Der Staatsrechtler und Nationalökonom Lorenz Stein legt ein Memorandum zur Einführung einer festen Währung in Österreich vor. Er schlägt dazu zwei Maßnahmen vor, nämlich die Aufnahme der Barzahlung sowie die Einführung eines festen Wechselkurses. Zur Deckung des Notengeldes schlägt er vor, dieses nicht allein an die Silbervorräte zu koppeln, sondern die Noten auch als Kassenscheine der Steuerleistung anzusehen, durch die sie gedeckt sind. Diese Kassenscheine sollen als Ersatz für 120–150 Millionen Gulden benutzt werden und als Steuerzahlungsmittel fungieren. Eine Auslösung bei der Bank soll nicht erlaubt werden, so dass die Silbervorräte nicht belastet werden. Die Kassenscheine sollen so zum Verkehrsgeld werden, während die großen Noten bloßes Handelsgeld werden. Wichtig sei die Schaffung einer unabhängigen Nationalbank. Ein vom Kaiser ernannter Reichsrat solle die Bank überwachen.
Die Herstellung der Valuta in Österreich
Es ist möglich, die feste Valuta in Österreich in kurzer
Zeit und dauernd herzustellen. Dies kann aber nicht anders als durch
Ineinandergreifen zweier großen Maßregeln geschehen, die
für sich betrachtet und durchgeführt werden müssen, wenn dies Ziel,
entscheidend für die ganze Lage der Monarchie, erreicht werden soll.
Die
Bedingung der Herstellung einer festen Valuta ist zuerst die Aufnahme der
Baarzahlung; dann die feste Erhaltung der Bedingungen für diese Baarzahlung.
Keines von
Beiden kann für sich allein genügen.
1. Die Aufnahme
der Baarzahlungen und damit den festen Cours des Papiergeldes ist absolut nur
unter einer Bedingung möglich – Die gegenwärtige Notenmasse bildet ein
ununterschiedenes Ganzes, das für das Publikum auf den Silbervorrath der
Bank, als seine einzige wahre Sicherheit angewiesen erscheint.
Auf dem
Mißverhältnis beider Elemente, der Notenmasse, und des Silbervorrathes
beruht das Mißtrauen des Publikums, und es ist wohl zu bedenken, daß es so
gut als unmöglich erscheint, den Silbervorrath so groß zu
machen – noch unmöglicher ihn so groß zu erhalten, daß er der ganzen Notenmasse genügen könnte.
Man muß daher auch äußerlich
die Notenmasse in zwei Theile theilen, aus denen sie
besteht.
Jede Note ist nämlich, da sie als Steuerzahlung bei
öffentlichen Kassen angenommen wird, zugleich ein
Kassenschein. Jede Note hat demnach die Fundation durch die Steuer neben der Fundation durch den Baarfond.
Die erstere kömmt
aber nicht zum Bewußtsein, so groß sie auch ist – es handelt sich also
darum, sie neben der Silberfundation zur Geltung zu bringen.
Dies
geschieht, indem man erstlich eine Summe von 120–150 Millionen Gulden an
Banknoten vertilgt, und statt derselben die gleiche Summe
in Kassenscheinen ausgibt.
Zweitens diesen
Kassenscheinen das ausschließliche Recht beilegt als Steuerzahlungsmittel
gebraucht werden zu können, während man das Recht der Einlösung derselben
bei der Bank aufhebt und dadurch die Silberfonde der Bank um das doppelte
ihres Betrages liberiert,
drittens die übrig
bleibenden eigentlichen Banknoten von c. 300 Millionen Gulden ausschließlich
auf den Silbervorrath der Bank anweißt.
viertens alle
kleine Noten bis 50 fl aufhebt und statt diesen
Kassenscheine ausgiebt, während die Bank nur große Noten von mindestens 50
f. ausgeben darf.
Als dann wird das kleine Papiergeld anfangen, eine
wesentliche andere Funktion zu haben und auf einer wesentlich andern
Fundation zu ruhen als das große.
Die Note wird Handelsgeld, der Kassenschein wird Verkehrsgeld, und damit würde die Valuta sich herstellen lassen, da
die Bank Silber genug hat, um den Cours ihrer Noten auf pari zu bringen,
wenn die Kassenscheine davon geschieden sind.
2. Allein eben so wichtig
ist die zweite Aufgabe, diese Ordnung der Valuta, wenn sie hergestellt wird,
so zu basiren, daß sie als eine dauernde erscheint; denn
ohne dies kann die Bank auch jene eigentlichen Noten nicht gegen Entwährung
durch Agioactionen gegen ihre Baarfonds schützen.
Diese dauernde
Begründung der Valuta kann nur dadurch geschehen, daß die Nationalbank
gänzlich von den Finanzen getrennt wird.
Eine solche
Trennung ist verhältnismäßig leicht herzustellen. Die einmal hergestellte
Trennung allein, nützt aber nichts, da es schwer sein wird, den
Glauben festzuhalten, daß der Staat bei jedem vorkommenden Falle nicht
sofort wieder trotz des Unterschiedes zwischen Noten und Kassenscheinen eine
Papier-Anleihe gegen Schuldscheine bei der Bank erreichen wird, um so eher,
je besser gerade der Cours der Noten steht.
Es muß daher die Bank unter
eine, nicht von der Regierung sondern von den Actionären selbst eingesetzten
Direktion gestellt werden.
Diese Maßregel würde aber wieder nur eine
halbe sein, da auch eine solche Direktion als wehrlos erscheinen
dürfte.
Dieselbe muß sich daher an ein anderes Organ
anschließen können, welches über jeder Velleität erhaben ist.
Ein
solches Organ kann nur der Reichsrath sein – in welchem
daher, man mag ihn wie immer einrichten, ein eigener Ausschuß für die Bank
eingesetzt werden müßte, dem die Verwaltung derselben unter seiner
persönlichen Verantwortung führt.
Dies kann aber in der öffentlichen
Meinung nur dann mit Erfolg geschehen, wenn der
Reichsrath zugleich das oberste Organ der Volksvertretung
wird, wozu er am Ende berufen ist.
Österreich ist nicht fähig, eine
Volksvertretung zu haben, die auf einer wie immer formulierten Wahl
beruht.
Österreichs Volksvertretung kann nur dadurch
entstehen, daß nicht die Völker sondern der Kaiser die
Personen wählt, welche den Reichsrath zu bilden haben.
Die Zahl seiner
Mitglieder müßte alsdann über hundert ausmachen. Von
dieser Anzahl hätte mindestens ein Fünftheil aus Personen zu bestehen, die
sich durch politische oder administrative Opposition auszeichnen, und die
als gefährlich bezeichnet werden könnten.
Die
kaiserliche Wahl müßte in bestimmten Zeiträumen erneuert, aber unwandelbar
nach dem obigen Prinzip vorgenommen werden.
Die Sitzungen wären mit dem
Gesammt Ministerium abzuhalten.
Eine der ersten
Functionen dieses Reichsrathes würde sein, sich jenen Bankausschuß
aus seiner Mitte zu wählen, der nicht etwa die Geschäfte, sondern nur die
Sicherheit der Bank zu besorgen, und alle Jahre einen öffentlichen Bericht
abzustatten hätte.
Die Geschäfte der Bank wären den Kaufleuten wie
bisher zu überlassen.
Gut würde es sein, wenn ein zweiter Ausschuß für die Kassenscheine eingesetzt wird.
Auf
diese Weise dürfte die schnelle und sichere Herstellung der Valuta kaum
irgend einem gegründeten Zweifel unterliegen.
L. Stein.