Der Polizeibezirkskommissar von Gumpendorf legt einen angeforderten Bericht zur Ausbreitung des Deutschkatholizismus' in seinem Bezirk vor. Zunächst muss der Kommissar einschränken, dass er auf Grund seiner geringen Zeit im Amt bisher wenig zur Situation sagen könne. Er ist jedoch davon überzeugt, dass der Deutschkatholizismus vor allen Dingen deshalb Zulauf habe, weil der Pfarrer von Gumpendorf kein guter Seelsorger sei. Dieser erfülle seine seelsorgerischen Dienste nämlich nur mit Widerwillen und predige nie selbst. Auch werde der Religionsunterricht nicht vom Pfarrer selbst, sondern von Kooperatoren besorgt. Überhaupt trage der Lebenswandel des Pfarrers dazu bei, dass die Pfarrmitglieder sich von der Religion abwenden. Der Polizeikommissar ist sich daher sicher, dass bei Vorhandensein von genügend guten Seelsorgern und Kanzelrednern der Deutschkatholizismus keine Anhänger finden würde.
Z 1/g
Bericht!
Über hohen Auftrag von 25. dieses Z. 306/pr. sich zu äußern, ob die angebliche
von Tag zu Tag sich vermehrende Ausbreitung und Regsamkeit der deutsch
Katholiken zu Gumpendorf, insbesondere der Lauheit in dem
Schulwesen, ganz besonders aber des hiesigen
Pfarrers zuzuschreiben sey und wie im Wege der Belehrung und
Anregung durch das Schul- und Pfarrwesen dem zu steuern seyn dürfte, muß der
gehorsam Gefertigte vor allem bekennen, daß er in Folge der kurzen Zeit seiner
ämtlichen Wirkens in Gumpendf. in
Angelegenheit der freibezirklichen Deutschkatholiken noch nicht mit ihrem
Treiben in der Art sich bekannt machen konnte, daß er mit Bestimmtheit behaupten
könnte, diese Secte nehme an Ausbreitung zu oder ab; doch konnte man so viel
bereits wahrnehmen, daß fast niemand von dieser Secte spricht und also im
allgemeinen doch wenig Theilname haben muß.
Den Herrn Pfarrer von Gumpendorf anbelangend ist
er gerade wie die meisten andern Pfarrer; er ist Pfarrer, aber kein Seelsorger, verrichtet mit Wiederwillen[sic!] gerade wie die
meisten Pfarrer seine pfarrämtlichen Verrichtungen, ist barsch gegen Partheien
und grob statt liebevoll gegen die um eine Betheilung einschreitenden Armen,
prediget nie selbst, weil er Cooperatoren hat und weil er auch wirklich nichts
weniger sowohl seiner Person als seines Vortrages nach ein Kanzelredner wäre.
Arme Kranke zu besuchen, selbe zu trösten und womöglich entweder selbst zu
unterstützen oder aus anderer Quelle unterstützen zu lassen, ist bei den meisten
Herren Pfarrer gar nicht recht[?] der Brauch. Der Religionsunterricht der Kinder
in der Schule und Christenlehre wird lediglich nur von den Kooperatoren besorgt
und so sind die meisten Pfarrer keine Seelsorger und genießen daher auch keine
Achtung von Seite ihrer Pfarrkinder. Kommt dann noch hinzu ein zweideutiger
Lebenswandel, so wird der gewöhnliche Mensch ganz irre an der Religion und daher
die Lauheit in allen, was die Religion betrifft und die Leichtigkeit, mit der
manche ihr Religionsbekenntnis wechseln. Und so kann man mit Bestimmtheit
behaupten, daß der große Mangel an wahren Seelsorgern und der Mangel an guten
Kanzelrednern eine Hauptursache bilden, daß diese Secte der Deutschkatholiken
noch immer Zuwachs erhalten kann.
Wird in der Schule die Jugend von einem
Geistlichen unterrichtet werden, der mit jugendlichen Herzen zu verkehren
versteht, wird in der Kirche das Wort Gottes von Männern verkündet werden, die
sich zu wahren Kanzelrednern herangebildet haben (leider giebt es solche nur
wenige, doch orator fit), wird die Pfarrgeistlichkeit bei jeder Gelegenheit
stets vor Augen behalten, daß unsere Religion eine Religion der Liebe ist, wird
endlich das Sprichwort: In der Kirche sind wir alle gleich,
zur Wahrheit gemacht, so wird dieses Machwerk des
Deutschkatholicismus von selbst zerfallen, wie ohnehin diese Secte nur mit ihrem
Schicksal Unzufriedene oder zur Opposition Geneigte als Anhänger vereiniget.
k.k. Pol. Bez. Koms. Gumpendorf
am 28.2.1851
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