Friedrich Liechtenstein an Leo Thun
o. O., o. D. [1858]
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Regest

Friedrich von Liechtenstein, Gouverneur von Siebenbürgen, bittet Leo Thun, seinen Vorschlag zur Ernennung eines neuen Referenten für Kultusangelegenheiten für Siebenbürgen zu unterstützen. Liechtenstein schlägt für den Posten Gustav Groisz vor: Dieser sei Katholik, kenne sowohl die ehemalige als auch die neue Gesetzgebung im Bereich des Kultus und besitzt wie kein anderer die nötigen Kenntnisse des Landes. Liechtenstein spricht sich außerdem dagegen aus, das Amt wegen der hohen Anzahl an Protestanten und Akatholiken im Land einem Priester zu übergeben. Er ist aber dennoch überzeugt, dass der vorgeschlagene Gustav Groisz in konfessionellen Fragen die katholische Kirche angemessen vertreten werde. Zuletzt bittet Liechtenstein den Minister um Hilfe bei der Lösung der Frage der Widmung des sächsischen Vermögensfonds.

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Edierter Text

Euer Excellenz!

Von dem Minister des Innern aufgefordert den jetzigen Augenblick zu benützen, um die sich schon überlebten Beamten durch neue Kräfte zu ersetzen, habe ich auch die Pensionierung des Statthaltereyrathes Szabo (welcher Cultusreferent war) mit ganzem Gehalt beantragt, da ihm nur mehr einige Monathe zu vierzig Dienstjahren fehlen. Szabo hat sich in der Revolutionsepoche treu erwiesen, ist der einzige des früheren Guberniums, welcher unter der neuen Gestaltung Dienste genommen hat, besitzt auch schätzenswerthe Kenntnisse der früheren Gesetzgebung, doch hängt um so sehr an dem alten, ist so schwach im deutschen, daß sein Wirken eher als hemmend wie als fördernd bezeichnet werden muß. Statt seiner habe ich den Kreisvorstand aus Silay Somlic [Szilágysomlyó] Gustav Groisz zum Statthaltereyrath und Cultusreferenten vorgeschlagen. Groisz ist Katholik, sehr bewandert in der alten und neuen Gesetzgebung, sehr eifrig, unpartheiisch und durch um [sic!] ehrenhaft, daher auch allgemein geachtet. Nach meiner innigsten Überzeugung besitzt er wie kein anderer im Land die nöthigen Eigenschaften zum Cultusreferenten da, um zu entsprechen, nur ein Eingeborener, der mit der Muttermilch die hiesigen Landes- und Cultusverhältnisse erkannt, dieses Referat übernehmen kann, bis nicht mit der Zeit alles geordnet seyn wird. Einem Priester dieses Referat zu geben, wie es in anderen Kronländern wohl der Fall ist, wäre hier unthunlich, wo die Akkatholiken in der überwiegenden Zahl sind. Die anderen eingeborenen Beamten, die allenfalls die geistige Befähigung hätten, sind jedoch größtentheils Protestanten, mithin auch nicht möglich. Doch abgesehen von der geringen Zahl, aus welcher eine Wahl möglich ist, glaube ich mit Bestimmtheit behaupten zu können, daß schwer ein tauglicherer als Groisz gefunden werden könnte. Groisz ist während 3 Monathen hier bey einer Admission gewesen, wo ich Gelegenheit hatte, ihn näher zu beobachten. Der Umstand, daß er eine Unitarierin, zu einer Zeit als Mischehen hier ganz gewöhnlich waren, zur Frau genommen und die Kinder (dem damahligen Gesetz gemäß) in der Religion nach dem Geschlecht ihrer Ältern erzogen wurden, dürfte vielleicht Bedenken erregen. Bey dem ganz selbstständigen Charakter von Groisz, der seiner Frau und Töchtern keinen Einfluß gestattet, wäre, meiner Ansicht nach, dieser Umstand nicht zu berücksichtigen; ich kann selbst gut sehn, daß bey confessionellen Fragen er viel mehr auf die katholische Seite sich neigen wird als wie Szabo, der auf eine vergelbte Vorschrift des vorigen Jahrhunderts sich stützend, aus bloßer Liebe zu dem illo tempore öfters Opposition in derley Dingen machte. Dringend muß ich Euer Excellenz bitten meinen Vorschlag wegen Groisz bey Seiner Majestät zu unterstützen.
Ich habe bereits im Monath Jänner an den Minister Herrn Bach, auf seine Aufforderung, einen Antrag gestellt: wie die schon seit Jahren pendente Frage der Widmung von 50.000 fl aus dem sächsischen Nationsvermögen für Schulzwecke gelöst werden könnte. Wenn zwar ich mich in der Rechtsfrage den Ansichten meines Vorgängers anzuschließen bemüßigt war, so stellte ich doch in Rücksicht dessen, daß der Vermögensfond kein Hindernis biethet, den Antrag dahin, daß diese 50.000 fl jährlich, der von Seiner Majestät bestätigten Widmung gemäß, zu verabfolgen wären. Sollten über diesen Gegenstand in der Zwischenzeit keine Verhandlungen über diesen Gegenstand [sic!] zwischen den beyden Ministerien gepflogen worden seyn, so würde es mir sehr lieb seyn, wenn Euer Excellenz, doch proprio moto, diesen Gegenstand wieder in Anregung brächten, damit mit dieser Angelegenheit einmal ein Ende wäre, was jedenfalls einen günstigen Eindruck hervorbrächte.
Mich dem Wohlwollen Euer Excellenz empfehlend, verharre ich zu seyn

Euer Excellenz
ergebener

Liechtenstein