedergebeugt in tiefster Devotion
zu treten und um eine Gnadengabe zur Ernährung seiner dem Hunger preisgegebenen
6 Kinder und ihrer thränenden Mutter zu flehen. Der Herr hat ihm das Amt eines
evangelischen Seelsorgers anvertraut, in welchem er bereits 22 Jahre treu
arbeitet. Seine Vorgesetzten werden kein Bedenken tragen, ihm ein günstiges
Zeugnis zu ertheilen. Seine sehr kleine im rauhen Riesengebirge gelegene Stelle
gewährt ihm jährlich, alle seine Einkünfte streng zusammengenommen, höchstens
270 fl CM, wovon er jedoch seit langer Zeit in Folge der Theuerung und
Hungersnoth unter seinen sehr armen Kirchkindern, die mittelst Repartition
seinen fixen Gehalt unter sich zu sammeln haben, kaum den dritten Theil erhält. Die kleine Mitgift seiner Gattin hat er bereits zugebüßt
und leidet nun mit seiner Familie die größte Noth, die in dem Maaße zunimmt, als
seine Kinder heranwachsen. Von Schulden gedrückt hat er natürlich keinen Kredit
mehr.
In dieser äußerst traurigen Lage sieht er sich genöthigt, an die
christliche Barmherzigkeit zu appellieren, um seine unglückliche Familie vor
Hunger, Blöße und Schmach zu bewahren und seine Schulden zu tilgen. Euer
Majestät wollen allergnädigst geruhen, auf ihn und seine arme Familie von der
Höhe Allerhöchstihrer erhabenen und geheiligten Thrones huldreich herabzublicken
und ihm eine Gnadengabe allergnädigst zu ertheilen.
Wer Schmerzensthränen in
Dank- und Freudenthränen verwandelt, dem wird es im Himmel wohl belohnt werden.
Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen, spricht
Jesus unser Herr. Er der König aller Könige, der die irdischen Throne mit Glanz
und Ruhm schmückt, möge Euer Majestaet und Allerhöchstderselben hocherhabenes
Herrscherhaus schützen, erhalten und mit Seinem Segen reichlich überschütten. Er
kröne Euer Majestät nach langem glücklichen Erdenleben mit der unvergänglichen
Krone des ewigen seligen Lebens! Amen!
In tiefster kindlichen Devotion
Euer Majestät
allerunterhänigster Knecht und Fürbitter
Christ. Aug. Molnár,
evang.
Pastor zu Hermannseifen
Hermannseifen,
Trautenauer Bezirkshauptmannschaft,
Gitschiner Kreises in
Böhmen am 2. Juli 1854