Vorschlag von Lorenz Stein für "Die Herstellung der Valuta in Österreich"
o. D. [1857/58?]1
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Regest

Der Staatsrechtler und Nationalökonom Lorenz Stein legt ein Memorandum zur Einführung einer festen Währung in Österreich vor. Er schlägt dazu zwei Maßnahmen vor, nämlich die Aufnahme der Barzahlung sowie die Einführung eines festen Wechselkurses. Zur Deckung des Notengeldes schlägt er vor, dieses nicht allein an die Silbervorräte zu koppeln, sondern die Noten auch als Kassenscheine der Steuerleistung anzusehen, durch die sie gedeckt sind. Diese Kassenscheine sollen als Ersatz für 120–150 Millionen Gulden benutzt werden und als Steuerzahlungsmittel fungieren. Eine Auslösung bei der Bank soll nicht erlaubt werden, so dass die Silbervorräte nicht belastet werden. Die Kassenscheine sollen so zum Verkehrsgeld werden, während die großen Noten bloßes Handelsgeld werden. Wichtig sei die Schaffung einer unabhängigen Nationalbank. Ein vom Kaiser ernannter Reichsrat solle die Bank überwachen.

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Die Herstellung der Valuta in Österreich

Es ist möglich, die feste Valuta in Österreich in kurzer Zeit und dauernd herzustellen. Dies kann aber nicht anders als durch Ineinandergreifen zweier großen Maßregeln geschehen, die für sich betrachtet und durchgeführt werden müssen, wenn dies Ziel, entscheidend für die ganze Lage der Monarchie, erreicht werden soll.
Die Bedingung der Herstellung einer festen Valuta ist zuerst die Aufnahme der Baarzahlung; dann die feste Erhaltung der Bedingungen für diese Baarzahlung.
Keines von Beiden kann für sich allein genügen.
1. Die Aufnahme der Baarzahlungen und damit den festen Cours des Papiergeldes ist absolut nur unter einer Bedingung möglich – Die gegenwärtige Notenmasse bildet ein ununterschiedenes Ganzes, das für das Publikum auf den Silbervorrath der Bank, als seine einzige wahre Sicherheit angewiesen erscheint.
Auf dem Mißverhältnis beider Elemente, der Notenmasse, und des Silbervorrathes beruht das Mißtrauen des Publikums, und es ist wohl zu bedenken, daß es so gut als unmöglich erscheint, den Silbervorrath so groß zu machen – noch unmöglicher ihn so groß zu erhalten, daß er der ganzen Notenmasse genügen könnte.
Man muß daher auch äußerlich die Notenmasse in zwei Theile theilen, aus denen sie besteht.
Jede Note ist nämlich, da sie als Steuerzahlung bei öffentlichen Kassen angenommen wird, zugleich ein Kassenschein. Jede Note hat demnach die Fundation durch die Steuer neben der Fundation durch den Baarfond.
Die erstere kömmt aber nicht zum Bewußtsein, so groß sie auch ist – es handelt sich also darum, sie neben der Silberfundation zur Geltung zu bringen.
Dies geschieht, indem man erstlich eine Summe von 120–150 Millionen Gulden an Banknoten vertilgt, und statt derselben die gleiche Summe in Kassenscheinen ausgibt.
Zweitens diesen Kassenscheinen das ausschließliche Recht beilegt als Steuerzahlungsmittel gebraucht werden zu können, während man das Recht der Einlösung derselben bei der Bank aufhebt und dadurch die Silberfonde der Bank um das doppelte ihres Betrages liberiert,
drittens die übrig bleibenden eigentlichen Banknoten von c. 300 Millionen Gulden ausschließlich auf den Silbervorrath der Bank anweißt.
viertens alle kleine Noten bis 50 fl aufhebt und statt diesen Kassenscheine ausgiebt, während die Bank nur große Noten von mindestens 50 f. ausgeben darf.
Als dann wird das kleine Papiergeld anfangen, eine wesentliche andere Funktion zu haben und auf einer wesentlich andern Fundation zu ruhen als das große.
Die Note wird Handelsgeld, der Kassenschein wird Verkehrsgeld, und damit würde die Valuta sich herstellen lassen, da die Bank Silber genug hat, um den Cours ihrer Noten auf pari zu bringen, wenn die Kassenscheine davon geschieden sind.
2. Allein eben so wichtig ist die zweite Aufgabe, diese Ordnung der Valuta, wenn sie hergestellt wird, so zu basiren, daß sie als eine dauernde erscheint; denn ohne dies kann die Bank auch jene eigentlichen Noten nicht gegen Entwährung durch Agioactionen gegen ihre Baarfonds schützen.
Diese dauernde Begründung der Valuta kann nur dadurch geschehen, daß die Nationalbank gänzlich von den Finanzen getrennt wird.
Eine solche Trennung ist verhältnismäßig leicht herzustellen. Die einmal hergestellte Trennung allein, nützt aber nichts, da es schwer sein wird, den Glauben festzuhalten, daß der Staat bei jedem vorkommenden Falle nicht sofort wieder trotz des Unterschiedes zwischen Noten und Kassenscheinen eine Papier-Anleihe gegen Schuldscheine bei der Bank erreichen wird, um so eher, je besser gerade der Cours der Noten steht.
Es muß daher die Bank unter eine, nicht von der Regierung sondern von den Actionären selbst eingesetzten Direktion gestellt werden.
Diese Maßregel würde aber wieder nur eine halbe sein, da auch eine solche Direktion als wehrlos erscheinen dürfte.
Dieselbe muß sich daher an ein anderes Organ anschließen können, welches über jeder Velleität erhaben ist.
Ein solches Organ kann nur der Reichsrath sein – in welchem daher, man mag ihn wie immer einrichten, ein eigener Ausschuß für die Bank eingesetzt werden müßte, dem die Verwaltung derselben unter seiner persönlichen Verantwortung führt.
Dies kann aber in der öffentlichen Meinung nur dann mit Erfolg geschehen, wenn der Reichsrath zugleich das oberste Organ der Volksvertretung wird, wozu er am Ende berufen ist.
Österreich ist nicht fähig, eine Volksvertretung zu haben, die auf einer wie immer formulierten Wahl beruht.
Österreichs Volksvertretung kann nur dadurch entstehen, daß nicht die Völker sondern der Kaiser die Personen wählt, welche den Reichsrath zu bilden haben.
Die Zahl seiner Mitglieder müßte alsdann über hundert ausmachen. Von dieser Anzahl hätte mindestens ein Fünftheil aus Personen zu bestehen, die sich durch politische oder administrative Opposition auszeichnen, und die als gefährlich bezeichnet werden könnten.
Die kaiserliche Wahl müßte in bestimmten Zeiträumen erneuert, aber unwandelbar nach dem obigen Prinzip vorgenommen werden.
Die Sitzungen wären mit dem Gesammt Ministerium abzuhalten.
Eine der ersten Functionen dieses Reichsrathes würde sein, sich jenen Bankausschuß aus seiner Mitte zu wählen, der nicht etwa die Geschäfte, sondern nur die Sicherheit der Bank zu besorgen, und alle Jahre einen öffentlichen Bericht abzustatten hätte.
Die Geschäfte der Bank wären den Kaufleuten wie bisher zu überlassen.
Gut würde es sein, wenn ein zweiter Ausschuß für die Kassenscheine eingesetzt wird.
Auf diese Weise dürfte die schnelle und sichere Herstellung der Valuta kaum irgend einem gegründeten Zweifel unterliegen.

L. Stein.